Für den zweiten Tag der Naturschutztage im Radolfzeller Milchwerk war eigentlich ein besonderer Besuch als Höhepunkt angekündigt: Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) hatte für Samstag, 4. Januar, zugesagt. Doch dann mussten die Organisatoren um Nabu und BUND improvisieren, denn Walker sagte krankheitsbedingt kurzfristig ab. „Nachhaltigkeit muss auch bei sich selbst beginnen“, kommentierte ihr Ersatz Andre Baumann (Grüne). Der ist Staatssekretär im Umweltministerium und übernahm den geplanten Vortrag zu Naturschutzstrategien des Landes.
Trotz der kurzfristigen Änderung verfolgte ein voll besetzter Saal Baumanns 45-minütigen Vortrag aufmerksam und quittierte ihn teils mit großem Applaus, teils mit skeptischer Stille.
Umweltschutz geht alle an
Zu Beginn überbrachte Baumann einen Gruß der Umweltministerin, anschließend erinnerte er an die Naturschutztage 2011 und die seither erzielten Fortschritte. Damals sei es darum gegangen, den Naturschutz in den Fokus zu rücken und eine langfristige Strategie zu entwickeln, die heute größtenteils weiterhin gelte. Zur Frage, ob eine neue Strategie notwendig sei, sagte Baumann klar: „Wir machen das nicht, denn wir setzen um.“

Baumann verwies auf die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur als wichtigen Antrieb. Ohne deren Umsetzung drohten Strafzahlungen, daher betonte er: „Das wird etwas kosten, aber Geld nach Brüssel zu geben ohne Gegenleistung ist noch schlimmer.“
Die Chance sieht er darin, dass die Verordnung eine Aufgabe an alle Ministerien stellt. Dabei sprach er über “die große Weiterentwicklung, dass für den Naturschutz nicht nur das kleine Umweltministerium zuständig ist, sondern alle. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe und auch eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe“.
Wie steht Baden-Württemberg da?
Baumann hob die im Vergleich zu anderen Bundesländern starke Bilanz Baden-Württembergs hervor. Baden-Württemberg habe 2024 den größten Zuwachs bei Naturschutzmitteln und Personal verzeichnet. Die Mittel hätten sich im Vergleich zur „vorgrünen Zeit“ vervierfacht, wofür es großen Applaus vom Publikum gab. Zudem bleibe das Budget für Naturschutz im Doppelhaushalt 2025/2026 stabil.

Landschaftserhaltungsverbände wurden landesweit etabliert und der Nationalpark Schwarzwald, der seit elf Jahren besteht, sei ein Erfolgsprojekt, welches weiterhin ausgebaut wird, so Baumann. Er erwähnte zudem die geplante Erweiterung des Biosphärengebiets Schwäbische Alb um 45 Prozent sowie neue Projekte zum Schutz der Moore.
Zielkonflikte bei Landwirtschaft und Energiewende
Kritischer wurde das Publikum im Milchwerk bei den Themen Energiewende und Landwirtschaft. Baumann räumte Zielkonflikte zwischen Klimaschutz und Naturschutz ein, betonte jedoch: „Ohne einen funktionierenden Klimaschutz werden wir die biologische Vielfalt nicht erhalten.“ Beim Ausbau erneuerbarer Energien gelte: „Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.“
Auch in der Landwirtschaft sieht Baumann den Schlüssel im Dialog und einem notwendigen Miteinander. Er verwies auf das Biodiversitätsstärkungsgesetz von 2020 sowie den Strategiedialog Landwirtschaft BaWü, der 2024 entwickelt wurde. Wichtig sei es, Landwirten geeignete Rahmenbedingungen zu bieten, da nicht alles durch Naturschutzmittel subventioniert werden könne. Eine nachhaltige Agrarpolitik könne nur auf europäischer Ebene umgesetzt werden, stellte Baumann klar, da die finanziellen Mittel des Bundeslandes dafür nicht ausreichen würden.
Baumann versprach, bürokratische Prozesse würden zukünftig vereinfacht und transparenter. Auch die umstrittene Ökokonto-Verordnung kam zur Sprache. Diese stehe regelmäßig in der Kritik, da es zu Missbräuchen des Punktesystems gekommen sei. Baumann versprach, dass bestehende Probleme derzeit angegangen würden.
Alles umsonst: Drohen künftig wieder Rückschritte?
Zum Abschluss übergab BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch einen „Blumenstrauß der Wünsche“ mit Zetteln, auf denen Anliegen wie ein generelles Tempolimit notiert waren.
Ein Raunen ging durch den Saal, als Baumann abschließend warnte: „Das, was wir in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren geschafft haben, ist nicht selbstverständlich. Das kann auch wieder geändert werden.“ Er appellierte an die Zivilgesellschaft, aktiv zu bleiben, sodass Naturschutz immer Thema bleibt – egal wer das Land regiert.
Kurze Fragerunde zeigt einige Probleme
Die nachfolgende Fragerunde fiel zeitbedingt kurz aus, obwohl im Publikum deutlicher Redebedarf bestand. Eingeleitet wurde sie von der BUND-Landesvorsitzenden Sylvia Pilarsky-Grosch, die sich bei Maßnahmen zur Erhaltung der Streuobstwiesen uneinig mit Baumann zeigte.
Ein regionaler BUND-Vorsitzender wies auf weitere Probleme bei der Ökopunkte-Regelung hin: Da Gemeinden ihre Konten selbst führten und überwachten, fehle es an einer unabhängigen Kontrolle. Die engagierten Wortmeldungen aus dem Publikum machten deutlich, dass der Appell zu mehr Einsatz im Naturschutz in diesem Kreis kaum nötig war – hier war das Engagement längst spürbar und lebendig.