Die Schließung des Radolfzeller Krankenhauses vor fast einem halben Jahr hat die ganze Stadt erschüttert und den Förderverein der Einrichtung in eine Existenzkrise gestürzt. Jüngst trafen sich Mitglieder und Vorstand des Krankenhaus-Fördervereins im Bürgersaal des Rathauses, um über die Zukunft des Vereins zu diskutieren.

Aktuell hat der Verein laut Vorsitzendem Johannes Kögel 320 Mitglieder, ein paar Kündigungen lägen dem Vorstand bereits vor. In der Vereinskasse befinden sich 13.050 Euro. „Seitdem wir erfahren haben, dass das Krankenhaus schließen muss, haben wir keine Mitgliederbeiträge mehr erhoben“, erklärt Kögel weiter. Er stellte die offene Frage, ob es den Verein noch braucht angesichts der Tatsache, dass die Stadt auch in Zukunft kein eigenes Krankenhaus mehr haben wird.

Ein Konzert zur Vereinsauflösung

Der Vereinsvorsitzende schlug vor, den Verein aufzulösen und zum Ende des Vereins ein Benefizkonzert zu veranstalten. Mit dem Vereinsvermögen könne man Mitgliedern einen vergünstigten Eintritt ermöglichen. Ein Konzert des Orchesters des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz sei bereits am 11. Mai 2024 im Milchwerk geplant. Dieser Termin sei laut Vorstandsmitglied Jürgen Mäder noch vor den jüngsten Ereignissen vereinbart worden. Er warb bei den Mitglieder darum, das Konzert tatkräftig zu unterstützen, egal wie die Diskussion um die Zukunft des Vereins ausgehen werde.

Sie wollten sich für den Neubau des Krankenhauses in Radolfzell einsetzen, nun stehen OB und Krankenhaus-Fördervereinvorstand vor ...
Sie wollten sich für den Neubau des Krankenhauses in Radolfzell einsetzen, nun stehen OB und Krankenhaus-Fördervereinvorstand vor schweren Entscheidungen: (von links) Gabriel Berner, Sebastian Jung, OB Simon Gröger, Johannes Kögel und Jürgen Mäder. | Bild: Marinovic, Laura

Vereinsmitglied Gunter Langbein, ehemaliger Chefarzt am Radolfzeller Krankenhaus, schlug vor, den Verein erst einmal noch nicht aufzulösen, sondern die kommenden Entwicklungen noch abzuwarten. Sollte die Stadt Radolfzell eine Art kommunales Ärztehaus oder Medizinisches Versorgungszentrum im ehemaligen Krankenhaus einrichten können, könnte der Verein seine Fördertätigkeiten darauf übertragen.

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Er brachte auch eine Namens- und Satzungsänderung ins Gespräch, um den Förderzweck vom Krankenhaus allgemein zur medizinischen Versorgung der Stadt ausdehnen zu können. Der Radolfzeller Apotheker Michael Dohm, ebenfalls Mitglied des Krankenhaus-Fördervereins, schlug vor, den Verein in seinen Förderaktivitäten dem neuen Pflegeheim auf der Mettnau zu widmen.

Viele Details müssen noch geklärt werden

All diese Vorschläge brächten eine Satzungsänderung mit sich und mehrere Vereinsmitglieder äußerten den Wunsch, sich in dieser Sache juristisch beraten zu lassen. Vorstandsmitglied Sebastian Jung, Chefarzt beim Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, schlug angesichts der vielen Optionen und Details zur Klärung vor, die finale Entscheidung auf eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu vertagen. Der Vorstand bot sich an, die Ämter noch bis zur endgültigen Entscheidung fortzuführen. Kögel und Mäder kündigten schon einmal an, für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Michael Dohm, Apotheker aus Radolfzell und Mitglied des Krankenhaus-Fördervereins, hat vorgeschlagen als neues Förderobjekt das ...
Michael Dohm, Apotheker aus Radolfzell und Mitglied des Krankenhaus-Fördervereins, hat vorgeschlagen als neues Förderobjekt das Pflegeheim auf der Mettnau zu wählen. | Bild: Jarausch, Gerald

Radolfzell ist nicht unterversorgt

Jürgen Mäder nutzte die Versammlung, um über die Einrichtung eines MVZ zu informieren. „Da herrscht jede Menge Unwissenheit bei der Forderung“, so der Mediziner. Er erklärte, dass die hausärztliche Versorgung im Bereich Radolfzell und Höri laut der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg bei 94,7 Prozent liege.

Eine Unterversorgung läge erst vor, wenn der Versorgungsgrad unterhalb von 70 Prozent liege. Gerechnet werde mit einem Arztsitz pro 1637 Einwohner, die Versorgungseinheit Radolfzell und Höri habe circa 42.680 Einwohner. Aktuell gäbe es laut Mäder 19 Vertragsärzte und etwa 5,7 Stellen für angestellte Ärzte. Kapazitäten für neue Arztsitze gebe es also rein rechnerisch nicht. „Ein MVZ unterliegt diesen Prämissen, Ärzte können nicht einfach so angestellt werden“, so Mäder.

Gunter Langbein hat am ehemaligen Radolfzeller Krankenhaus als Chefarzt gearbeitet und er ist Mitglied im Förderverein. Er hat eine ...
Gunter Langbein hat am ehemaligen Radolfzeller Krankenhaus als Chefarzt gearbeitet und er ist Mitglied im Förderverein. Er hat eine Umbenennung des Vereins vorgeschlagen. | Bild: Cornelia Bambini-Adam

Laut Mäder brauche es also Ärzte, die bereit wären, entweder ihren Arztsitz zur Verfügung zu stellen oder ihre Praxis in ein MVZ umzusiedeln. Dies sei nur erfolgreich, wenn die neuen Räume und die Infrastruktur attraktiv seien. Und doch löse ein MVZ nicht das Problem, dass es keine Notfallversorgung in den Abendstunden und am Wochenende gebe.

Dabei äußerte er auch seine Frustration mit der Entscheidung der Grundstückskommission des GLKN, welche das Singener Grundstück als neuen Standort für den Klinik-Neubau bevorzugt. „Konstanz will die neue Klinik möglichst weit weg haben, um den eigenen Standort zu sichern“, so Mäders Schlussfolgerung.

Gröger hofft auf weise Entscheidungen des GLKN

Oberbürgermeister Simon Gröger blickte während seines Redebeitrages weit in die Zukunft zurück und erinnere an das Strukturgutachten der Beraterfirma Lohfert & Lohfert. In diesem Gutachten wurde klar ein zentraler Standort mittig im Landkreis empfohlen. Nun lägen die beiden Standorte weiter auseinander als zuvor. So bleibe die Doppelstruktur für den GLKN weiterhin eine große Herausforderung.

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Auch habe der Neubau der Zentralklinik große Auswirkungen auf die Finanzen des Landkreises und Radolfzell werde als drittgrößte Stadt des Landkreises über die Kreisumlage daran beteiligt sein. Es sei also für den GLKN notwendig, die hohen Defizite in schwarze Zahlen umzuwandeln, so Gröger. Obwohl in die Entscheidung der Grundstückskommission ihn „zutiefst verwundere“, hoffe er auf „weise Entscheidungen“ und die wirtschaftliche Gestaltung der Finanzen.

Die Radolfzeller Verwaltung und der Gemeinderat müssten sich angesichts der Entscheidung für den Singener Standort nun neu strukturieren, aktuell könne er noch keine Perspektiven nennen.