Sie gelten als Ratten der Lüfte, stehen im Verdacht, Krankheiten zu verbreiten, und gelten als schmutzige Störenfriede: Tauben. Sindy Bublitz, ehrenamtliche Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte bei der Stadt Radolfzell, sieht das anders. Tauben würden selten Krankheiten auf Menschen übertragen, erklärt sie – und dennoch sieht sie in den Tieren zum Teil ein Problem. Denn große Populationen seien nicht nur eine Belastung für Anwohner, sondern auch für sich selbst.

Konkret geht es um Tiere im Neubaugebiet in der Radolfzeller Nordstadt. Wie Sindy Bublitz berichtet, habe die Population dort in der jüngsten Vergangenheit deutlich zugenommen, mittlerweile würden dort rund 50 Tiere leben. Zuvor seien es etwa 20 gewesen. Auch von anderen Menschen sei sie deshalb schon angesprochen worden.

„Sie haben sich unter den Photovoltaik-Anlagen eingenistet“, schildert Bublitz zu den Tauben. „Das ist leider ein allgemeiner Trend bei den Stadttauben.“ Denn unter den Anlagen sei es nicht nur wettergeschützt, sondern auch sicher vor Raubtieren. An anderen Stellen in Radolfzell habe sie aber keine steigenden Taubenzahlen registriert, lediglich in der Nordstadt. In einer Sitzung des für Planung, Umwelt und Technik hatte sie kürzlich von ihren Beobachtungen berichtet.

Auch den Tieren schadet die zunehmende Population

Das Problem laut Bublitz: Viele Tiere bedeuten Lärmbelästigung und Kot. Und auch die Tauben selbst würden unter ihrer großen Zahl leiden: „Eigentlich ist damit ja nur ein riesiges Tierleiden verbunden.“ Denn je mehr Tauben es gebe, desto weniger Futter bleibe für alle übrig, das schwäche die Vögel und mache sie anfälliger für Krankheiten. Dennoch seien die Tauben standorttreu, sie verlassen ihren gewohnten Lebensraum also normalerweise nicht und kehren immer wieder zu ihren Brutplätzen zurück.

Und weniger Futter bedeute nicht, dass sich die Tauben weniger fortpflanzen, so Bublitz: „Selbst untergewichtige Tiere brüten“, sagt sie. Denn den Vorfahren der Stadttauben, den Haustauben, sei ein Brutzwang angezüchtet worden, auch bei schwieriger Lage gebe es Nachwuchs. „Aber die Jungtiere verhungern oft.“

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Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bestätigt auf seiner Internetseite, eine hohe Zahl von Tauben schade den Tieren selbst, da Stress, Krankheiten und Parasiten häufiger auftreten würden und die Jungensterblichkeit im ersten Lebensjahr auf bis zu 90 Prozent ansteige. Allerdings betont auch der Naturschutzbund, dass die Gesundheitsgefahren für Menschen nicht größer seien als bei anderen Vogelarten.

Auch Bürger können handeln

Die Radolfzeller Stadtverwaltung selbst berichtet auf Nachfrage, ein Taubenproblem in der Nordstadt sei ihr nicht bekannt. Auch der Taubenschlag für wilde Tauben in Markelfingen sei kaum bewohnt. Sindy Bublitz wünscht sich allerdings genau Maßnahmen wie diese für die Örtlichkeiten in der Nordstadt, an denen sie viele Tauben beobachtet hat. Möglichkeiten gebe es einige – so könnten so etwa auch die Eier der Tauben ausgetauscht und durch Gipsattrappen ersetzt werden, zum Beispiel in betreuten Taubenschlägen, in denen die Tiere überwacht und ihre Fortpflanzung kontrolliert werden. Und in Stockach versucht man, Tauben mithilfe von Falken zu vertreiben.

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Allerdings können laut Bublitz auch die Bürger selbst etwas tun. So könne das eigene Haus auf Nester kontrolliert werden, am besten gelinge das im Herbst oder Winter. Auch könne der Nesterbau und damit die Brut verhindert werden, indem etwa Nischen oder Dachbodenzugänge abgedichtet werden. „Einflugmöglichkeiten sollten verschlossen werden“, so Sindy Bublitz.

„Bitte nicht füttern“, rät Sindy Bublitz Anwohnern.
„Bitte nicht füttern“, rät Sindy Bublitz Anwohnern. | Bild: Marinovic, Laura

PV-Anlagen abdichten

Wer beobachte, wie ein Ei gerade gelegt werde, der könne es direkt durch eine Gipsattrappe ersetzen – allerdings sollte das Ei dafür nicht zu alt und der Brutvorgang damit nicht zu weit fortgeschritten sein. Die Tierschutzorganisation Peta spricht von maximal vier Tage alten Eiern. Und noch etwas betont Sindy Bublitz: „Bitte nicht füttern.“ Wer dies tue, der werde die Tiere nicht mehr los, außerdem verdrängen die Tauben sonst andere Vögel am Futterhäuschen. „Da darf man gar nicht anfangen.“

Mit Vorrichtungen wie diesen Metalldornen können Hausbesitzer ihre Solaranlage auf dem Dach gegen Tauben sichern.
Mit Vorrichtungen wie diesen Metalldornen können Hausbesitzer ihre Solaranlage auf dem Dach gegen Tauben sichern. | Bild: Jarausch, Gerald

Eigentümern von Photovoltaik-Anlagen rät sie dazu, einen Taubenschutz auf dem Dach anzubringen – gemeint sind Drahtspieße, die wie ein kleiner Zaun an den Rändern der Anlagen angebracht werden und so verhindern, dass die Tiere darunter schlüpfen können. Zum Teil gebe es diese im Neubaugebiet in der Nordstadt bereits. Wichtig ist Sindy Bublitz jedenfalls, dass grundsätzlich gehandelt wird, bevor sich die Tauben noch weiter vermehren. Zu warten, das sei nicht der richtige Weg.