Die gute Laune kann Stephanie Salomon, Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Radolfzell, am Wahlabend kaum einer vermiesen. Als Wahlhelferin in Liggeringen war ihr Wahlbezirk als einer der Ersten fertig ausgezählt. Die Wahlbeteiligung im Radolfzeller Ortsteil war erfreulich hoch, mehr als 85 Prozent, erzählt sie nicht ohne Stolz am Telefon. Und dann hat ihre CDU auch die Bundestagswahl gewonnen. „Das freut mich enorm“, sagt sie mit Blick auf das Ergebnis.
In Radolfzell holte die CDU 31,5 Prozent der Zweitstimmen (2021 waren es 22,9 Prozent). Ihr Bundestagskandidat Andreas Jung vereinte 40,1 Prozent der Radolfzeller Stimmen auf sich. In 2021 waren es 35 Prozent. Den Winterwahlkampf zwischen knappem Zeitplan und Fasnacht sieht sie nicht als Nachteil: „Die Wähler haben alle Informationen bekommen, die sie benötigen. Ich würde es wieder machen“, sagt sie. Dennoch sei der Wahlkampf nervenaufreibend gewesen, ein „großes Auf und Ab“. Doch für Salomon steht am Wahlabend nach getaner Arbeit die Freude im Vordergrund, nach dem Gespräch mit dem SÜDKURIER wollte sie sich zur Wahlparty von Andreas Jung aufmachen.
„Erdrückende Ergebnisse“
Einzig der Blick auf die Ergebnisse der Alternative für Deutschland in Radolfzell lässt den Freudentaumel der CDU-Vorsitzenden kurz innehalten. Von den ehemals 7,4 Prozent der Zweitstimmen und 7,3 Prozent der Erststimmen aus dem Jahr 2021 hat sich die AfD nun mehr als verdoppelt: 15,3 Prozent der Erststimmen für Kandidat Bernhard Eisenhut und 16,3 Prozent der Zweitstimmen. „Diese Ergebnisse sind erdrückend“, so Stephanie Salomon.
Stabilität wünscht sich nun Anne Meßmer, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Radolfzell. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir mal wieder eine Große Koalition aus CDU und SPD herbeiwünschen würde, aber es wäre das Beste für Deutschland“, sagt sie. Eine verlässliche Regierung mit möglichst wenig Parteien, das sei es, was das Land jetzt bräuchte.
SPD hofft auf Einzug von Seitzl
Persönlich schmerzt sie das Wahlergebnis der SPD in Radolfzell für die SPD-Bundestagskandidatin Lina Seitzl. Diese holte 16,4 Prozent der Erststimmen in Radolfzell (20,8 Prozent im Jahr 2021). Die Sozialdemokraten bekamen aus Radolfzell 14,4 Prozent der Zweitstimmen (21,9 Prozent in 2021) „Sie hat sich ein enormes Standing erarbeitet und viele wichtige Projekte angestoßen“, bewertet Meßmer die Arbeit der SPD-Abgeordneten in den vergangenen Jahren.
Das Ergebnis für die SPD sei „bitter“, auch wenn die Vorhersagen dies schon angekündigt hatten. Dennoch hatte man bis zuletzt Hoffnung, dass es doch besser werde, so die SPD-Vorsitzende. Das Ergebnis der AfD nimmt Anne Meßmer mit einer gewissen Frustration auf. „Viele sprechen von einer Protestwahl, aber dafür geht es um zu viel“, sagt sie. Bisher sei Radolfzell „die Insel der Seeligen“ gewesen, hier gibt es die rechtsextreme Partei weder im Gemeinderat noch gibt es einen Ortsverband. Dass die Partei ohne politische Arbeit in der Stadt so ein Ergebnis einfahren könne, mache Meßmer betroffen.
Getrübte Stimmung bei den Grünen
Gedrückte Stimmung auch bei Bündnis 90/Die Grünen in Radolfzell. Daniela Löchle, Mitglied des Vorstands-Teams des Ortsverbandes, meldet sich von der Wahlparty der Grünen-Kandidatin Rosa Buss aus der Konstanzer Kantine. „Für das, was die Grünen in den vergangenen Wochen alles einstecken mussten, ist das Ergebnis gar nicht so schlecht“, so Löchle. Die Grünen holten in Radolfzell 17,3 Prozent der Zweitstimmen, Rosa Buss konnte 14,1 Prozent der Erststimmen auf sich vereinen. Im Vergleich: 2021 waren es noch 17,3 Prozent der Erststimmen und 20,9 Prozent der Zweitstimmen.
Den Wahlkampf bewertet Löchle als sehr engagiert. „Wir haben im Wahlkreis an 2200 Türen geklingelt, haben so viele gute Gespräche geführt, die Stimmung war gut“, fasst sie zusammen. Dass die AfD ohne all diese Mühen solch ein Ergebnis erzielen konnte, das „schockiere“ Daniela Löchle.
Bittere Pille für die FDP
Zum Feiern ist sicher auch nicht der FDP zumute. Ihre Ergebnisse sind in Radolfzell im Vergleich zu 2021 abgestürzt. Die Bundestagskandidatin Ann-Veruschka Jurisch erzielte nur noch 4,5 Prozent der Stimmen (2021 waren es 11,4 Prozent). Die FDP holte 5,8 Prozent der Zweitstimmen, 2021 waren es noch 15,7 Prozent. Jürgen Keck, Vorsitzender der FDP Radolfzell, stand für eine Stellungnahme am Wahlabend für die Redaktion nicht zur Verfügung.
Verdoppelt hat sich aber nicht nur das Ergebnis der AfD, sondern auch Die Linke kann in Radolfzell zufrieden sein. Der Bundestagskandidat Lars Hofmann holte 5,4 Prozent der Erststimmen, im Jahr 2021 waren es noch 3,2 Prozent. Bei den Zweitstimmen kommt Die Linke auf 6,6 Prozent, beinahe doppelt so viel wie 2021 mit 3,5 Prozent. Ohne einen Direktkandidaten erzielte das Bündnis Sahra Wagenknecht bei der Wahl in Radolfzell 4,1 Prozent der Stimmen. Kleiner geworden ist auch die Gruppe der Sonstigen. Im Jahr 2021 wählten noch 7,6 Prozent aller Wähler eine der Kleinparteien, jetzt waren es nur 4,3 Prozent.