Braucht es für die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Fitnessstudio wirklich einen 24-Stunden-Sicherheitsdienst? Um die hohen Kosten von 468.000 Euro pro Jahr zu rechtfertigen, forderte der Gemeinderat Anfang 2024 einen Bericht, wie oft die Mitarbeiter eigentlich eingreifen müssen. Dieser ist in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates eingebracht worden. Die Diskussion aus dem Winter 2024 wurde jedoch nicht fortgesetzt: Ohne Einwände und ohne Rückfragen bewilligte der Gemeinderat einen 24/7-Dienst für ein weiteres Jahr für die Anschlussunterbringung Neu-Bohlingen.

Viele Konfliktsituationen

Der Tätigkeitsbericht legt dar, dass der Sicherheitsdienst in den vergangenen sechs Monaten in 54 Fällen wegen stark aggressiven Verhaltens der Bewohner eingreifen musste. Ausgelöst wurde dieses Verhalten durch Trunkenheit, Drogen oder psychische Auffälligkeiten, hieß es in dem Bericht weiter. In 38 Fällen sei es zu einer Schlägerei gekommen und 17 Mal habe die Polizei zu Hilfe geholt werden müssen. Ebenfalls 17 Mal musste der Rettungsdienst alarmiert werden.

Viele Konfliktsituationen seien durch das deeskalierende und frühzeitige Einschreiten des Sicherheitsdienstes bereits im Vorfeld beendet worden und seien nicht eingerechnet. Die Zahlen legen dar, dass es in der Unterkunft mehrmals wöchentlich zu Situationen kommt, die einen Sicherheitsdienst notwendig machen.

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Dass es in der Unterkunft so oft Unruhen gibt, liegt laut Stadtverwaltung an der baulichen Situation. Die Bewohner hätten keine richtigen Räume, sondern Kabinen, die nach oben hin offen sind. Auch seien die Duschräume wegen ihrer vorherigen Nutzung als Umkleidekabinen des Fitnessstudios nicht abschließbar.

Ohne Sicherheitsdienst, bei dem auch immer eine Frau eingeteilt ist, könnte die Unterkunft nur noch für Männer genutzt werden. Auch die Brandmeldeanlage werde vom Dienst betreut, falls es einen Fehlalarm gibt. Damit könne ein unnötiges Ausrücken der Feuerwehr verhindert werden.

Hausregeln sollen eingehalten werden

Ebenso sorge der täglich und rund um die Uhr präsente Sicherheitsdienst dafür, dass die Regeln und die Hausordnung der Unterkunft eingehalten werden. Dies könne für die Bewohner unterstützend sein, sich besser integrieren zu können und den Übergang in privaten Wohnraum erleichtern, benennt die Stadtverwaltung einen weiteren Vorteil. Auch könnten die eingesetzten Männer und Frauen schneller erkennen, wer noch weitere Unterstützung von Behörden und Beratungsstellen benötige, da sie diese Beobachtungen weitergeben.

Die Anschlussunterbringung ist für 66 Personen ausgewiesen. In Radolfzell gibt es noch weitere Unterbringungen im ehemaligen Hotel Krone mit 33 Plätzen, im ehemaligen Veterinäramt mit 30 Plätzen, in der neuen Unterbringung in der Güttinger Straße mit 60 Plätzen und weitere 415 Plätze sind über privaten Wohnraum mit Hilfe des Raumteiler-Programms generiert worden.

Trotz der Bemühungen der Stadt, fehle es noch immer an Unterbringungskapazitäten. Radolfzell habe in diesem Jahr 146 Geflüchtete aufgenommen, die Unterkünfte seien zu 89 Prozent ausgelastet. Auf die Unterkunft in Neu-Bohlingen könne aus diesem Grund trotz der schwierigen Wohnsituation dort nicht verzichtet werden.