In Radolfzell sind derzeit 159 geflüchtete Menschen in den vorhandenen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Die jüngste Unterkunft ist die Mettnauhalle, in der insgesamt 98 Erwachsene, darunter 57 Frauen und 62 Kinder, ein Dach über dem Kopf erhalten haben. Damit hat man aktuell gerade noch eine Kapazität für 21 weitere Zugänge. Und schon jetzt ist abzusehen, dass das bei Weitem nicht ausreichen wird, um dem Ansturm geflüchteter Menschen aus der Ukraine eine Unterkunft anbieten zu können.
Radolfzell ist damit nicht die einzige Stadt im Landkreis. Denn der Bedarf ist allerorten deutlich höher, als es die Unterkünfte zulassen.
Auslastung fast bei 100 Prozent
Allein im August kamen bis zum vergangenen Freitag (26. August) 367 Flüchtlinge in die Region, davon 339 aus der Ukraine. Bisher sind offiziell 1596 Flüchtlinge, davon 906 aus der Ukraine, in den 18 verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Damit sind die Kapazitäten des Landkreises bereits fast ausgeschöpft. Die Auslastung der Einrichtungen liegt rechnerisch bei 97 Prozent.
Kein Wunder, dass das zuständige Amt für Migration und Integration beim Landratsamt Konstanz händeringend nach weiteren Unterkünften sucht. „Wir brauchen unbedingt einen größeren Wurf“, sagte die Leiterin des Amtes, Monika Brumm, kürzlich bei einem Pressetermin in der Mettnauhalle. Sie wünscht sich im Idealfall ein großes Objekt, in dem mehrere hundert Menschen untergebracht werden können.

Es braucht ab Oktober neue Notunterkünfte
Ab Oktober stehen im gesamten Landkreis weitere Notunterkünfte, die jetzt vorbereitet werden, zur Verfügung. Darunter befinden sich der Neubau in der Kasernenstraße mit Platz für 98 Personen und das ehemalige Industrieareal der Firma Dekorsy an der Herrenlandstraße mit Platz für 100 Personen. Letzteres wurde zwar in Teilen nach der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 wieder zurück gebaut, kann nun aber reaktiviert werden.
Um der Anzahl von rund 100 Flüchtlingen pro Woche Herr werden zu können, benötigt man jedoch bereits vor Oktober weitere Notunterkünfte. Eine davon wird die Sporthalle des Radolfzeller Berufsschulzentrums (BSZ) sein, die bereits ab sofort nicht mehr für sportliche Aktivitäten zur Verfügung steht.

Sporthallennutzung ist der letzte Ausweg
Die Nutzung von Sporthallen liegt ganz und gar nicht im Interesse des Amtes für Migration und Integration. Monika Brumm wirbt jedoch für das Verständnis der Schulen und Vereine: „Das ist nicht das, was wir wollen. Aber wir sehen einfach keine andere Möglichkeit“, begründete sie das Vorgehen bei dem Vor-Ort-Termin. Mit den rund 50 betroffenen Vereinen wird es in dieser Woche ein Austauschgespräch geben, kündigte Jens Bittermann, Büroleiter des Landrates, an.
Privatsphäre? Kaum vorstellbar
Aber wie leben die Geflüchteten? Wie ein Rundgang durch die Mettnauhalle zeigte, ist die Unterbringung der geflüchteten Menschen in den Gemeinschafts– und Notunterkünften alles andere als heimelig. Die Mehrfachkabinen mit bis zu acht Stockbetten sind lediglich durch mit Folien bespannten Bauzäunen voneinander getrennt. Eine Privatsphäre ist so kaum vorstellbar.
Dennoch ist die große Mehrzahl der Geflüchteten dankbar für die Aufnahme in der kriegsfernen Unterkunft. „Wir sind in erster Linie dankbar, dankbar für jede Hilfe, die wir hier bekommen“, sagte Katja Ogly, die mit ihrem fünfjährigen Sohn Avram aus Odessa an den Bodensee kam.

Es fehlt an betreuenden Ärzten
Menschen aus der Ukraine haben im Vergleich zu vielen anderen Asylsuchenden in Deutschland ein paar Vorteile. Sie dürfen frei einreisen, sich Wohnungen suchen und nach einem Antrag arbeiten. Auch wenn sich die Flüchtlinge aus anderen Ländern durchaus benachteiligt fühlen, gibt es bisher keine Probleme: „Der Umgang ist sehr respektvoll untereinander“, berichtete Sonja Fette, Regionalleiterin des Sozialen Dienstes im Landkreis Konstanz.
Ein weiteres Problem ist die ärztliche Versorgung der Menschen in den Unterkünften. Zumindest für die Mettnauhalle hat sich ein Mediziner bereit erklärt, die Leistung anzubieten. Gleichwohl fehlen noch ein Frauen- sowie ein Kinderarzt, wie Monika Brumm wissen ließ.