Natalie Reiser

Für berufstätige und allein erziehende Eltern ist ein Platz in einer Kindertagesstätte keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Seit 1996 hat jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt per Gesetz einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Laut Aussage des Gesamtelternbeirats der Kindertagesstätten (GEB Kita) fehlen in Radolfzell seit September 90 Betreuungsplätze für Kinder über drei Jahren.

Bei einem Informationsabend des Elternbeirats im Mehrgenerationenhaus erzählten betroffene Eltern von ihren vergeblichen Bemühungen um einen Platz im Kindergarten und davon, wie sie bislang mit der Situation zurechtgekommen sind.

Interimslösung in Containern

In der Vergangenheit hatte die Elternvereinigung, die ein Bindeglied zwischen Eltern und der Stadt darstellt, mehrfach auf einen erhöhten Bedarf an Kindergarten- und Krippenplätzen hingewiesen. Die Stadt stützte sich in ihrer Bedarfsplanung auf eine Bevölkerungsstatistik, die davon ausging, dass in Radolfzell in den nächsten Jahren weniger Geburten zu erwarten seien. Auf Kindergarten-Neubauten wurde verzichtet.

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Um nun Abhilfe für fehlende Plätze zu schaffen, sei geplant, auf dem Gelände neben dem Kinderkulturzentrum Lollipop eine Containerlösung für drei Kindergartengruppen zu schaffen, berichtete Susanne Pantel, Vorsitzende des GEB Kita. Zusätzlich sollen die Tagesstätten in Stahringen, Markelfingen und Güttingen erweitert werden.

Als Erfolg wertet Pantel, dass trotz der angespannten Haushaltslage Gelder für die Schaffung der fehlenden Betreuungsplätze eingestellt sind. Es sei wichtig, den politischen Druck weiter beizubehalten, damit die Erweiterung der Kindertagesstätten möglichst hoch priorisiert werde.

Mutter erzählt von vergeblicher Suche

Um einerseits die aktuelle Situation von Familien, denen ein Betreuungsplatz für ihr Kind fehlt, der Stadt gegenüber deutlich machen zu können und andererseits nachvollziehen zu können, wo die Kommunikation zwischen Eltern und der Stadt verbessert werden müsste, bat sie die Anwesenden, ihre Suche nach einem Kindergartenplatz zu schildern.

Eine Mutter, deren Name der Redaktion bekannt ist, berichtete, für ihre Tochter, die in Kürze drei Jahre alt wird, habe sie sich vergeblich sowohl um einen Krippen- als auch um einen Kindergartenplatz bemüht. Seit August 2017 habe sie Anfragen über das Vormerksystem der Stadt für einen Betreuungsplatz verschickt.

Betreuung für Oma zu anstrengend

Ihr Wunsch-Kindergarten wäre das Kinder- und Familienzentrum St. Hedwig gewesen. An zweiter Stelle gab sie den Josef-Zuber-Kindergarten und danach das Kinder- und Familienzentrum Werner Messmer an. Einen Krippenplatz oder eine Tagesmutter hat sie 2018 nicht bekommen, als sie nach dem ersten Lebensjahr ihrer Tochter wieder anfing zu arbeiten. Damals half die Oma aus.

Mittlerweile ist die junge Frau ein zweites Mal Mutter geworden. So ließ sich weitere Wartezeit überbrücken. Doch nun steht nach dem zweiten Kind bald der Wiedereinstieg in den Beruf an. Für die Großmutter wird die Kinderbetreuung zu anstrengend. Nacheinander hat die Familie Absagen mehrerer Kindertagesstätten in Radolfzell bekommen.

Probleme bei der Kommunikation

In St. Hedwig stehen die beiden Mädchen auf einer Warteliste. Was die Betreuungszeiten angeht, sei ihr Arbeitgeber flexibel, berichtet die Mutter. Auch eine Kindertagesstätte, die nicht in ihrer Nachbarschaft liege, käme für sie infrage.

Um die Situation der Stadt zu schildern, habe sie ein Jahr lang einmal pro Monat vergeblich versucht, Anette Hemmie, Leiterin der Kindertagesstätten, telefonisch zu erreichen. Auf die Bitte um Rückruf und E-Mails sei nicht reagiert worden. Bevor sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wollte, schickte sie ein Einschreiben an die Stadt. Daraufhin kam ein Telefonat zustande.

Stadt prüft den Sachverhalt

Laut Vormerksystem sei nicht ersichtlich, dass die Mutter eine Reihe von Absagen erhalten habe, sei die Aussage der Stadtverwaltung gewesen. Nun wurde ihr ein Platz in einer Gruppe in Aussicht gestellt, die vorübergehend im Pfarrsaal in Böhringen untergebracht ist.

Auf Anfrage der Redaktion, warum die Stadt erst auf ein Einschreiben reagiere, teilte Pressesprecherin Julia Theile mit: „Wir prüfen derzeit noch den Sachverhalt und informieren selbstverständlich, sobald eine Klärung vorliegt.“

Kritik an Vormerksystem

Ein Verbesserungsvorschlag betraf das Vormerksystem. Die Mutter beanstandete, man könne pro Einrichtung nur eine Betreuungszeit angeben und sehe nicht, ob es zu anderen Konditionen noch Plätze in der Kita gäbe.

Susanne Pantel fügte hinzu: „Das System sollte so eingerichtet werden, dass Kinder, die keinen Platz bekommen, auf einer Liste landen, die an die Abteilung Kinderbetreuung weitergeleitet wird.“