Die Ungeduld im Raum schaukelt sich von Beitrag zu Beitrag auf. Ganz hinten am Fenster stehen die Feuerwehrleute in einer Reihe, davor wird es eng in den längs aufgestellten Tischreihen im Nebenraum des Sportheims. Der Fürst hat gerufen und rund 80 Markelfinger sind zum OB-Stammtisch gekommen. Schnell äußern sie ihr Unbehagen: Sie fühlen sich von der Stadtverwaltung in Radolfzell nicht ernst- und auch nicht wahrgenommen. Im Februar ist ihre Halle ausgebrannt und seither sei für Markelfingen so gut wie nichts passiert. Noch nicht einmal das für alle weiteren Optionen so wichtige Brandgutachten läge auf dem Tisch.

Das "endgültige" Gutachten fehlt

Oberbürgermeister Martin Staab räumt ein, das Gutachten sei zuerst auf Ende März angekündigt worden, dann sei ein vorläufiger Bericht von der Versicherung im Juli gekommen. „Vorletzte Woche haben wir den endgültigen Bericht nachdrücklich angefordert.“ Thomas Böttinger erregt sich ob dieser Darstellung aus dem Rathaus: „Da bemüht sich keiner.“ Für ihn sei diese Einstellung fatal, denn ohne eine neue Halle gäbe es kein Dorfleben: „In den Vereinen hängen Existenzen dran", sagt Böttinger. Er empfahl, "das Ding da so schnell wie möglich hinzustellen“.

Der OB nimmt sich in der Versicherungsfrage nicht ganz aus der Schusslinie: „Da mag auch ein Versäumnis meinerseits da sein.“ Hoffnung auf eine schnelle Lösung und eine neue Halle macht der Radolfzeller OB den Markelfingern nicht. Staab tendiert aus finanziellen Gründen zu einer Sanierung der ausgebrannten Halle, dann müsste die Versicherung für die gesamten Kosten aufkommen. Bei einem Neubau würde nur der Sachwert der alten Halle fällig: „Das ist eine sechsstellige Zahl.“ Bei einem Neubau rechnet der OB aber mit einem Preis von rund vier Millionen Euro. Und, sagt Staab: „Eine Sanierung braucht zwei Jahre, ein Neubau bekommen wir nicht unter vier Jahren.“

Die Markelfinger wollen eine neue Halle

Vier Jahre für eine neue Halle, das haben die Markelfinger nicht erwartet. Der Aufschrei im Sportheim lässt den OB wiederholen: „Wir brauchen eine Planung, die dauert, ein Genehmigungsverfahren, das dauert – das werden vier Jahre bis die Halle steht, alles andere wäre geschwindelt.“ Stattdessen macht Staab die Sanierung der Halle mit einer um zehn Prozent aufgestockten Fläche schmackhaft. Ortschaftsrat Andreas Blum steht auf und sagt, was er von der Sanierung samt Vergrößerung hält: „Nix.“ Die Bedarfsplanung für einen Neubau stehe. Eine Sanierung, sagt Blum, sei rausgeschmissenes Geld.

Hermann Repnik, auch Ortschaftsrat, bekräftigt diese Aussage: „Die Halle in den jetzigen Ausmaßen ist überholt, der Bedarf ist weit größer.“ Dann wird Repnik deutlich: „Wir erwarten in dieser Situation, dass die Stadt handelt.“ Eine neue Halle sei in zwei bis drei Monaten geplant. Repnik appelliert an den OB: „Wir haben einen Notstand, schauen Sie, wie Sie das hinbekommen.“

Der Notstand nach der Ablehnung der Umfahrung

Der zweite Notstand, der in Markelfingen bei diesem OB-Stammtisch zu tage tritt, ist ein seelischer. Und politischer. Die ablehnende Haltung des Gemeinderats gegen eine Ortsumfahrung in Markelfingen von der Kaltbrunner Straße auf die Radolfzeller Straße und damit eine Entlastung für die Oberdorfstraße hat einen Großteil der Ortschaftsräte – und wohl auch des Dorfs – tief ins Mark getroffen. Mit elf zu eins Stimmen hat der Ortschaftsrat den Plan für diese Tangente auf den Weg gebracht, bevor ihn der Gemeinderat der Stadt Radolfzell mit 13 zu neun Stimmen im April zu Fall gebracht hat.

Der Frust der Ortschaftsräte sitzt tief

Hoch kommt dieser Frust bei Fragen zu einer Baustraße für das Neubaugebiet im Tal und der Verkehrssituation im Dorf. Marc Abele erinnert daran, dass die Oberdorfstraße auch Schulweg sei: „Für Kinder gibt es keine Möglichkeit, die Straße zu queren.“ Andreas Blum ergänzt, dass die Tangente dieses Problem gelöst hätte. Fast fünf Jahre habe der Ortschaftsrat um eine Lösung gerungen, dann hätte sogar das Land die Zustimmung für diese Umfahrung gegeben. Seine Enttäuschung sitzt tief, „dass der Gemeinderat uns in der Luft hat hängen lassen“. Blum bekennt vor versammeltem Publikum: „Das tut immer noch weh, ich habe die Lust verloren an der Arbeit im Ortschaftsrat.“

Das Nachbeben der Entscheidung spüre das ganze Dorf. Susanne Kauter kann verstehen, dass die Ortschaftsräte frustriert seien. Sie brächten sich ein und würden so abgeschmettert: „Mich erschüttert das.“ Martina Gleich hat als einzige im Ortschaftsrat gegen den Bau der Umfahrung gestimmt. Sie formuliert das Gegenargument: „Man muss respektieren, dass es eine andere Meinung gibt.“ Sie bittet auch um Verständnis für die Stadträte, die sich schweren Herzens gegen die Tangente ausgesprochen haben: „Die Unterschriftenlisten haben ein anderes Meinungsbild als im Ortschaftsrat ergeben.“

"Das muss ein Dorf ertragen"

Martina Gleich glaubt, dass die Wunden der Auseinandersetzung heilen: „Das muss ein Dorf ertragen.“ Da findet Staab eine Anknüpfung an eigene Niederlagen im Gemeinderat: „Ich habe auch oft eine andere Meinung.“ Aber so lautet seine Erfahrung: „Da wird es eine neue Chance geben.“ Die Erkenntnis nach diesem OB-Stammtisch ist deutlich konreter: Zumindest bei der Halle wollen die Markelfinger ihre Chance jetzt. Nicht später.

Das Landesdenkmalamt hat diese Ansicht: Das Ensemble von Kirche und Pfarrhaus in Markelfingen. Bild: Georg Becker
Das Landesdenkmalamt hat diese Ansicht: Das Ensemble von Kirche und Pfarrhaus in Markelfingen. Bild: Georg Becker | Bild: Becker, Georg

 

Ensembleschutz
für die Kirche

  • Baugebiet im Tal: Im Genehmigungsverfahren für das Neubaugebiet im Tal zwischen Kaltbrunner- und Laurentiusstraße in Markelfingen hat sich das Landesdenkmalamt eingeschaltet. Es monierte im vorgelegten Bebauungsplanentwurf, dass die einzigartige Lage von Kirche und den zwei Pfarrhäusern nicht ausreichend berücksichtigt sei. Die Gebäude seien in dieser Ortsrandlage einzigartig und Dorfbild prägend, deshalb genössen die Gebäude und die Sicht darauf Ensembleschutz. OB Staab hat informiert, dass ein überarbeiteter und mit dem Denkmalamt abgestimmter Bebauungsplan demnächst dem Gemeinderat vorgelegt werde.
  • Nachfrage nach Bauplätzen: Markelfingens Ortsvorsteher Lorenz Thum gab beim OB-Stammtisch nach Rückfrage den aktuellen Stand seiner Liste zum Neubaugebiet im Tal bekannt: "Wir haben 300 Anfragen und 64 Bauplätze zu vergeben."