Würde man die Beziehung zwischen Gemeinderat und Radolfzeller Krankenhausgebäude, oder besser gesagt dessen Eigentümer, dem Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, beschreiben müssen. Man würde die aus den sozialen Medien bekannte Zustandsklassifizierung „Es ist kompliziert“ wählen. Denn auch ein Jahr nach der Hiobsbotschaft, dass das Radolfzeller Krankenhaus bereits Mitte 2023 schließen muss, scheint man in der angestrebten Gütertrennung zwischen GLKN und Spitalfonds nicht wirklich weitergekommen zu sein.
Die CDU-Fraktion des Radolfzeller Gemeinderates hat in der jüngsten Sitzung noch einmal über ihren umfangreichen Fragenkatalog sprechen wollen, den sie Ende April 2023 an die Verwaltung überreicht hatte. „Es hat sich viel ereignet seitdem“, beginnt Christof Stadler einleitend zum Fraktionsantrag. „Aber irgendwie ist ganz wenig passiert“, so sein nüchternes Fazit.
Kein Masterplan und kein Plan allgemein, nur Fragen
Weder gebe es einen Masterplan, was denn nun mit dem Gebäude passieren solle, noch sei nicht einmal im Ansatz geklärt worden, welche Kompensation dem Spitalfonds seitens des GLKN zustehe für die jahrzehntelang versäumten Investitionen in das Gebäude auf der Mettnau.

Auch seien diverse Prüfaufträge für die Weiternutzung des Gebäudes nicht abgearbeitet worden – sei es als Gesundheitszentrum, Erweiterung für die Luisenklinik, Kurzzeitpflege, privater Wohnungsbau oder der Ansiedelung einer Pflegefachschule. Einzig der Sachstand über die Zufriedenheit des Personals wurde durch den Besuch des Betriebsrates in einer Gemeinderatssitzung laut Stadler gegeben.
Stadt durfte erst im Dezember ins Gebäude
Emanuel Flierl vom Fachbereich Wirtschaftsförderung und Liegenschaften versuchte, den vorgeworfenen Rückstand der Stadt beim Abarbeiten der Aufträge zu erklären. „Das ist ein sehr umfangreiches Thema. Viele Punkte greifen ineinander“, sagte er. Die Stadt habe auch erst im Dezember Zugang zum Gebäude erhalten und eine Begehung mit einem Architekten unternommen.
Dieser habe sich die Bausubstanz angeschaut und anhand dieses Gutachtens könne die Stadt Folgenutzungen überhaupt erst in Erwägung ziehen. Die Frage nach der Höhe der Investitionen, um das Gebäude wieder für irgendeine Nutzung fit zu machen, stehe auch noch im Raum. Denn Geld dafür hat der Spitalfonds nicht. Weder jetzt noch in den nächsten Jahren.

Beim Thema Kompensation wählte Flierl diplomatische Worte, denn schließlich sei es nicht unumstritten, wer hier wem noch Geld schulde. Aus verhandlungstaktischen Gründe rate er von der öffentlichen Diskussion dieses Themas ab. Die Luisenklinik favorisiere aktuell einen Neubau auf dem Gelände des Krankenhauses.
Eine Erweiterung der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Bestand sei laut Flierl auch von Seiten der Stadt wünschenswert. Es sei aber fraglich, ob es auch realistisch und wirtschaftlich ist. Die Luisenklinik habe sieben genehmigte Plätze, die sie jederzeit realisieren könne. Gedanklich sei sie auf einen Neubau eingestellt.
MVZ jetzt gleich oder erst in ein paar Jahren?
Kompliziert im Rat wurde es dann auch, als es um die Einrichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) ging. Noch immer scheint es mehr eine Glaubens- als eine Wissensfrage zu sein, ob ein MVZ hier gewollt, gebraucht oder überhaupt genehmigungsfähig ist.

Ein im Vorfeld geführtes Gespräch mit Ärzten aus Radolfzell und der Höri, die laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVE) eine Versorgungsgemeinschaft darstellen, hat bei den Stadträten zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen geführt. Für Norbert Lumbe, Fraktionssprecher der SPD, war die Absage der Hausärzte nach dem Bedarf eines MVZs klar, laut und deutlich. Weder Ärzte aus Radolfzell noch auf der Höri haben aktuell Interesse, in das alte Krankenhaus zu ziehen.

Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der FGL, brachte die nackten Zahlen ins Spiel. Radolfzell sei mit Hausärzten bestens versorgt. Zu einer 100 Prozent Versorgungsquote würden gerade einmal 1,75 Stellen fehlen. Mehr Zulassungen würde die KVE der Versorgungsgemeinschaft nicht geben.
In Zukunft könnten Ärzte fehlen
Dietmar Baumgartner, Fraktionssprecher der Freien Wähler, drängte dennoch darauf, bei der KVE vorzusprechen und die Bereitschaft zu kommunizieren, eine ärztliche Notfallpraxis in Radolfzell einrichten zu wollen. Auch wenn es aktuell keinen Spielraum mit freien Arztsitzen gebe, so werde sich das in Zukunft ändern. „Viele Ärzte sind schon älter und werden irgendwann aufhören“, so Baumgartner.

Jürgen Keck, Fraktionssprecher der FDP, wunderte sich grundsätzlich über den Antrag der CDU und die Beschwerde, es ginge alles viel zu lange. Schließlich sei der erste Antrag der Freien Wähler, damals noch mit Unterstützung der FDP, das Krankenhaus zurückzufordern und die Weichen für ein MVZ zu stellen, abgeschmettert worden mit der Begründung, man müsse erst sorgfältig die Besitzverhältnisse prüfen. Und nun beschwere sich die CDU über die Geschwindigkeit. „Das ist schon erstaunlich“, so Keck.