Das spüren alle Einwohner als erstes: Der Gemeinderat der Stadt Radolfzell hat aufgrund der klammen Finanzierungslage den Hebesatz der Grundsteuer von 365 auf 370 Prozentpunkte erhöht. Das bringt geschätzte Mehreinnahmen von rund 130 000 Euro im Haushaltsjahr 2020, die Auswirkungen für Wohnungseigentümer und Mieter scheinen sich in Grenzen zu halten (siehe Beispielrechnung). 

Fehlbetrag von 2,3 Millionen Euro

Mit der Erhöhung der Grundsteuer sind die Finanzprobleme nicht gelöst. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer ist mit knapper Mehrheit bei zwölf Gegenstimmen abgelehnt worden. Dafür nimmt der Gemeinderat ein deutliches Minus im Gesamthaushalt in Kauf. Es fehlen bei veranschlagten 97,9 Millionen Euro Erträgen und 100,2 Millionen Euro Aufwendungen 2,3 Millionen Euro, um den Haushalt auszugleichen. Deshalb hat OB Martin Staab nach dem Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats zu Protokoll gegeben. „Der Haushalt ist nicht gesetzmäßig.“

Trotz des Fehlbetrags könnte der Haushalt als „genehmigungsfähig“ gelten: Das Regierungspräsidium kann einen Haushalt durchwinken, wenn die Experten dort zur Ansicht kommen, das vorgelegte Zahlenwerk treibe die Stadt auf Dauer nicht in die Zahlungsunfähigkeit. Die Verwaltung muss aber einen Plan vorlegen, wie Radolfzell in den Folgejahren durch Einsparungen oder Einnahmen wieder auf ein ausgeglichenes Ergebnis kommen will. Ein Puzzle-Teil in diesem Bild ist, dass der Gemeinderat die Mittel für die Seetorquerung gestrichen hat.

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Was die Stadt aber kurz- wie mittelfristig ohne große Entscheidungsmöglichkeit bindet, ist das gesetzlich verankerte Recht der Eltern auf Kindertagesbetreuung. Auf Antrag der CDU und mit Unterstützung aller Fraktionen sind die „kurzfristigen Maßnahmen“ für die Kindertageseinrichtungen in den Haushalt aufgenommen worden. Im ersten Entwurf haben sie gefehlt. „Es gibt aber den Rechtsanspruch“, beharrte CDU-Stadtrat Diehl auf der Aufnahme der bereits beschlossenen Ausbaumaßnahmen zur Kindertagesbetreuung. Diese sind:

  • Die Stadt Radolfzell erstellt auf der Grünfläche beim Lolipop eine Einrichtung für drei Gruppen (insgesamt 75 Kinder) in Modulbauweise. Die geschätzten Kosten liegen im Jahr 2020 bei einer Million Euro.
  • Zur kurzfristigen und temporären Bedarfsdeckung in Markelfingen wird eine Kindergartengruppe (25 Kinder) in Modulbauweise bereitgestellt. Das Modul soll auf einer Grünfläche bei Kirche und Rathaus errichtet werden. In unmittelbarer Nähe zum bestehenden Kindergarten fehle der nötige Platz, so Bürgermeisterin Monika Laule. Die Kosten werden für 2020 mit 500 000 Euro angegeben.
  • Die Bauverwaltung soll Pläne erstellen, wie ein Anbau an die Kindergärten in Güttingen und Stahringen aussehen könnte.
  • Für die Kinderzeit, das ist die außerschulische Betreuung in den Grundschulen, werden sieben Stellen eingerichtet. Man rechnet mit einem Mehraufwand von 340 000 Euro.

Die Gegenstimmen

Die Haushaltssatzung der Stadt Radolfzell für das Jahr 2020 in dieser Form hat mit 15 Stimmen eine Mehrheit gefunden. Dagegen stimmten Bernhard Diehl (CDU), Norbert Lumbe (SPD), Walter Hiller (Freie Wähler), Thilo Sindlinger (Freie Grüne Liste) und die drei FDP-Stadträte Jürgen Keck, Richard Atkinson und Manfred Brunner. Keck erklärte zu Beginn der Beratung: „Eine Steuererhöhung kommt für uns nicht infrage.“ Neben der Grundsteuer ist auch die Vergnügungssteuer von 21 auf 25 Prozent erhöht worden. Die Finanzverwaltung rechnet nun mit Einnahmen von einer Million Euro statt bisher 850 000 Euro aus dieser Quelle.