Genug Geld ist da, es wird nur falsch ausgegeben. Mit dieser positiven Nachricht eröffneten die Veranstalter von BUND und Nabu die 48. Naturschutztage im Radolfzeller Milchwerk, die diesmal im Zeichen der anstehenden Bundestagswahl stehen. Diese wollen die Organisatoren nutzen, um auf zwei zentrale Forderungen aufmerksam zu machen: Die Schuldenbremse muss weg – und umweltschädliche Subventionen für Diesel, Pendler-Pauschale und Billigflüge gleich mit.
Denn dann sei genug Geld da, um die gesellschaftliche Transformation sozial verträglich zu schaffen. Sie appellierten daher an die Parteien und besonders an die künftige Bundesregierung.
Schuldenbremse und Subventionen streichen
Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, einer Dachorganisation der Umweltschützer, wies darauf hin, dass man zwar den Eindruck bekommen könne, „Krise ist das neue Normal“. Schließlich fürchte die Industrie das Ende des Wirtschaftsstandorts Deutschland und Bauernverbände hätten angesichts gestrichener Dieselsubventionen gleich die Versorgungssicherheit des Landes in Gefahr gesehen.

Doch genau diesen Ängsten müsse man etwas entgegensetzen. Hier seien auch die Natur- und Umweltschützer selbst gefragt, die dies vielleicht nicht ausreichend getan haben, räumte Niebert selbstkritisch ein. Ansonsten stärke dies nur Demokratiefeinde.
Es sei wichtig, künftig vor allem die Chancen in den Mittelpunkt, die eine nachhaltige Wirtschaft, ein gesellschaftlicher Wandel und eine saubere Umwelt den Menschen bieten könnten. Was es dafür braucht? Man müsse raus aus der Individualisierungsfalle. Nicht der einzelne Hausbesitzer, der über eine Wärmepumpe nachdenkt, müsse die Verantwortung tragen, sondern die Gesellschaft. „Es braucht nachhaltige Infrastrukturen“, so Niebert, der später auch noch einen Vortrag zu nötigen Reformen hielt.
65 Milliarden Euro für Diesel, Billigflüge und Co.
Gefordert seien die politischen Parteien. Und genau in deren Richtung stoßen auch die diesjährigen Naturschutztage. Es sei klar, dass der Umbau der Gesellschaft Geld kostet. Dafür brauche es eine Reform der Schuldenbremse. Geld sei allerdings schon jetzt da. Rund 65 Milliarden Euro gibt Deutschland derzeit laut Umweltbundesamt für umweltschädliche Subventionen aus. Darunter 8,5 Milliarden für Vergünstigungen beim Diesel, 2,2 Milliarden für die Pendler-Pauschale, 1,8 Milliarden für das Dienstwagenprivileg sowie insgesamt 12,4 Milliarden für Steuerbefreiungen für Kerosin und Billigflüge. Die Ampelregierung hat daran kaum etwas geändert.
Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des BUND, forderte daher von der künftigen Regierung: „Halten Sie nicht an alten Zöpfen und überkommenen Subventionen fest.“ Rund 24 Milliarden Euro könne man kurzfristig streichen, den Rest Schritt für Schritt abbauen. Das freie Geld könne man danach sinnvoll in Umwelt- und Klimaschutz investieren. „Der Schritt wäre also doppelt wirksam“, so Pilarsky-Grosch. Sie wies darauf hin, dass Umweltschutz auch sozial verträglich sein müsste. Dafür brauche es solche Reformen, einfach nur CO2-Preise steigen zu lassen, sei hingegen der falsche Weg.
Kritik an Wahlprogrammen der Parteien
Johannes Enssle, Landesvorsitzender des Nabu, machte deutlich, dass Subventionen nicht schlagartig und nur für eine bestimmte Gruppe wegfallen dürfen, wie noch beim Agrardiesel. „Da war der Aufschrei verständlich“, so Enssle. Wichtig seien durchdachte und faire Reformen.
In den bisherigen Parteiprogrammen für den Wahlkampf fände sich dazu aber abgesehen von jenen von Grünen und Linken allerdings wenig. „Wir müssen uns aber ambitionierte Ziele setzen. Das muss bei der kommenden Regierung ganz oben auf der Agenda stehen, egal welche Parteien beteiligt sind“, stellte er klar.
Wie viel ein Umsteuern bringen könnte, zeigten die drei an einem konkreten Beispiel. So könnte man alleine mit der Summe von 11 Milliarden Euro, die bislang für Pendler-Pauschale und Dieselvergünstigung gebraucht wird, die Ticket-Einnahmen aller Verkehrsverbünde (6,5 Milliarden) decken, würde damit ÖPNV-Nutzer unterstützen und hätte noch immer Geld für den Ausbau von Bahnsteigen übrig.

Entsprechend positiv war auch die Nachricht der Vortragenden am ersten Tag. Wo im Vorjahr noch ein Apokalypse-Forscher sprach und man sogar fragte, ob wir überhaupt noch zu retten sind, sprach Grafiker und Mitautor des Buches „Zukunftsbilder 2045“ Sebastian Vollmar von der Reinventing Society in diesem Jahr von positiven Zukunftsbildern. Er erklärte, dass sich ein positiver Blick in die Zukunft trotz aller Krisen lohne und wie wichtig dafür Geschichten und Narrative sind.
Im Anschluss erläuterte Kai Niebert Lösungsvorschläge zu einer Reform der Naturschutzverwaltung in Deutschland dar und Gerd Hager sprach über die Bedeutung von Landes- und Regionalplanung.
So geht es am Wochenende weiter
Insgesamt finden bis Montag rund 40 Vorträgen, Workshops und Exkursionen statt. Am Samstag lautet das Tagesthema „Kulturlandschaft und Naturschutz“. Alois Kapfer vom Verein naturnahe Weidelandschaften zeigt den Beitrag von großen Weidetieren zur Artenvielfalt. Über den „Biber als Baumeister“ spricht Gerhard Schwab, langjähriger Bibermanager des Bund Naturschutz Bayern. Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker setzt den Schlusspunkt des Vormittags mit einem Überblick über die Naturschutzstrategie des Landes.
Am Sonntag hält Jochen Eckart von der Hochschule Karlsruhe einen Vortrag zur Zukunft der Mobilität und Markus Müller, Präsident der Architektenkammer, zeigt, wie der Klimaschutz als Innovationsimpuls zur Baukultur beiträgt. Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung beleuchtet die Rolle von Wasserstoff im Klimaschutz.
Am Abschlusstag geht es um besondere Großprojekte im Naturschutz, zum Beispiel die so genannten „Wildkatzenwälder von morgen“ des BUND, wilde Wasserweiden in Auengebieten, ein Projekt der Deutschen Umwelthilfe, sowie 111 Jahre natürliche Entwicklung im Schweizerischen Nationalpark.