Vorwürfe, Wut und Entsetzen: Einmal mehr sorgt die geplante Bebauung der Mirabellenwiese neben dem ehemaligen Krankenhausgebäude bei einigen Bürgern für Ärger. Besonders bei wenigen direkten Anwohnern auf der Mettnau. Eine Infoveranstaltung der Stadt für Bürgerinnen und Bürger sollte nun Abhilfe verschaffen. Doch wie gut das gelungen ist, bleibt auch danach fraglich.

Denn während die Stadt lediglich erneute Änderungen an dem Bebauungsplan, die der Planungsausschuss am 6. Dezember beschlossen hatte, erläutern wollte, wetterten die meisten Bürger einmal mehr gegen das Bauvorhaben an sich: Sie stören sich an dessen Größe, an Nachverdichtung generell – und fürchten, die Mirabellenwiese könnte zum Präzedenzfall auf der Halbinsel werden. „Nachverdichtung ist ja in Ordnung, aber doch nicht auf der Mettnau. Eine Schande“, machte eine Bürgerin so entsetzt ihr Anliegen deutlich.

Erster Ärger schon vor Veranstaltungsbeginn

Zwar waren gerade einmal zehn Radolfzeller zu der Veranstaltung um 14 Uhr ins Pflegeheim gekommen. Doch genau dies sorgte schon vor Diskussionsbeginn für ersten Ärger. So kritisierte eine Bürgerin, der Termin sei zu kurzfristig bekannt gegeben worden und die Stadt habe bewusst eine Uhrzeit gewählt, zu der viele Arbeitende nicht könnten – und setzte damit den Ton für den Nachmittag.

Architekt Daniel Binder erläutert erneute Änderungen am Bebauungsplan Mirabellenwiese, die eine dritte Offenlage notwendig machen, bei ...
Architekt Daniel Binder erläutert erneute Änderungen am Bebauungsplan Mirabellenwiese, die eine dritte Offenlage notwendig machen, bei einer Infoveranstaltung im Pflegeheim. | Bild: Mario Wössner

Angelique Augenstein, Leiterin des Baudezernats, konnte die Kritik nicht nachvollziehen. Die Veranstaltung sei an sich schon ein Entgegenkommen seitens der Stadt. Man sei vor der anstehenden Offenlage des Bebauungsplans von Mitte Dezember bis Ende Januar nicht dazu verpflichtet gewesen. Die Stadt wolle jedoch noch einmal die Änderungen erläutern.

Planer erläutern Bebauungsplan und dessen Vorzüge

Im Anschluss erklärten Augenstein, der zuständige Architekt Daniel Binder sowie die städtischen Mitarbeiter Nathalie Uhl und Michael Duffner noch einmal die Notwendigkeit des Bauprojekts und die Vorzüge des gewählten Entwurfs. Aufgrund der Wohnungsnot müsse die Stadt durch Nachverdichtung weiteren Wohnraum schaffen.

Architekt Daniel Binder sowie Angelique Augenstein, Nathalie Uhl und Michael Duffner von der Stadtverwaltung stellten sich den Fragen ...
Architekt Daniel Binder sowie Angelique Augenstein, Nathalie Uhl und Michael Duffner von der Stadtverwaltung stellten sich den Fragen und Vorwürfen der Bürger. | Bild: Mario Wössner

Der siegreiche Entwurf mit einem vier- und zwei fünfstöckigen Wohnkörpern schaffe 35 Wohneinheiten, passe in die Umgebung und lasse dabei möglichst viele Grün- und Freiflächen auf dem Gelände. Selbst nach mehreren Änderungen an dem ersten Entwurf weise die jetzige Plan nur geringfügige Abweichungen zu diesem auf.

Lediglich die Balkone seien 62 Zentimeter größer als ursprünglich und die Gebäude seien um wenige Dutzend Zentimeter nach Nordosten verschoben worden. „Das ist aber keine essenzielle Änderung des Plans, sondern eine optische Korrektur und Optimierung“, fasste Architekt Binder zusammen. Der Charakter der Gebäude sei noch immer so, wie im ersten Entwurf – und rechtskonform.

Änderungen zwischen erstem Entwurf und finalem Plan:

Bild 3: Nachverdichtung ja, aber bitte nicht auf der Mettnau! Es gibt wieder Ärger um die Mirabellenwiese
Bild: Steller, Kerstan

Besänftigen konnte dies die Gegner des Projekts, oder eher einer Nachverdichtung an sich, jedoch nicht. Im Gegenteil: Eine Bürgerin, laut eigener Aussage Umweltschützerin und auch erfolgreiche Gegnerin einer Bebauung des Streuhau, war der Meinung, das Schaffen von Wohnraum sei nur „Schönrederei“. Bei den neuen Wohnungen auf der Mirabellenwiese werde es sich um „Luxuswohnungen“ handeln, die womöglich nur als Ferien- oder Zweitwohnungen für Auswärtige dienen sollen.

Von dem Gegenargument, dass die Vermietung von Ferienwohnungen in den neuen Gebäuden ausgeschlossen ist, ließ sie sich nicht beeindrucken. Auch die Nutzung als Zweitwohnung ist laut Stadt grundsätzlich ausgeschlossen. Dies sei erst nach einer bestimmten Quote zulässig, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt die Vermarktung entgegen der Erwartung derart ins Stocken geraten sollte, dass die Finanzierung des Gesamtprojekts zu scheitern droht.

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Angst vor Nachahmern und „Hochhäusern auf der Mettnau“

Zwei weitere Bürgerinnen sorgten sich vor allem um die geplante Gebäudehöhe und dass durch diese ein Präzedenzfall auf der Mettnau geschaffen werden würde. Sie zeigten Verständnis für die Notwendigkeit, nachzuverdichten – aber nicht auf der Mettnau und in dieser Form.

Sie beklagten „Hochhaus-Charakter“, obwohl die Gebäude für diese Kategorie laut Architekt Daniel Binder acht Meter zu niedrig sind. Dieser sprach hingegen von einem „feinsinnigen Entwurf“, der an die umgebenden Gebäude angepasst sei. „Aber natürlich sind Mehrfamilienhäuser größer als die Einfamilienhäuser“, räumte er ein.

„Das ist ein feinsinniger Entwurf, die Gebäude passen gut zur Umgebung. Aber natürlich sind Mehrfamilienhäuser größer als die ...
„Das ist ein feinsinniger Entwurf, die Gebäude passen gut zur Umgebung. Aber natürlich sind Mehrfamilienhäuser größer als die Einfamilienhäuser“, sagt Architekt Daniel Binder zur Kritik an den Gebäudegröße im Entwurf. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Eine Frau fürchtete, dass der große Bau Nachahmer finden könnte, die nun ebenfalls ein drittes oder viertes Stockwerk auf ihr Gebäude setzen könnten. Der Bebauungsplan der Mettau lässt eigentlich nur zwei zu.

Michael Duffner stimmte zu, dass höhere Gebäude künftig theoretisch möglich seien, stellte aber auch klar: „Bei einer Änderung des Bebauungsplans der Mettnau oder in einem Einzelfall müssen immer Gemeinderat und Stadtverwaltung zustimmen. Von einem Präzedenzfall kann daher keine Rede sein.“

Architekt räumt Fehler im ersten Entwurf ein

Thomas Gruschkus, der schon zuvor mögliche Verstöße gegen die Landesbauordnung moniert hatte, kritisierte schließlich zwei konkrete Änderungen im Bebauungsplan: die angebliche Änderung der Geschosszahl und dass die Balkone nach der Verschiebung der Gebäude nun auf ein Nachbargrundstück überragen.

Michael Duffner und Architekt Binder stimmten Gruschkus zu, dass man im Erstentwurf einen Fehler bei der Geschosszahl gemacht habe. So war dort festgeschrieben, dass die Gebäude nur drei beziehungsweise vier Vollgeschosse haben dürfen und das zusätzliche oberste jeweils zurückgesetzt sein müsse. Diese Festschreibung fehlt im finalen Plan nun.

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Denn, so erläuterte Duffner: Sobald ein Geschoss 75 Prozent der Grundfläche bedeckt, sei es ein Vollgeschoss. Man sei im Entwurf davon ausgegangen, die oberste Etage liegt bei den Gebäuden darunter. Tatsächlich liege sie aber wenige Quadratmeter darüber. Deshalb habe man den Passus streichen müssen. „Am Wesen des Entwurfs ändert sich dadurch aber nichts. Der Grundriss ist der gleiche und bleibt verbindlich“, so Duffner. Die Alternative wäre gewesen, sich „sklavisch an die Regel zu halten“ und den Entwurf beerdigen zu müssen.

Zur Lösung hinsichtlich der überragenden Balkone wollten sich die Verantwortlichen hingegen nicht äußern, da dies nicht Teil des Bebauungsplans und der Infoveranstaltung sei. Man habe mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, also GLKN beziehungsweise Spitalfond, aber eine „eigentumsrechtlich saubere Lösung“ gefunden, so Binder.

Anwohner ist aufgebracht

Besonders viel Kritik äußerte abschließend Anwohner Anton Werner, der bereits vor einigen Wochen in der Bürgerfragestunde im Gemeinderat seinem Ärger über vermeintliche Fehler und Rechtsverstöße im Bebauungsplan Luft gemacht hatte. Er griff Architekt Binder in einem minutenlangen Monolog persönlich an. Dieser würde mit falschen Maßen, Zahlen und Abstandsflächen arbeiten und absichtlich täuschen.

Aufgebracht fragte Werner, warum man nicht einfach nach dem ersten Entwurf baue, ständig neue Offenlagen durchführe, von der Landesbauordnung abweiche und dies vertusche – bis Angelique Augenstein ihn schließlich bremsen konnte.

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Sie entgegnete, Abweichungen von der Landesbauordnung seien bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen erlaubt. Dass Stellungnahmen in ersten Offenlagen zu Änderungen und damit weiteren Offenlagen führen, sei üblich. Ein anfängliches Wettbewerbsergebnis sei kein endgültiges Ergebnis, die Änderungen bei der Mirabellenwiese seien aber minimal und transparent gemacht worden.

Und überhaupt: Man sei nicht hier, um die gesamte Planungsgeschichte, jede einzelne Zahl oder das Vorhaben an sich erneut zu diskutieren, sondern um die letzten Änderungen zu erläutern, so Augenstein. Mit dem Ergebnis der Veranstaltung zufrieden wirkten die zehn Zuhörer am Ende aber nicht.