Seit die Corona-Pandemie meine üblichen Freizeitaktivitäten zum Erliegen gebracht hat, habe ich viel Zeit. Viel Zeit, um sämtliche Ecken meines Heimatsorts bei ausgiebigen Spaziergängen zu Fuß zu erkunden. Mehrfach sogar, schließlich ist ein Jahr Corona lang. Viel Zeit, um sämtliche Filme und Serien, die Netflix, Amazon Prime und Co. anbieten, rauf und runter zu sehen. Und viel Zeit, um nachzudenken – auch über Dinge, über die ich mir bisher noch nie Gedanken gemacht habe.

Eines dieser Dinge ist eine Floskel, die auch auf dem Plakat der Stadt Radolfzell zum Corona-Testbüro zu finden ist. Dort wird etwa neben dem Rathaus auf die Schnelltests unter Anleitung hingewiesen – „mit freundlicher Unterstützung der Narrizella Ratoldi“. Das ist erfreulich und in normalen Zeiten hätte ich diesen Satz vermutlich gelesen, um ihn in der nächsten Sekunden wieder zu vergessen. In Corona-Zeiten allerdings kann ich nicht anders, als über den Sinn der Worte nachzudenken, die so nebensächlich am unteren Rand des Plakats zu finden sind.

Das Plakat der Stadt regt zum Nachdenken an.
Das Plakat der Stadt regt zum Nachdenken an. | Bild: Marinovic, Laura

Fragen über Fragen

Wer hat sich diese Floskel eigentlich ausgedacht? Ist es denn wirklich nötig, extra zu betonen, dass die Unterstützung freundlich ist? Kann ich auch unfreundlich jemanden unterstützen? Biete ich dann meine Hilfe an, während ich gleichzeitig meinem Gegenüber Beleidigungen entgegenwerfe? Werden Vereine von der Stadtverwaltung sonst immer gezwungen, ihre Unterstützung anzubieten und sind daher eher unwillig und schlecht gelaunt? Oder zeugt die freundliche Unterstützung von einer guten Absicht und davon, dass der Helfende keine versteckte Motivation hat, die alles andere als nett ist?

Und was ist mit den „freundlichen Grüßen“ oder den „lieben Grüßen“, die wir ja schon alle unter Briefe und E-Mails gesetzt haben? Gibt es denn auch unfreundliche Grüße? Impliziert ein bloßes „Grüße“ genau das? Wäre das der imaginäre und verschriftliche Mittelfinger, der dem Empfänger zwischen den Zeilen deutlich macht, dass unsere Absichten eben explizit nicht freundlich sind? Fragen über Fragen.

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Eine Erkenntnis habe ich jedoch jetzt bereits: Es wird höchste Zeit, dass die Pandemie ein Ende nimmt und wieder ein normaler Alltag mit normalen Freizeitaktivitäten möglich ist. Damit freundliche Unterstützungen eben einfach nur genau das bleiben können – ganz ohne dass aus Langeweile mehr darüber nachgedacht wird.

Mit freundlichen Grüßen an die Narrizella – Unterstützung in Corona-Zeiten ist schließlich wirklich freundlich.

Zur Kolumne: Das Corona-Tagebuch der Redaktion Radolfzell begreift sich als hoffentlich vorübergehende Erscheinung