Geld für Blumenbeete im Stadtgebiet, die Sanierung von Vereinsheimen oder Angebote für Kinder und Jugendliche: Darüber dürfen Radolfzells Bürgerinnen und Bürger bald selbst entscheiden – zumindest bis zu einer gewissen Summe. Denn einem entsprechenden Antrag der CDU zur Einführung eines sogenannten Bürgerbudgets hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung zugestimmt. Nun wird die Stadtverwaltung konkrete Möglichkeiten zur Umsetzung ausarbeiten, ehe es im kommenden Jahr konkret wird.

Ziel der CDU-Fraktion war es, „die Bürgerschaft noch mehr einzubinden“. Das Bürgerbudget, das es bereits in 100 Städten bundesweit gibt, sensibilisiere die Stadtgesellschaft und beteilige sie an den Haushaltsmitteln, heißt es im Antragsschreiben von November als Begründung. Als Reaktion darauf arbeitete die Verwaltung erste grundsätzliche Vorschläge aus, wie so ein Budget aussehen könnte, und präsentierte diese im Gemeinderat.

So könnte die Auswahl der Projekte erfolgen

Der Vorschlag der CDU zielt nach dem Vorbild der Stadt Merseburg darauf ab, pro Einwohner 2 Euro in das Budget zu geben. In Radolfzell entspräche das 65.000 Euro jährlich. Alle Bürger wären demnach berechtigt, Vorschläge einzubringen, die davon finanziert werden sollen, und über diese abzustimmen. Die direkte Wahl der Projekte durch die Bürgerschaft soll im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Milchwerk stattfinden, so der Antrag der CDU.

Offen ließ der Antrag allerdings, wer genau Anträge stellen darf, welche Art von Projekten erlaubt sind, wie das Verfahren abläuft, ob die Umsetzung durch Stadt oder Antragsteller erfolgt sowie ob es Maximalbeträge pro Projekt gibt. Auch wie eine Abgrenzung zu bestehenden Förderungen durch die Stadt aussehen soll, ist noch nicht klar.

Die Verwaltung steht dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber und nahm sich Konstanz und Merseburg als Vorbild. Sie erstellte nach Austausch mit beiden Städten eine Vorlage mit möglichen Optionen.

Diskussion um Kosten und Umsetzung

Je nach gewähltem Modell rechnet die Stadt zur Umsetzung mit einem zusätzlichen Personalbedarf einer 30- bis 50-prozentigen Stelle. Dies würde Personalkosten von jährlich 22.000 bis 36.500 Euro entsprechen. Hinzu kämen laut Sitzungsvorlage Sachkosten für die Beauftragung von zum Beispiel Veranstaltungsmoderation, die noch nicht beziffert werden könnten. Diese wären zusätzlich zu den 65.000 Euro für das eigentliche Bürgerbudget.

„Über den Personalbedarf und die Kosten bin ich etwas erschrocken“, sagt Bernhard Diehl (CDU).
„Über den Personalbedarf und die Kosten bin ich etwas erschrocken“, sagt Bernhard Diehl (CDU). | Bild: Andreas Kochloeffel

Doch genau diese Personalkosten sorgten neben der genauen Ausgestaltung des Budgets für einige Diskussionen unter den Gemeinderäten. So fand CDU-Stadtrat Bernhard Diehl, die Vorlage der Stadt brauche noch einen „Feinschliff.“ Wichtig sei, niedrigschwellig alle Bürger einzubinden, ohne dafür zu viel Bürokratie notwendig zu machen.

„Über den Personalbedarf und die Kosten bin ich etwas erschrocken“, sagte er und schlug vor, das Projekt an die nach der Einstellung der Förderung ‚Demokratie leben!‘ ohnehin noch bestehende Stelle anzudocken. Auch Gabriel Deufel und Dietmar Baumgartner von den Freien Wählern sprachen sich dagegen aus, extra eine neue Stelle einzurichten.

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20 Prozent des Budgets für Umweltschutz reserviert?

Selma Anton (FGL) erklärte, ihre Fraktion präferiere anders als die CDU eher das Konstanzer statt dem Merseburger Modell. Dabei würde ein repräsentativer, jährlicher neu besetzter Bürgerrat anstatt der gesamten Bevölkerung über die Projekte entscheiden. Zudem sei sie dafür, dass der Gemeinderat die Budgets beschließt, um die Umsetzung sich aber der Antragsteller selbst kümmert, wodurch weniger Verwaltungsaufwand entstehe. Außerdem schlug Anton vor, 20 Prozent des Budgets sollten für Umweltprojekte reserviert sein.

„Wenn wir 20 Prozent für Umwelt festschreiben, kann man auch noch 20 Prozent für Soziales oder etwas anderes fordern. Am Ende können ...
„Wenn wir 20 Prozent für Umwelt festschreiben, kann man auch noch 20 Prozent für Soziales oder etwas anderes fordern. Am Ende können Bürger dann gar nicht mehr frei entscheiden. Damit wäre die Idee des Projekts schon gestorben“, sagt Norbert Lumbe (SPD). | Bild: Andreas Kochlöffel

Diesem Vorschlag wiederum widersprachen Norbert Lumbe (SPD) und Bernhard Diehl (CDU). Sie fürchteten, zu viele Vorgaben würde die Umsetzung komplizierter machen. „Wenn wir 20 Prozent für Umwelt festschreiben, kann man auch noch 20 Prozent für Soziales oder etwas anderes fordern. Am Ende können Bürger dann gar nicht mehr frei entscheiden. Damit wäre die Idee des Projekts schon gestorben“, so Lumbe.

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Wie geht es nun weiter?

Julia Theile, persönliche Referentin des Oberbürgermeisters, wies darauf hin, dass es in der Sitzung ohnehin erst einmal nur um einen Grundsatzbeschluss gehe, ein solches Budget einzuführen. Die genaue Ausgestaltung sei noch offen. Simon Gröger selbst schlug schließlich vor, in der Beschlussvorlage zu ergänzen, dass die Stelle „Demokratie leben!“ die Aufgabe übernehmen und die Verwaltung verschiedene Umsetzungsvarianten prüfen und dem Gemeinderat vorstellen wird.

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Am Ende stimmten die Räte mit großer Mehrheit für die Einrichtung eines Bürgerbudgets, das pro Jahr mit etwa 65.000 Euro ausgestattet ist, inklusive Grögers Ergänzungen. Die Einrichtung einer zusätzlichen 30- bis 50-Prozentstelle lehnten die Räte hingegen ab. Mit einem Vorschlag zur Umsetzung wird die Stadt nun in der Haushaltssitzung am 28. Januar wieder in den Gemeinderat gehen.