Mit was für Kita-Gebühren müssen Eltern in Radolfzell in den nächsten Jahren rechnen? Die Forderung der Freien Grünen Liste ist eindeutig: Sie will eine vom Einkommen abhängige Gebührenordnung unter Einbindung der Eltern erarbeiten lassen, während die Stadt eine pauschale jährliche Erhöhung um zehn bis 13 Prozent in den kommenden drei Jahren vorschlägt. Nun reagieren Stadtverwaltung und der Gesamtelternbeirat (GEB) auf den Vorschlag. Ausgerechnet der GEB scheint vom Vorschlag der FGL nicht so überzeugt zu sein.

„Generell begrüßen wir den Fraktionsantrag der FGL, dass ein Umdenken in Bezug auf die Benutzungsgebühren der Kindertageseinrichtungen stattfinden muss“, heißt es in einer Stellungnahme an die Stadtverwaltung und die Gemeinderäte. Auch sehe man an dem Antrag positiv, dass die Belastung der Familien sichtbar gemacht werde und man begrüße, dass die Kita ab dem dritten Kind kostenlos sein solle. Aber, schreibt der GEB: „Die Einführung eines einkommensabhängigen Modells sehen wir kritisch.“

GEB ist gegen einkommensabhängige Kita-Gebühren

Als Begründung liefert der Beirat drei Argumente. Erstens dürften „Arbeit und Fleiß nicht betraft werden“ und eine Ermäßigung für einkommensschwache Familien gebe es bereits. Denn Familien, die mehr verdienen, würden bereits durch höhere Steuern mehr für Kitas bezahlen. Und Inhaber der Zeller Karte erhielten schon zehn Prozent Ermäßigung und das Jugendamt übernehme teils Kosten. So seien soziale Härtefälle schon abgesichert.

„Am Ende ist ein einkommensabhängiges Modell auch kein wirklich faires System, würde aber viel Aufwand benötigen“, sagt Isabelle ...
„Am Ende ist ein einkommensabhängiges Modell auch kein wirklich faires System, würde aber viel Aufwand benötigen“, sagt Isabelle Steidle, GEB-Vorsitzende. | Bild: Nina Rath

Zweitens sei ein einkommensabhängiges Modell sehr verwaltungs- und zeitintensiv und neige dazu, dass Familien bei der Angabe des Einkommens nicht wahrheitsgemäß antworten. Denn zum Beispiel in Konstanz, das ein solches Modell zum 1. Januar 2024 eingeführt hat, geben die Eltern selbst freiwillig ihr Einkommen an.

„Das ist doch haarsträubend. Am Ende ist ein einkommensabhängiges Modell also auch kein wirklich faires System, würde aber sehr viel Aufwand und Kosten verursachen“, so GEB-Vorstand Isabelle Steidle auf SÜDKURIER-Nachfrage. Eine faire Umsetzung könne nur über einheitliche Gebühren erreicht werden.

Kostenlose Kitas sind das Ziel

Drittens verweist der GEB auf die städtischen Mehreinnahmen von gerade einmal 100.000 Euro durch die Erhöhung der Gebühren. Es sei nur schwer vermittelbar, warum diese nicht aus Steuermitteln der Stadt getragen werden können, wenn gleichzeitig Ausgaben von mehreren Millionen Euro für andere Projekte vorhanden sind.

Die Elternbeiräte wünschen sich daher gar keine Gebühren für Eltern, wie es bereits in der Mehrheit der deutschen Bundesländer der Fall ist – zumindest für Kinder ab dem dritten Lebensjahr. Sie fordern, die Kita-Gebühren vorerst nicht mehr zu erhöhen, bis eine Neuorientierung bei dem Thema auf Landesebene umgesetzt werden kann. Stattdessen solle die Stadt ein Konzept erarbeiten, um den Kostenanteil der Eltern auf Null zu senken und diese so zu entlasten.

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Möglich ist laut Isabelle Steidle auch ein Kompromiss, zum Beispiel dass der GEB kurzfristig moderate Erhöhungen unterstützt, wenn dafür mittelfristig auf Landesebene die Kita-Gebühren für Eltern ganz gestrichen werden, so Steidle. Als Ausgleich könnte man zum Beispiel so lange die Ermäßigung für Inhaber der Zeller Karte von zehn auf 20 Prozent steigern, wie es die FGL ursprünglich noch im März gefordert hatte.

Wie reagiert die Stadtverwaltung?

Unabhängig von den Wünschen von FGL und GEB hält die Stadtverwaltung, wie Bürgermeisterin Monika Laule auf Nachfrage erklärt, an ihrem bisherigen Beschlussvorschlag für die Sitzung am 24. September fest. Dieser sieht eine pauschale Erhöhung der Kitagebühren für Kinder über drei Jahren um zwölf Prozent im ersten Jahr und um 10,5 Prozent im zweiten Jahr vor. Für Kinder unter drei Jahren ist die Erhöhung jeweils noch um einen Prozentpunkt höher.

Denn die Verwaltung müsse die Gebührenerhöhung in die Gremien einbringen, da es einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats aus dem Jahr 2020 gebe, bei den Kita-Gebühren einen Kostendeckungsgrad von 13 Prozent zu erzielen. Dieser gibt an, welchen Anteil an den Betriebskosten die Elternbeiträge decken, und liegt aktuell bei nur neun Prozent.

Das spricht gegen ein einkommensabhängiges Modell

Doch warum schlägt die Stadt dafür nicht selbst ein einkommensabhängiges Modell vor? Grundsätzlich wäre dies möglich, bestätigt Laule. Dennoch lehnt die Stadtverwaltung das ab. Denn Erfahrungen aus Städten mit einkommensabhängigem Modell würden einen Einnahmenverlust nach der Umstellung sowie einen hohen Verwaltungsaufwand zeigen.

„Eine absolute Gerechtigkeit ist mit keinem System erreichbar“, sagt Bürgermeisterin Monika Laule.
„Eine absolute Gerechtigkeit ist mit keinem System erreichbar“, sagt Bürgermeisterin Monika Laule. | Bild: Marinovic, Laura

Einkommensverhältnisse der Familien seien im Vorfeld nicht bekannt. Die Daten seien weder beim Finanzamt noch beim Statistischen Landesamt abrufbar. Die Umstellung berge daher ein „erhebliches finanzielles Risiko“, da die Einkommensverhältnisse nur bedingt eingeschätzt werden könnten. Auch sei nicht klar, ob die Mehr-Belastung für gutverdienende Eltern ausreicht, um die Entlastung finanziell schlechter gestellter Familien auszugleichen. Es sei fraglich, wer die Kosten trägt, wenn die vorab angenommenen Einnahmen nicht zutreffen.

Was ist gerecht?

Ebenso sei unklar, wer die Einkommensnachweise der Eltern überprüft und die dafür notwendigen Personalkosten trägt. In den Kindergärten selbst würde dies auf Kosten der Betreuungskapazitäten gehen. Die freien Träger würden dies nicht übernehmen wollen. Im Zweifel müsste daher die Stadt selbst Personal bereitstellen, was Geld kosten würde, so Laule. Bei einem Austausch der Daten zwischen Stadt und Träger sei zudem der Datenschutz ein Problem.

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Und, fügt die Bürgermeisterin hinzu: „Die große Frage ist, ob einkommensabhängige Kita-Gebühren wirklich zu einer gerechteren Belastung der Familien führen.“ Das jetzige Modell mit Ermäßigungen durch die Zeller Karte sei angemessen. „Eine absolute Gerechtigkeit ist mit keinem System erreichbar“, stellt Laule klar.

Wie es nun weitergeht, soll der neue Gemeinderat am 24. September entscheiden. Ob dann der Antrag der FGL zur Abstimmung stehen wird, ist allerdings noch nicht sicher: Wie FGL-Fraktionsvorsitzender Siegfried Lehmann erklärt, wolle die Stadtverwaltung den Antrag erst im Oktober auf die Tagesordnung nehmen. Woran das liegt und ob das tatsächlich so geschieht, wird der SÜDKURIER berichten.