Das Bürgerforum Bauen Radolfzell, kurz BBR, hat in der Haselbrunnstraße den Feinstaubalarm ausgerufen. Seit Juni messen Peter Schubkegel, Gerald Thom und Heinz Küster mit selbst gebauten Stationen an fünf Standorten in Radolfzell. Während die Sensoren in der Konstanzer Straße, Güttinger Straße, Ländlestraße und Jakobstraße keine nennenswerten Ausschläge verzeichnet hätten, gibt das Gerät auf dem Balkon von Heinz Küster in der Haselbrunnstraße Anlass zur Sorge. Dort seien für die Feinstaubvariante der Partikelgröße PM 10 bis zehn Mal am Tag eine bis zu zehnfache Überschreitung des Grenzwerts festgestellt worden und bis zu vier Mal am Tag eine bis zu elffache Überschreitung des Grenzwerts für den Feinstaub PM 2.5.
Für diese Form der Messung hat sich das Radolfzeller Bürgerforum den so genannten OK-Labs – OK steht für den englischen Begriff Open Knowledge oder offenes Wissen und Labs für Labore – angeschlossen und dort die notwendigen Informationen für den Selbstbau von Feinstaubsensoren besorgt. Der in Radolfzell verwendete Bausatz kostet nach Angaben von Peter Schubkegel rund 40 Euro. Er besteht aus zwei Abwasserohrbögen, einem Feinstaubsensor für die Varianten grob- und feinkörnig sowie einem Kleincomputer mit WLAN zur Übertragung der Daten ins Internet. Schubkegel ist von dem eigenen Bausatz überzeugt: "Wir sind bei der Messung relativ genau."

Während die Station in der Haselbrunnstraße für die Vertreter des Bürgerforums "erschreckende Ergebnisse" geliefert hat, relativiert Pressesprecherin Dagmar Berberich von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) die erhobenen Daten in der Haselbrunnstraße: "Die verwandten Sensoren können nur einen ersten Anhaltspunkt ergeben." Sie würden einem Vergleich mit amtlichen Messwerten aus geeichten Stationen nicht standhalten, weil sie nur Spitzen- und keine Mittelwerte ausweisen würden. Aber alle Grenzwerte seien auf Mittelwerte für einen ganzen Tag oder ein ganzes Jahr ausgelegt. "Die Mittelwerte sind immer deutlich niedriger als die gemessenen Spitzen", sagt Dagmar Berberich.
Zudem habe sich bei der Landesanstalt aufgrund der Messungen im Land eine Erkenntnis durchgesetzt: "Der Feinstaub ist nur noch am Neckartor in Stuttgart ein massives Problem." Sonst gebe es bei anderen Mess-Stationen nur in Hochphasen etwa bei Streusalzeinsatz im Winter massive Ausschläge, aber im Jahresmittel bereiten die reinen Feinstaubwerte keinen Anlass zur Sorge. "Das liegt daran, dass in Autos Feinstaubfilter eingebaut sind." Als Beispiel führt LUBW-Pressesprecherin Dagmar Berberich Messungen an der stark befahrenen Theodor-Heuss-Straße in Konstanz an. Dort habe der Jahresmittelwert mit 20 Mikrogramm pro Kubikmeter "im unteren Viertel" gelegen. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.
Die Vertreter des Bürgerforums Radolfzell berufen sich auf ihre Ergebnisse in Sachen Feinstaub. Gerald Thom findet: "Die Werte sind extrem." Für Heinz Küster besteht das Problem in der Haselbrunnstraße "aus der fehlenden Photosynthese". Das würde noch verstärkt, wenn das Bauvorhaben vor St. Meinrad verwirklicht und 40 von 50 Bäumen gefällt würden. Das Bürgerforum kritisiert den Wegfall der "grünen Lunge" und wünscht als nächsten Schritt Gespräche mit der Stadt. "Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Diskussion", sagt Küster.
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Grenzwerte, Wissens-Labore und giftige Gase
- Der 24-Stunden-Grenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt beim Feinstaub mit dem Partikelwert PM 10 in Deutschland 50 Mikrogramm/Kubikmeter bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr, der Ein-Jahres-Grenzwert beträgt 40 Mikrogramm/Kubikmeter. Bei der noch kleineren Staubgröße (PM 2.5) gibt es keinen Tagesgrenzwert, der Ein-Jahres-Grenzwert liegt bei 25 Mikrogramm/Kubikmeter. Das Bürgerforum Bauen Radolfzell macht darauf aufmerksam, dass die Werte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter den europäischen, also deutschen Grenzwerten lägen.
- Die OK Labs (Open Knowledge Lab heißt übersetzt etwa Labor für offenes Wissen) gehören zum Programm Code for Germany und sind von der Open Knowledge Foundation Deutschland initiiert worden.
- Unter dem Sammelbegriff NOx werden die giftigen gasförmigen Oxide des Stickstoffs zusammengefasst. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen unter hohen Temperaturen. Emissionsquellen sind der Kraftfahrzeugverkehr und die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz hält die Belastung durch NOx im Gegensatz zum Feinstaub für ein landesweites Thema. Das Bürgerforum Bauen hat den NOx-Wert nicht gemessen, schreibt aber: "Stickoxide tragen zur Feinstaubbildung bei."