Die Arbeitsgruppe der Paten im Freundeskreis Asyl Radolfzell sehen einen dringenden Bedarf bei bezahlbaren Wohnungen in Radolfzell. Um das Thema weiter voranzutreiben, haben sie die fünf Gemeinderatsfraktionen kontaktiert, und ihnen einen Fragekatalog zugeschickt und um Stellungnahmen zu Themen wie einer möglichen kreisweiten sozialen Wohnungsbaugesellschaft, der Idee einer Erstellung einer Satzung, die es erlaubt, längeren Leerstand und neue Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen zu untersagen und Missbrauch zu ahnden, oder der Erbpacht gebeten.
Freie Grüne Liste (FGL)
Laut dem Fraktionsvorsitzenden Siegfried Lehmann ist gerade in Ferienregionen ein Zwecksentfremdungsverbot von Wohnraum dringend erforderlich. Die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen sowie längerer Leerstand in Quartieren, „die sich im Umbruch befinden oder in denen Wohnungen aus spekulativen Gründen über längere Zeiträume leer stehen“ belaste den Wohnungsmarkt in Radolfzell. Jedoch könne ein Zwecksentfremdungsverbot alleine nicht die Probleme lösen sondern im besten Fall lediglich den Erhalt bestehender Wohnungen sichern sowie eine zukünftige Zwecksentfremdung verhindern.
Man setze große Hoffnung in die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft auf Kreisebene. Zudem wolle sich die FGL im Gemeinderat dafür einsetzen, dass die Besetzung der Stelle des geplanten Leerstandsmanagers, die in diesem Jahr nicht zustande kam, nicht erneut verschoben wird.
Und auch der Nutzung des Erbbaurechts komme eine große Bedeutung zu. Allerdings sei das Erbbaurecht derzeit für den Bau von Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Reihenhäusern „kein sinnvolles Instrument mehr, da aufgrund der andauernden Niedrigzinsen der Kauf attraktiver ist, zumal wenn der Erbbauzins ähnlich hoch oder höher als die Finanzierungskosten sind.“
Das Erbbaurecht könne aber im Bereich des sozialen Mietwohnungsbaus eingesetzt werden, hier sei von Fall zu Fall zu prüfen, „ob der Erbbauzins(temporär) erlassen, beziehungsweise verringert und wie eine geeignete Kombination mit der sozialen Wohnraumförderung gestaltet werden kann“. Allerdings sei das Erbbaurecht nur bedingt geeignet, die aktuellen Probleme am Wohnungsmarkt zu lösen.
SPD
Die SPD stimmt der Erstellung einer Satzung, die es erlaubt, längeren Leerstand und neue Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen zu untersagen und Missbrauch zu ahnden, grundsätzlich zu, wie der Fraktionsvorsitzende Norbert Lumbe schreibt. Das Thema sei im Gemeinderat diskutiert, aber im Gegensatz zu Überlingen oder Konstanz für eher unbedeutend befunden worden. Das Thema bleibe aber auf der Agenda. Ebenso bestehe Hoffnung, dass die Stelle des Leerstandsmanagers besetzt werden könne.
Lumbe geht zudem davon aus, dass die SPD-Fraktion grundsätzlich einer „Erbpachtregelung“ zustimmen werde, sie werde aber mit einer sozialen Komponente verbunden sein müssen. Dass es in Radolfzell keine städtische Wohnbaugesellschaft gibt, sei sicher ein Grund dafür, weshalb das Thema mietgünstiges Wohnen in Radolfzell bis heute nicht zufriedenstellend gelöst worden sei.
Freie Wähler
Eigene öffentliche Wohnungen sind laut Fraktionssprecher Dietmar Baumgartner „immer von Vorteil, um einen gewissen Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu haben“. Allerdings sei ein solches wohnungswirtschaftliches Instrument nur über viele Jahrzehnte aufzubauen und keine Lösung für die aktuelle Lage.
Auch das Erbbaurecht helfe in der derzeitigen Kostensituation nicht wesentlich dabei, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Grund: Teure Wohnungen entstünden überwiegend aus teuren Baupreisen. Zudem würden die derzeitigen Baugebiete auf der Radolfzeller Gemarkung überwiegend in getrennten Sonderhaushalten laufen, die nur dann genehmigt werden, wenn sie am Ende der Entwicklung des Baugebiets „eine schwarze Null schreiben“. Dazu müssten die Grundstücke auch entsprechend veräußert werden.
Mit den Vorgaben der vom Gemeinderat beschlossenen „baulandpolitischen Grundsätze“ für Investoren, ein Drittel Sozialwohnungen zu bauen, sei man auf dem richtigen Weg. Die Stadt solle aber immer wieder auf das Programm „Raumteiler“ hinweisen.
FDP
Die Radolfzeller FDP-Fraktion lehnt das Zwecksentfremdungsverbot laut Jürgen Keck ab, da dieses Investoren abschrecke. Stattdessen schreibt er: „Wir brauchen die echte Schaffung von neuem Wohnraum und nicht weitere Auflagen, Sonderregelungen und Bürokratisierungen des Wohnsektors.“
Auch zum möglichen Aufbau einer kreisweiten sozialen Wohnungsbaugenossenschaft äußert er sich kritisch: Zu viele staatliche Aktivitäten im Wohnungssektor sehe die Fraktion skeptisch, wichtig sei, dass Investitionen in den Wohnungsmarkt fließen und neuer Wohnraum geschaffen werde – indem Bauen billiger gemacht und Anreize für neue Investoren gesetzt werden.
Auch die Erbpacht spielt in Kecks Augen keine große Rolle: Wichtig sei, dass der Verkäufer oder Pächter sich zur Schaffung von neuem Wohnraum verpflichte – wie er an das dafür vorgesehene Grundstück komme, sei eher sekundär. „Die Stadt muss es auf jeden Fall an den potentiellen Bauträger günstig zur Verfügung stellen.“
Die Stelle eines Leerstandsmanagers sowie das Programm „Raumteiler“ aber unterstütze die FDP-Fraktion. Beides sei sehr sinnvoll, so Keck.
CDU
Wie der Fraktionsvorsitzende Bernhard Diehl mitteilt, stehe die CDU sowohl der Erstellung einer Satzung, die es erlaubt, längeren Leerstand und neue Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen zu untersagen und Missbrauch zu ahnden, als auch der Idee einer kreisweiten sozialen Wohnungsbaugenossenschaft positiv gegenüber. Allerdings stimme bezüglich der Ferienwohnungen im Gegensatz zu Konstanz oder der Höri in Radolfzell noch das Verhältnis. Die Entwicklung müsse man aber im Auge behalten.
Bezüglich der Stelle des Leerstandsmanagers erwarte man, dass „endlich eine erkennbare Strategie in der Verwaltung zusammen mit dem Gemeinderat entwickelt und schnell umgesetzt wird.“ Beim Programm „Raumteiler“ sei mehr direkte Ansprache und Werbung nötig. Man solle auf das Wissen erfahrener Kommunen zurückgreifen.
Den Verkauf von städtischem Grundbesitz sehe man skeptisch – außer, daraus entstehe ein Baugebiet für die Bürger und die Stadt habe die Vermarktung in der Hand. Erbpacht sei eine Alternative, allerdings müsse es „auch noch andere planerische Stellschrauben als Kommune geben.“ Persönlich sei für ihn der Eigentumswohnungsbau „kein gangbarer Weg mehr, denn in den letzten Jahren hat dieser Markt das soziale Zusammenleben unser Stadt völlig aus dem Blick verloren“, so Diehl. Wohnraum müsse bezahlbar sein und nicht nur auf Rendite ausgerichtet werden.