Oberbürgermeister Simon Gröger bringt es auf den Punkt: „Wir hatten noch einmal Glück im Unglück“, sagt er zum Astbruch, der sich am vergangenen Wochenende in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Markelfinger Campingplatz ereignet hat.
Ein dicker Ast einer Weide war abgebrochen und auf ein Auto gefallen, in dem ein Vater und zwei kleine Kinder schliefen. Verletzt wurde dabei niemand – „zum Glück hat das Auto den Schlag abgefangen“, erklärt Gröger. Aber wie kam es überhaupt zu dem Vorfall?
Gewicht wurde zu groß
Baumpflege-Experte Heinrich Holewa kann ein paar Tage nach dem Astbruch Auskunft zum Hergang geben. Wie er berichtet, haben gleich mehrere Umstände eine Rolle gespielt – hauptsächlich sei aber der heftige Regen Auslöser gewesen.
110 Liter Wasser seien an dem Wochenende pro Quadratmeter gefallen. In hohlen Stellen am Baum habe sich dieses angesammelt, zudem sei es aufgenommen und etwa in den Blättern gespeichert worden – bis das Gewicht zu viel wurde.
Hinzu komme auch, dass ein Baum nur dort stützendes Holz wachsen lasse, wo es zwingend nötig sei. Und im Nachhinein habe sich auch herausgestellt, dass es in der Krone des Baumes einen Pilzbefall gegeben habe, was womöglich auch einen Einfluss gehabt habe. Das sei vorher aber nicht bekannt gewesen.
Baum wurde erst im Juli überprüft
Heinrich Holewa betont, die Radolfzeller Bäume werden regelmäßig in bestimmten Intervallen kontrolliert. Gesunde Bäume zum Beispiel würden alle drei Jahre kontrolliert, Bäume mit Schäden jährlich oder halbjährlich. Zusätzlich sei er unterwegs, wenn es etwa durch Unwetter zu Schäden gekommen sein könnte.

Die betroffene Weide sei jährlich überprüft worden, zuletzt regulär im April 2022. Zusätzlich habe er sich den Baum auch noch im Juli angeschaut. Er gehört zu den ältesten auf dem Campingplatz Markelfingen, Holewa schätzt sein Alter auf ungefähr 100 Jahre.
In der Vergangenheit hätten an ihm und zwei weiteren gleichaltrigen Bäumen auch immer wieder Arbeiten stattgefunden, bei denen zum Beispiel Totholz entfernt oder der Baum zurückgeschnitten wurde.
Vertiefte Kontrolle nicht immer möglich
Heinrich Holewa geht bei seinen Kontrollen nach einer bestimmten Methode vor – dem Visual Tree Assessment, also einer Sichtkontrolle. Dabei werde der Baum etwa auf Totholz abgesucht und mit einem speziellen Hammer abgeklopft, um zum Beispiel Hohlstellen zu finden. Wenn dabei potenzielle Probleme festgestellt werden, folgen weitere Untersuchungen.
Bei einem Baum werden aber nicht ohne konkreten Anlass Bohrungen durchgeführt und man könne auch nicht in jede Krone zu steigen, um diese genauer zu betrachten. Zudem kann nicht jeder Baum ohne konkreten Grund abgeholzt werden – „man muss auch auf den Artenschutz schauen“, sagt Holewa.
Darum gelte: „Es gibt immer ein gewisses Restrisiko.“ Bei der Weide, deren Ast auf das Auto fiel, habe er bei seiner letzten Kontrolle im Juli keine Hinweise auf eine Gefahrensituation gefunden.
Drei Bäume stehen im Fokus
Wie OB Simon Gröger berichtet, wurde die Weide schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag von der Feuerwehr begutachtet. Diese sei schließlich zum Schluss gekommen, dass in absehbarer Zeit keine weiteren Äste abbrechen werden. „Von Seiten der Feuerwehr wurde kein Akutrisiko gesehen“, fasst es Gröger zusammen.
Trotzdem sei der Baum am Montagmorgen von ihm, Feuerwehrkommandant Helmut Richter, Ortsvorsteher Lorenz Thum und Ferdi Cihan, dem Leiter der Technischen Betriebe Radolfzell (TBR), begutachtet worden. Die TBR hätten den Baum daraufhin am gleichen Tag zurückgeschnitten. „Und vermutlich werden wir den Baum in einem zweiten Schritt noch ganz wegnehmen“, so Cihan.
Wie er berichtet, wurde zudem eine der anderen alten Weiden entlastet. Bis zum Abschluss der Maßnahme sei eine Campingwiese vorübergehend abgesperrt, dann aber wieder freigegeben worden. Laut Heinrich Holewa sollen bei der dritten alten Weide, die direkt gegenüber des Rezeptionsgebäudes steht, Sicherunsarbeiten stattfinden. Und in der kommenden Woche wolle er sie sich noch von oben anschauen.

Mit der betroffenen Familie hat Simon Gröger zudem am Montag gesprochen und sich im Namen der Stadt für den Vorfall entschuldigt, wie er erzählt. Bezüglich des Schadens und einer Versicherung finden nun Abstimmungen statt.
Thema wird die Stadt weiter beschäftigen
Abgeschlossen ist das Thema für die Stadt Radolfzell aber noch nicht. Simon Gröger betont, große Dürre und Starkregen belasten die Bäume. Für die Zukunft müsse man sich überlegen, wie man mit dem Klimawandel umgehe. Dafür würden noch Gespräche stattfinden, in denen der Vorfall auf dem Campingplatz evaluiert und über zukünftige Reaktionen gesprochen werde. „Die Sicherheit unserer Bürger und Gäste hat oberste Priorität.“
Ortsvorsteher Lorenz Thum schlägt derweil vor, die Bäume auf dem Campingplatz nach der Saison noch einmal anzuschauen und zu entscheiden, wo notfalls noch Äste abgeschnitten werden müssen, wenn nicht ohnehin schon geschehen.