Eigentlich ist das hebammengeleitete Gesundheitszentrum Radofine ein voller Erfolg. Mitten in der Pandemie 2020 gestartet, hat das Radofine seitdem 579 Anfragen bekommen und konnte 510 Familien weiterhelfen. 1427 Termine wurden in diesem Zeitraum vereinbart. Eine stolze Bilanz für die eigentlich zu wenigen Hebammen in dem Zentrum.

Corona hat den Start erschwert

„Auch die Suche nach Hebammen hat sich wegen der Pandemie als schwierig herausgestellt“, sagt Initiatorin und Hebamme Manuela Pinter im Rahmen eines Besuches von Manne Lucha, baden-württembergischer Minister für Soziales, Gesundheit und Integration von der Partei Bündnis90/Die Grünen. Man könne mehr machen, wenn man mehr Hebammen hätte.

Der baden-württembergische Minister für Soziales, Gesundheit und Integration Manne Lucha (rechts) im Gespräch mit OB Simon Gröger und ...
Der baden-württembergische Minister für Soziales, Gesundheit und Integration Manne Lucha (rechts) im Gespräch mit OB Simon Gröger und anderen Beteiligten des Radofine. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Doch das eigentliche große Ziel war es von Anfang an, ein Geburtshaus in Radolfzell zu eröffnen. „Die Schließung der Geburtenstation am Radolfzeller Krankenhaus im Jahr 2017 war sehr schmerzhaft für uns alle“, blickt Bürgermeisterin Monika Laule auf die Ereignisse zurück.

Der Wunsch, wieder ein Angebot für werdende Mütter in Radolfzell zu schaffen, sei von Anfang an das Ziel von Radofine gewesen. Offene Fragen der Organisation und Finanzierung werden aktuell noch geklärt. Doch einer hält ganz und gar nichts von einem Geburtshaus in Radolfzell: Landrat Zeno Danner.

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Landkreis will nur ein Geburtshaus mit Ärzten in der Nähe

Weder Landkreis Konstanz noch der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) würden sich an einem Radolfzeller Geburtshaus beteiligen, da er der Überzeugung sei, ein Geburtshaus müsse an eine gynäkologische Versorgung angebunden sein. Heißt: Ein Geburtshaus müsste nah an einem der beiden Krankenhäuser in Konstanz oder Singen liegen, um in einem Notfall für die Frauen schnell einen Arzt parat zu haben.

Da das Singener Krankenhaus ebenfalls – wie das Radolfzeller Klinikum – irgendwann schließen muss und aktuell noch nicht klar ist, wo der geplante Neubau errichtet werden soll, rückt also ein Geburtshaus mit Unterstützung des GLKN in weite Ferne.

Gröger sieht beim Radofine Potenzial für den gesamten Landkreis

Oberbürgermeister Simon Gröger warb für das Radofine als lokales Potenzial, welches im gesamten Landkreis genutzt werden solle. Da müsse auch nicht jede Kommune das selbe Angebot aufbauen. Wichtig sei es, das bereits entstandene weiterzuentwickeln. Sozialminister Manne Lucha sah die fehlende Nähe zu einer gynäkologischen Betreuung als kein großes Hindernis an. Man könne die Geburt rein medizinisch oder gesellschaftlich betrachten, so Lucha. Eine komplikationsfreie Geburt benötigt keinen Arzt. „Manchmal braucht es etwas Pragmatismus“, sagt er.

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Will man in Radolfzell also an dem Geburtshaus festhalten, muss der Spitalfond die Kosten alleine stemmen oder auf großzügige Förderung außerhalb des Landkreises hoffen. Diese konnte Sozialminister Manne Lucha nicht versprechen, aber er sagte zu, sich an der weiteren Entwicklung des Radofine zu beteiligen.

Der Grünen-Politiker lobte das bisher Geleistete und wolle bei dem Ausbau der Versorgung „am Ball bleiben“. Bisher hatte das Land Baden-Württemberg das Gesundheitszentrum mit Fördergeldern bedacht. Auch Privatpersonen hatten gespendet. Getragen wird das Radofine vom Radolfzeller Spitalfond.

Niederschwelliges Angebot für alle im Landkreis

Doch ist das Radofine nicht nur für Radolfzeller Frauen gedacht. Werdende Mütter aus dem gesamten Landkreis haben hier eine Anlaufstelle. „Wir bieten ein niederschwelliges Angebot, was auch Frauen mit Migrationshintergrund, fehlenden Sprachkenntnissen oder aus sozial schwierigen Verhältnissen ansprechen soll“, sagt Bürgermeisterin Monika Laule. In den Sommermonaten bietet das Radofine eine ambulante Sprechstunde, was Hebammen erlaubt, selbst in den Urlaub zu fahren und die Mütter dennoch versorgt zu wissen.

Austausch am großen Tisch: Manne Lucha (mitte) im Gespräch mit OB Simon Gröger (links daneben) und Landrat Zeno Danner (rechts daneben).
Austausch am großen Tisch: Manne Lucha (mitte) im Gespräch mit OB Simon Gröger (links daneben) und Landrat Zeno Danner (rechts daneben). | Bild: Schneider, Anna-Maria

Eine Frau, die vom Angebot der Radofine profitiert hat, ist Lisa Rinkenburger aus Stockach. Sie berichtet mit ihrer zwei Monate alten Tochter Ylvi auf dem Arm, wie ihre Hebamme sie mitten in der Schwangerschaft im Stich gelassen hat. Lisa Rinkenburger wollte nicht in einer Klinik entbinden und hatte sich beim Geburtshaus in Villingen angemeldet. Das ist das einzige Geburtshaus in der Region.

Junge Mutter war froh über Radolfzeller Angebot

Doch da ihre Hebamme die Corona-Impfung verweigerte und nicht mehr für die Wochenbettbetreuung zur Verfügung stand, fand sich die werdende Mutter plötzlich ganz ohne Betreuung wieder. „Ich hatte bevor ich beim Arzt war angefangen Hebammen zu kontaktieren, weil ich genau wusste, wie schwierig es ist eine zu finden“, sagt die junge Frau. Und als sie dann ein zweites Mal suchen musste, bekam sie auf 24 Anfragen 24 Absagen.

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Erst im Radofine wurde sie dann fündig und berichtet begeistert vor dem Sozialminister, Landrat und Oberbürgermeister von ihren Erfahrungen mit dem Gesundheitszentrum. Sie habe hier nicht nur eine Hebamme gefunden, sondern auch freie Plätze in Vorbereitungskursen und eine Anlaufstelle bei Fragen und Nöten.

Kontakt zu anderen Müttern durch Kurse

„Ich habe hier auch Kontakte zu anderen Müttern bekommen und es haben sich auch zwei Freundschaften entwickelt“, sagt Lisa Rinkenburger. Die junge Mutter wünschte sich von den Politikern, dass das Radofine weitergeführt werde. Sie schlug vor, dass auch Städte, die dieses Angebot nicht haben, sich daran beteiligen.

Als weiteres Entwicklungsziel möchte man im Radofine das Netzwerk ausbauen. Sie wollen weitere Hebammen finden und ihre Leistungen besser koordinieren. Damit soll für Frauen ein besserer Überblick verschafft werden. Für Gesundheits- und Sozialminister Lucha sei dies gerade für junge Hebammen ein Vorteil, weil viel Organisations- und Planungsarbeit durch das Zentrum übernommen werde. „Viele Schultern tragen hier die Verantwortung“, so Lucha.