Der Tod, Beerdigungen, Friedhöfe – es ist sind Themen, mit dem sich viele Menschen nicht gerne auseinandersetzen, die aber jeden einzelnen betreffen. Und die das Team um Alexander Baur tagtäglich beschäftigen. Seit Januar ist er der neue Leiter des Bereichs Friedhofswesen bei den Technischen Betrieben Radolfzell (TBR). Und muss sich damit nicht nur um Trauerfeiern, Gräbern und Grünpflege auf dem Waldfriedhof sowie den Friedhöfen in den Ortsteilen kümmern. Sondern sich auch mit einem Wandel bei den Beerdigungen beschäftigen.

Denn die klassische Erdbestattung, bei der Verstorbene in Särgen in die Erde gelassen werden und bei denen sich die Hinterbliebenen im Nachhinein um die großen Gräber kümmern, sind seltener geworden – und das hat auch Auswirkungen auf die Radolfzeller Friedhöfe und die Arbeit der Angestellten.

Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel

„68 Prozent sind mittlerweile Urnenbestattungen“, erklärt Alexander Baur. Und immer mehr davon finden an pflegefreien Gräbern statt. Solche Grabflächen werden von der Stadt, nicht von den Hinterbliebenen gepflegt. Und dieses Angebot werde immer häufiger angenommen. Ein Grund sei etwa der gesellschaftliche Wandel, so Baur. Die Nachfahren von Verstorbenen leben häufig nicht mehr im gleichen Ort, können sich daher also auch nicht mehr regelmäßig um das Grab der Verwandten kümmern.

Das könnte Sie auch interessieren

In der Vergangenheit seien darum zunächst Urnenwände eingeführt worden – also Mauern mit Nischen, in die die Urnen Hineingestellt werden können. „Das ist aber gar nicht mehr im Trend“, sagt Alexander Baur. Später seien Rasengräber dazu gekommen, bei denen das Grab nach der Beerdigung mit Rasen bepflanzt wird. Mittlerweile seien Grabfelder beliebt, also „mehrere Gräber auf engem Raum, die nicht mehr voneinander abgegrenzt werden“.

Urnenwände wie diese auf dem Radolfzeller Waldfriedhof, sind heutzutage nicht mehr im Trend.
Urnenwände wie diese auf dem Radolfzeller Waldfriedhof, sind heutzutage nicht mehr im Trend. | Bild: Jarausch, Gerald

Die Stadt kommt kaum hinterher

Dazu gehören auch Baumgrabfelder, bei denen die Urnen in der Nähe von Bäumen gepflanzt und die Gräber mit einem Stein und einer Plakette gekennzeichnet werden. Diese seien sehr beliebt, berichten Alexander Baur und der Leiter der TBR, Ferdi Cihan. Vor rund zehn Jahren sei auf dem Waldfriedhof das erste Baumgrabfeld angelegt worden, mit Platz für 20 bis 30 Gräber. Später folgten weitere, auch in den Ortsteilen. Jüngst gebe es so zum Beispiel in Liggeringen ein neues, im Vorjahr sei in Böhringen eines angelegt worden. Aktuell arbeite man in der Kernstadt an einem ganz neuen Feld, das dann Platz für über 200 Urnen bieten wird.

Denn: „Die Gräber sind so schnell verkauft, dass wir gar nicht hinterherkommen“, erklärt Ferdi Cihan. Im vergangenen Jahr sei zum Beispiel ein neues Baumgrabfeld innerhalb von drei Monaten voll belegt gewesen. Aktuell finden laut Alexander Baur 45 Prozent aller Bestattungen in Baumgrabfeldern statt.

Antwort auf den Friedwald

„Das ist die Antwort auf die Friedwälder“, erklärt Ferdi Cihan – also Wälder, in denen Urnenbestattungen möglich sind. Solche gibt es etwa bei Litzelstetten, Emmingen-Liptingen und Gottmadingen. Vor zwei Jahren wurde auch in Radolfzell über das Thema diskutiert, der Gemeinderat entschied sich aber gegen eine solche Einrichtung.

Moderne Art des Urnengrabes: Baumgrabfelder wie hier auf dem Radolfzeller Waldfriedhof, sind sehr beliebt.
Moderne Art des Urnengrabes: Baumgrabfelder wie hier auf dem Radolfzeller Waldfriedhof, sind sehr beliebt. | Bild: Jarausch, Gerald

Vorteil der Baumgrabfelder – zumindest für alle, die darauf Wert legen – sei die Infrastruktur, die im Gegensatz zum Bestattungswald auf den Friedhöfen besteht. Dazu zählen etwa angelegte Wege, auf denen die Gräber einfach erreicht werden können, Toiletten und eine unmittelbare Busanbindung. „Unsere Besucher sind meistens schon im gehobenen Alter“, sagt Ferdi Cihan. Für sie seien die Gräber so einfacher zu erreichen. Und die Stauden, die auf den Grabfeldern gepflanzt werden, seien gut für die Biodiversität. „Das fördert die Insekten.“

Wie sieht der Friedhof in Zukunft aus?

Allerdings haben die pflegefreien Grabfelder auch einige Auswirkungen auf die Aufgaben der Mitarbeiter. Denn zum einen nimmt für sie der Pflegeaufwand zu, je mehr solcher Grabfelder es gibt – zumal sich das siebenköpfige Team auch um viele andere Arbeiten kümmern muss, etwa die Pflege der Grünflächen und der Ehrengräber.

Das könnte Sie auch interessieren

Zum anderen wirkt sich ein Wandel bei den Beerdigungstrends auch auf den Waldfriedhof aus: „Erdbestattung braucht viel Platz“, erklärt Ferdi Cihan. Bei pflegefreien Grabfeldern sei das aber nicht der Fall. Dadurch werden viele Flächen auf dem Waldfriedhof frei. Künftig müsse man also drüber nachdenken, wie man damit umgehe und ob man Teile des Waldfriedhofs renaturieren, „also reduzieren“ muss.