Für die betroffenen Eltern war es eine Art Supergau. Nicht einmal 24 Stunden vorher bekamen sie mitgeteilt, dass der Werner-Messmer-Kindergarten ab Mittwoch für die restliche Woche vor Weihnachten nur bis 14 Uhr statt bis 17 Uhr aufhaben wird. Was mit drei Stunden nach einer kurzen Zeitspanne klingt, stellt gerade für Berufstätige eine Hiobsbotschaft dar, sagt die Elternbereitasvorsitzende des Werner-Messmer-Kindergartens, Melanie Hernando. Denn bei den Betroffenen taucht automatisch die Frage auf: "Wohin mit dem Kind bis 17 Uhr?", so Hernando. Für die Stadt ist der Vorfall eine personelle Ausnahmesituation.

Ausfall zieht riesigen Rattenschwanz nach sich

Melanie Hernando ist als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern selbst durch den Ausfall im Werner-Messmer-Kindergarten betroffen und hat als Elternbeiratsvorsitzende auch die Verzweiflung der anderen Mütter miterlebt. Denn auch nur verkürzte Öffnungszeiten ziehen einen riesigen Rattenschwanz nach sich, sagt sie. "Nicht jeder kann eine andere Unterbringung bei Verwandten organisieren, gerade nicht vor und um Weihnachten herum."

Eltern müssen dann die Betreuung selbst organisieren

Die Folge: Berufstätige müssten Sonderurlaub nehmen, Arbeit bliebe liegen. Weiterhin komme es sogar zu Lohnausfällen oder Ärger im Betrieb. "Jeder kennt das: Man hat Projekte, die abgeschlossen werden müssen. Mein Arbeitgeber hat auch geschluckt, als ich ihn auf die Situation hinwies", erklärt Hernando. Sie selbst gehöre noch zu den Glücklichen, die im privaten Umfeld eine Betreuung für ihr Kind organisieren konnte – für jeden Tag eine andere. "Meine Mutter hat extra Urlaub genommen."

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Sorge vor erneuten Ausfällen wächst

Für eine kurzfristige Versorgung der Kinder zu sorgen, sei aber nicht das Einzige, was den Eltern Sorge bereitet, so Hernando. Bereits vergangene Woche sollen die städtische Kinderkrippe Entdeckerkiste und die städtischen Kitas in Böhringen und Markelfingen – ebenfalls aus Krankheitsgründen – nur verkürzt geöffnet gewesen sein. Eine Mutter von zwei Kindern war sogar doppelt betroffen, berichtet Hernando. Erst bei der Entdeckerkiste, nun bei der Tagesstätte. Deshalb wachsen bei den Eltern die Bedenken, wie es in Zukunft weitergehen soll. Schließlich habe die kalte Jahreszeit gerade erst angefangen.

Stadt sei in der Pflicht zu handeln

"Was passiert, wenn erneut Krankheitsfälle den Betrieb in den städtischen Kitas lahmlegen", fragt sie sich. "Wir zahlen schließlich für die Stunden, die unser Kind betreut werden soll. Das kann so nicht weitergehen." Deswegen sei die Stadt in der Pflicht, nach Lösungen zu suchen. Denn weitere Ausfälle seien für die Eltern nicht zumutbar, so die Elternbereitsvorsitzende. "Die Suche nach privaten Lösungen ist für alle Mütter und Eltern sehr anstrengend und stressig."

Reduzierung der Öffnungszeiten ist letztes Mittel

"Eine Reduzierung der Öffnungszeiten ist immer das letzte Mittel", teilt Claudia Kolaska von der Pressestelle der Stadt Radolfzell auf SÜDKURIER-Anfrage mit. Für Krankheitsfälle gebe es bei den Kinderbetreuungseinrichtungen deshalb auch ein entsprechendes Notfallkonzept, das vorsieht, dass Erzieher aus anderen Kinderbetreuungseinrichtungen für die ausgefallenen Kollegen einspringen.

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Grippewelle führte zu Personalmangel

Dies wurde auch in diesem Fall geprüft, sei jedoch "aufgrund der derzeit umgreifenden Grippewelle leider nicht möglich gewesen", so die Pressesprecherin der Stadt. Aufgrund akuter Krankheit fehlten derzeit acht Erzieherinnen. Zwei Auszubildende könnten derzeit nicht in der Einrichtung sein, da sie momentan in der Schule auf ihre Aufgaben in den Kinderbetreuungseinrichtungen vorbereitet werden.

Die Kurzfristigkeit der Ausfälle sei auch der Grund gewesen, warum die Eltern erst am Dienstag, also nur einen Tag vorher, informiert werden konnten, so Claudia Kolaska. Der Personalmangel sei nicht zu einem früheren Zeitpunkt vorhersehbar gewesen. "Es ist eine absolute Notfallsituation", erklärt Kolaska.

Neueinstellungen sollen Personallage entschärfen

Im nächsten Jahr soll jedoch die Personallage im Werner-Messmer-Kindergarten entschärft werden. Zwei Stellen sind derzeit in der Tagesstätte nicht besetzt, für sie sei bereits Personal gefunden worden, gibt die Sprecherin der Stadt Auskunft. "Die Bewerbungsverfahren sind bereits abgeschlossen. Die zukünftigen Mitarbeiterinnen werden ab dem 1. Januar und dem 1. Februar eingestellt." Doch was passiert, wenn wieder Krankheitsfälle auftreten? "

Welche Maßnahmen zusätzlich zum bereits bestehenden Notfallkonzept getroffen werden können, um bei kurzfristigen Krankheitsfällen eine Reduzierung der Öffnungszeiten zu vermeiden, wird beraten", so Kolaska.

Kinderbetreuung in Radolfzell

Die Betreuung von Kindern ist immer wieder ein Thema, welches auch in Radolfzell diskutiert wird.

  • Kindertagesstätten und -Krippen: Die Stadt Radolfzell ist Träger von acht Kindertagesstätten, der Werner-Messmer-Kindergarten ist eine davon. Dieser und ein weiterer sind in der Radolfzeller Kernstadt, die anderen Tagesstätten sind in den Ortsteilen Möggingen, Liggeringen, Stahringen, Güttingen, Böhringen und Markelfingen. Weiterhin ist die Stadt Träger der Kinderkrippe Entdeckerinsel in der Kernstadt. Neben der Stadt gibt es noch andere Träger, zum Beispiel die katholische oder evangelische Kirche. Insgesamt gibt es 21 Kindertagesstätten und sieben Kinderkrippen in Radolfzell.
  • Thema im Gemeinderat: Die Kita-Betreuung war auch im Radolfzeller Gemeinderat am vergangenen Dienstag ein Thema. In einem offenen Brief an den Radolfzeller Oberbürgermeister Marin Staab kritisierte die CDU-Stadträtin Martina Gleich und die CDU-Fraktion, dass es wiederholt Probleme bei der Betreuung von unter Dreijährigen in den städtischen Kindergärten gegeben hatte. "Für die Betroffenen Familien sei es nur schwer zumutbar, am Morgen in der Einrichtung zu erfahren, dass heute für ihre Kinder keine Betreuungsmöglichkeit vorhanden ist", so Gleich. Deshalb beantrage die CDU-Fraktion, dass die Verwaltung noch vor den Haushaltsberatungen Vorkehrungen treffen soll, um solche Situationen zu vermeiden beziehungsweise Notfall-Lösungen anzubieten.
  • Gesamtelternbereitat kritisierte im Oktober die Gesamtsituation: Es ist nicht das erste Mal, dass die Kinderbetreuung im Gespräch ist. Bereits im Oktober diesen Jahres kritisierte die Gesamtelternbeiratsvorsitzende Susanne Pantel die Gesamtsituation der Betreuung in Radolfzell. Es fehle an einem langfristigen Gesamtkonzept, so Pantel. Im Oktober fehlten noch 44 Plätze in der Kinderbetreuung. Anfang nächsten Jahres sollen in der Nordstadt durch mobile Wohnmodule 20 weitere Plätze für Kinder unter drei Jahren entstehen. Bürgermeisterin Monika Laule sagte damals, dass die Stadt keinen dauerhaften Ausbau der Kindertagesbetreuung plane.