Während im Dezember im Lockdown vieles schließen musste, hat in Radolfzell etwas Neues aufgemacht: Das hebammengeleitete Gesundheitszentrum Radofine im ehemaligen Café Scheffelhof. Seit etwa vier Monaten haben die drei Hebammen Manuela Pinter, Oktavia Kamra und Kathrin Burgbacher ihre Arbeit im Gesundheitszentrum aufgenommen und bauen nach und nach neue Strukturen und Kooperationen auf.
Bereits 125 Frauen konnte geholfen werden
Bisher haben rund 125 werdende oder frischgebackene Mütter im Radofine Hilfe bekommen. Die Geschichten hören sich ähnlich an: Die meisten suchen mehr oder weniger verzweifelt eine Hebamme. „Bevor sie bei uns anrufen, haben viele schon fast alle Hebammen im Landkreis abtelefoniert und noch immer keine Betreuung bekommen“, macht Manuela Pinter den Notstand deutlich.
Und genau an diesem Punkt arbeiten die Hebammen im Radofine neben der alltäglichen Betreuung von Schwangeren. Sie wollen die reale Versorgungssituation im Landkreis Konstanz erfassen und somit auch den Hebammenmangel in Zahlen belegen können. Im Landkreis sind etwa 55 freiberufliche Hebammen gelistet, an die sich Schwangere wenden können. Andere Hebammen im Kreis arbeiten fest angestellt in den Krankenhäusern in Singen und Konstanz.

Die meisten Hebammen arbeiten nur Teilzeit
„Das klingt erst einmal gar nicht so schlecht, doch arbeiten die meisten Hebammen in Teilzeit“, sagt Oktavia Kamra. Hebamme sei ein klassischer Frauenberuf, den nur sehr wenige Männer ergreifen würden. Und da die Bezahlung – wie in fast allen Pflege- und Gesundheitsberufen – nicht besonders hoch sei, würden diese Frauen sich traditionell um Familie und Kinderbetreuung kümmern.
Diese 55 Hebammen in der Liste seien also keine Vollzeitstellen, manche würden auch nur einen oder zwei Kurse pro Monat anbieten. „Wir sind gerade dabei, alles zu erfassen und zu sammeln, wer wie viel anbietet. Damit können wir dann auf das Landratsamt und auch die Landesregierung zugehen und Veränderungen bewirken“, sagt Manuela Pinter.
Um den verzweifelten Frauen zu helfen, bieten die Hebammen im Radofine eine Notbetreuung an und anderen freiberuflichen Hebammen eine Vertretungsmöglichkeit. Nach und nach wollen sie sich mit allen Hebammen im Landkreis vernetzen, um so deren Kapazitäten zentral erfassen zu können. Wenn sich Schwangere dann melden, können sie an eine Hebamme vermittelt werden, die gerade Zeit hat. Und auch während der Feiertage oder Ferienzeiten möchten sie die werdenden Mütter nicht alleine lassen und bieten da niederschwellig Hilfe an.
Betreuung auch im Sommer und während der Feiertage
„Wir haben uns schon mal auf einen sehr anstrengenden Sommer eingestellt“, sagt Oktavia Kamra. Dringende Anfragen können dann per Telefon oder per E-Mail gestellt werden. „Manchmal reicht ein Rat, manchmal muss man dann hinfahren. Wir wollen nicht, dass die Frau das Gefühl hat, sie müsse jetzt in die Notaufnahme fahren“, sagt Hebamme Manuela Pinter. Diesen Stress und die Sorgen möchte man den werdenden Müttern ersparen.
Um all dies stemmen zu können, wünschen sich die drei Hebammen weitere Unterstützung im Team. Noch zwei bis drei Kolleginnen wären schön, sagt Kathrin Burgbacher, die in Teilzeit beim Radolfzeller Spitalfonds angestellt ist, dem Träger des Gesundheitszentrums. Finanziert wird das Radofine auch aus Fördergeldern der Landesregierung. Der Förderbescheid für das nächste Jahr sei allerdings noch nicht positiv beschieden worden. In Stuttgart sei man aktuell mit der Regierungsbildung beschäftigt, das Sozialministerium habe um Aufschub gebeten, berichtet Manuela Pinter.
Neben dem Aufbau von Strukturen und der Vernetzung und Zusammenarbeit der Hebammen im Landkreis möchte man im Radofine künftig auch ausbilden. Das Zentrum hat eine Kooperation mit der Hochschule Hannover angestrebt, sodass Hebammenstudentinnen ihre Praxisphase in Radolfzell absolvieren können. Seit 2020 ist der einstige Ausbildungsberuf ein Studiengang.