Städte wie Konstanz und Merseburg haben es schon, Radolfzell soll es künftig auch bekommen: ein Bürgerbudget, mit dem Projekte der Bevölkerung in Eigenregie umgesetzt werden können. Insgesamt geht es um 65.000 Euro, mit denen zum Beispiel Blumenbeete in der Stadt angelegt oder neue Angebote ins Leben gerufen werden könnten – und das noch 2025.

Die Idee dazu kam von der CDU-Fraktion, die einen entsprechenden Antrag stellte. Diesem stimmte der Gemeinderat schon in seiner Sitzung im Dezember zu. Seither hatte die Stadtverwaltung Zeit, konkrete Möglichkeiten zur Umsetzung auszuarbeiten. Das Ergebnis wurde nun in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Kultur, Bildung und Soziales vorgestellt.

Wie genau funktioniert das?

Insgesamt sollen pro Jahr im Rahmen des Bürgerbudgets bis zu 65.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Pro Antrag soll die Fördersumme auf maximal 8000 Euro beschränkt werden. Sarah Hofmann, die für die Bürgerprojekte verantwortlich ist, sprach sich in der Sitzung auch aus Erfahrung für diese Summe aus. In der Vergangenheit war sie bis zu dessen Aus in der Verwaltung schon für die lokale Partnerschaft für Demokratie zuständig. „Mehr wurde bei uns selten beantragt“, berichtete sie von damaligen Förderanträgen für Projekte, die im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ Geld erhalten konnten.

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Wer für das Bürgerbudget einen Vorschlag einreichen möchte, muss 16 Jahre alt sein. Zwar gebe es Städte, die förderfähige Themenbereiche vorgeben, erklärte Sarah Hofmann, doch Radolfzell wolle das kaum einschränken. Allerdings sollen die Projekte dem Gemeinwohl dienen, zudem dürfen sie keine diskriminierenden, religiösen, kommerziellen oder parteipolitischen Ziele verfolgen. Und sie dürfen Beschlüssen des Gemeinderats nicht entgegenstehen.

Über ein Online-Portal können Anträge ganzjährig eingereicht werden. Geschieht das bis zum 15. Juni, können die Projekte noch im gleichen Jahr berücksichtigt werden, folgen sie später, werden sie auf das Folgejahr verschoben. Im Anschluss will die Stadt bis zum 30. Juni die Anträge prüfen und danach entscheiden, welche Ideen gefördert werden. Hierzu stellt die Stadt zwei Varianten zur Auswahl.

Variante 1: Veranstaltung und Online-Abstimmung

Bei Variante 1 könnte die Abstimmung im Juli im Rahmen eines Abend- oder Wochenmarktes stattfinden, wo die verschiedenen Projekte vorgestellt werden. „Man nutzt es, wenn die Leute eh schon in der Stadt sind“, erklärte Sarah Hofmann. Wer nicht teilnehmen könne oder wolle, könne dann aber auch im Internet abstimmen. „Wer kein Internet hat, kann gerne zu mir ins Büro kommen“, so Hofmanns Versprechen.

Von Vorteil sei bei dieser Variante, welche die Stadtverwaltung präferiert, dass theoretisch alle Einwohner ab elf Jahren die Möglichkeit erhalten, ihre Stimme abzugeben. Allerdings sei der Aufwand innerhalb der Verwaltung recht hoch, da die Veranstaltung organisiert werden müsse.

Variante 2: Bürgerrat wie in Konstanz

Als Alternative und zweite Variante könnte ein Bürgerrat ermittelt werden, der über die Projekte abstimmt. Einen solchen gibt es auch in Konstanz. Das Gremium würde aus zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern bestehen, die in etwa die Zusammensetzung der Radolfzeller Bevölkerung abbilden.

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„Der personelle Aufwand wird auf unserer Seite natürlich sehr niedrig“, erklärte Sarah Hofmann zu dieser Variante. Ein Nachteil sei aber, dass in diesem Fall nicht alle Radolfzellerinnen und Radolfzeller die Möglichkeit hätten, die Entscheidung zu beeinflussen.

Kinder mitbestimmen lassen oder nicht?

Andrea Gnann (CDU) bedankte sich in der Sitzung für die schnelle Ausarbeitung der Möglichkeiten. „Es ist wirklich ein Zeichen von gelebter Demokratie, wenn man die Bürger so einbinden kann“, sagte sie. Allerdings sprach sie sich gegen einen Bürgerrat und für Variante 1 aus. Ziel sei schließlich ein niederschwelliges Angebot. Dem stimmte Kristina Koch (SPD) zu. Es brauche eine direkte Beteiligung der Bevölkerung.

„Es ist wirklich ein Zeichen von gelebter Demokratie, wenn man die Bürger so einbinden kann“, sagt CDU-Stadträtin Andrea Gnann.
„Es ist wirklich ein Zeichen von gelebter Demokratie, wenn man die Bürger so einbinden kann“, sagt CDU-Stadträtin Andrea Gnann. | Bild: Marinovic, Laura

Unterschiedliche Meinungen gab es allerdings beim vorgeschriebenen Alter, ab dem eine Abstimmung über die Projekte möglich sein soll. Elf Jahre seien zu jung, erklärte Andrea Gnann im Namen der CDU, „weil es doch, denke ich, viele Projekte sind, die Kinder schwer überblicken können“. Vorgeschlagen wurde von der CDU schließlich eine Anhebung auf 14 Jahre. Auch Martin Mehne (Freie Wähler) sprach sich für eine Anhebung aus.

Dem widersprach allerdings Kristina Koch. Sie brachte sogar eine Senkung auf zehn Jahre ins Spiel. „Hier sollen alle beteiligt werden“, begründete sie. Gegebenenfalls könne das Alter ja zu einem späteren Zeitpunkt hochgesetzt werden, falls sich zeige, dass es anders nicht funktioniere.

„Hier sollen alle beteiligt werden“, argumentiert SPD-Stadträtin Kristina Koch für ein Abstimmungsrecht für kleinere Kinder.
„Hier sollen alle beteiligt werden“, argumentiert SPD-Stadträtin Kristina Koch für ein Abstimmungsrecht für kleinere Kinder. | Bild: Marinovic, Laura

So geht es weiter

Schlussendlich stimmte das Gremium aber einstimmig für die Variante 1 – und damit auch für eine Mitbestimmung ab elf Jahren. Das letzte Wort hat der Gemeinderat, der sich am Dienstag, 8. April, mit dem Thema beschäftigen wird. Sollte auch er den Plänen der Stadt zustimmen, kann das Bürgerbudget umgesetzt werden. Die ersten Projekte der Bevölkerung sollen dann schon im Herbst starten.