Der Ärger bei den Gemeinderäten ist groß – zumindest bei einigen. Anfang Mai warf der neue Vorstandsvorsitzende der Bezirkssparkasse, Jens Heinert, Stadt und Gemeinderat vor, Planung und Neubau der Sparkasse am Wunschstandort beim BEZ-Kreisel zu verzögern. Man könnte bereits deutlich weiter sein, doch der Gemeinderat stelle überzogene Forderungen, die die Sparkasse nicht mitmachen könne – so seine Kritik damals.

Bei den meisten Fraktionen kam dieser Vorwurf nicht gut an. SPD, FGL und CDU kritisieren das Vorgehen scharf. Ebenso Oberbürgermeister Simon Gröger, der auf den Ärger der Räte im Planungsausschuss ankündigte, das Gespräch mit der Sparkasse suchen zu wollen. FDP und Freie Wähler äußern hingegen Verständnis für die Kritik.

Norbert Lumbe sieht keinen Grund für Kritik

„Im Fußball wären diese Aussagen der Sparkasse eine klassische Blutgrätsche und verdienen die rote Karte“, sagt zum Beispiel der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Lumbe. Zwar habe der Gemeinderat sein Unverständnis zum Umzug der Sparkasse aus der Innenstadt heraus ausgedrückt. Aber man befinde sich seither in Gesprächen über das Projekt am Wunschstandort der Sparkasse.

„Im Fußball wären diese Aussagen der Sparkasse eine klassische Blutgrätsche und verdienen die rote Karte“, sagt Norbert Lumbe (SPD).
„Im Fußball wären diese Aussagen der Sparkasse eine klassische Blutgrätsche und verdienen die rote Karte“, sagt Norbert Lumbe (SPD). | Bild: Andreas Kochlöffel

Stadt und Gemeinderat würden den Entwicklungsprozess nicht mutwillig in die Länge ziehen. Es gebe ein gemeinsames Interesse aller Beteiligter, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. „Daher war das ein äußerst unglücklicher Augenblick, um Stadt und Gemeinderat so anzugehen. Das entspricht nicht den Gepflogenheiten, wie wir sonst mit Investoren Projekte entwickeln“, kritisiert Lumbe.

Es sei „zu billig“, den schwarzen Peter der Kommune zuzuschieben. „Der Ball liegt im Moment ganz klar bei der Bezirkssparkasse. Sie muss erklären, ob sie das Grundstück erwerben möchte“, stellt der SPD-Stadtrat fest.

Christof Stadler über Aussagen verwundert

In die gleiche Kerbe schlägt Christof Stadler (CDU). „Wenn diese Aussagen tatsächlich gefallen sind, finde ich sie sehr verwunderlich, da wir als Verhinderer dargestellt werden“, sagt er. Eine klare Meinung zu haben und zu äußern, sei Aufgabe des Gemeinderats. „Das haben wir mit unserem Wunsch nach einer innenstadtnahen Lösung, zum Beispiel an der Aurelis-Linse, getan, weil wir die gesamte Stadtentwicklung im Blick haben müssen“, erklärt Stadler.

„Es liegt bei der Sparkasse, dass das entsprechende Baurecht an ihrem Wunschort geschaffen wird“, sagt Christof Stadler (CDU).
„Es liegt bei der Sparkasse, dass das entsprechende Baurecht an ihrem Wunschort geschaffen wird“, sagt Christof Stadler (CDU). | Bild: Andreas Kochloeffel

Unabhängig davon habe man aber nicht gebremst. „Die Stadtverwaltung hat laut eigener Aussage alles getan, was notwendig ist. Es liegt bei der Sparkasse, dass das entsprechende Baurecht an ihrem Wunschort geschaffen wird.“ Zwar sehe die Mehrheit des Gemeinderats den Standort kritisch. Aber für das eine einzutreten, heiße nicht, dass man das andere blockiert. „Ich hätte mir gewünscht, dass man miteinander spricht, bevor man öffentliche Rügen verteilt“, kritisiert er.

Lehmann erwartet konkreten Entwurf von der Sparkasse

Auch bei FGL-Fraktionschef Siegfried Lehmann haben die Äußerungen der Sparkasse „für Unmut gesorgt“. Es sei bekannt, dass Stadt und Gemeinderat den geplanten Umzug aus der Innenstadt heraus kritisch sehen. Allerdings habe er auch Verständnis für den ökonomischen Druck bei der Bank, sich anders aufzustellen. „Offensichtlich gibt es intern bei der Sparkasse den Druck, ein großes Immobilienprojekt zu realisieren“, so Lehmann.

„Wir haben natürlich eine Haltung, aber wir blockieren kein Projekt. Wir könnten nur etwas blockieren, das auch tatsächlich vorliegt“, ...
„Wir haben natürlich eine Haltung, aber wir blockieren kein Projekt. Wir könnten nur etwas blockieren, das auch tatsächlich vorliegt“, sagt Siegfried Lehmann (FGL). | Bild: FGL

In einer nicht-öffentlichen Sitzung des Gemeinderats im Herbst habe die Sparkasse ihr Vorhaben aber nur grob vorstellt. Geplant sei ein vierstöckiger Bau, in den neben der Bank auch Wohnungen und ein Tagungszentrum kommen könnten, so Lehmann. Der Gemeinderat habe damals gesagt, er sei offen für eine Diskussion, aber die Sparkasse müsse dafür einen konkreteren Entwurf vorlegen, damit man das Baurecht entsprechend ändern könne.

„Das ist bislang zumindest im Gemeinderat nicht passiert. Deshalb verstehe ich nicht, was die Sparkasse überhaut kritisiert. Wir haben natürlich eine Haltung, aber wir blockieren kein Projekt. Wir könnten nur etwas blockieren, das auch tatsächlich vorliegt“, so Lehmann.

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FDP und Freie Wähler äußern Verständnis für Kritik

Doch nicht alle Fraktionen sehen die Aussagen der Sparkasse so kritisch. So sagt Dietmar Baumgartner (FW), er sei grundsätzlich froh, dass die Sparkasse in Radolfzell überhaupt investieren möchte. Die Fluktuation aus der Innenstadt durch den Ortswechsel sei zwar eine „negative Begleiterscheinung“. Aber, so Baumgartner: „Wenn die Sparkasse ganz abwandert, wäre das noch schlechter. Mir ist es lieber, sie investiert hier bei uns.“

„Wenn die Sparkasse ganz abwandert, wäre das noch schlechter. Mir ist es lieber, sie investiert hier bei uns“, sagt Dietmar Baumgartner ...
„Wenn die Sparkasse ganz abwandert, wäre das noch schlechter. Mir ist es lieber, sie investiert hier bei uns“, sagt Dietmar Baumgartner (FW). | Bild: Foto Lichterloh

Da die Gespräche über den Neubau schon lange laufen, sei es „klar, dass die Sparkasse jetzt etwas Druck ausübt“. Irgendwann müsse eine Entscheidung fallen. Ob die Kritik der Bank tatsächlich berechtigt ist, könne er nicht sagen. „Ich kenne den Stand der Gespräche zwischen Sparkasse und Verwaltung nicht“, sagt Baumgartner. Er finde aber, man müsse der Bank so langsam grünes Licht geben.

Auch FDP-Stadtrat Jürgen Keck sagt: „Man muss schon sagen, dass vom Gemeinderat so manches verhindert wird, zum Beispiel auch bei Planungen von Wirten und Hoteliers.“ Die Sparkasse wolle sich mit dem Neubau, der auch weitere Angebote wie einem Tagungszentrum beinhalten würde, modernisieren. Dies sei eine Bereicherungen für ganz Radolfzell. „Der Trend geht nun einmal zu wenigen größeren Standorten. Daher muss man froh sein, wenn die Sparkasse in Radolfzell investiert und nicht woanders“, sagt Keck.

„Es gibt keinen Grund, sich von solcher Kritik persönlich beleidigt fühlen. Jeder darf Kritik äußern, auch wenn es nicht jeder toll ...
„Es gibt keinen Grund, sich von solcher Kritik persönlich beleidigt fühlen. Jeder darf Kritik äußern, auch wenn es nicht jeder toll findet“, sagt Jürgen Keck (FDP). | Bild: Fdp

Die Planungshoheit liege bei der Stadt, daher sei Kritik angebracht. „Es gibt keinen Grund, sich davon persönlich beleidigt zu fühlen. Jeder darf Kritik äußern, auch wenn es nicht jeder toll findet“, so Keck. Er hoffe, dass man nun durch Vermittlung von OB Simon Gröger, der selbst im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzt, zu guten Gesprächen zurückkehren kann.

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Was sagt der OB Simon Gröger?

Simon Gröger teilt auf SÜDKURIER-Nachfrage mit, der Gemeinderat habe sich klar dafür ausgesprochen, dass die Sparkasse für die Innenstadt eine relevante Infrastruktur ist. Eine Filiale in der Innenstadt sei für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sehr wichtig. Auch die Standortanalyse sei im Gemeinderat ausführlich diskutiert worden.

Als Alternativstandort würde sich die Fläche an der Aurelis-Linse sehr gut eignen, so Gröger. Sie sei unbebaut und innenstadtnah sowie zentral gelegen und gut erreichbar. Wegen dieser Vorteile habe die Stadt sie der Sparkasse als alternativen Vorschlag unterbreitet. „Doch bedauerlicherweise hat sich die Sparkasse gegen diese Fläche entschieden“, so Gröger weiter. Sie favorisiere weiterhin den Standort am BEZ-Kreisel in der Zeppelinstraße, dem der Gemeinderat mehrheitlich zugestimmt habe.

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Für die jüngste Kritik der Bank hat Gröger dennoch wenig Verständnis. „Die von der Sparkasse gewünschte Fläche an der Zeppelinstraße befindet sich im Privateigentum. Es ist also ein privates Grundstücksgeschäft, das die Sparkasse hier tätigen möchte“, teilt er mit. Die Stadt sei nicht involviert. Es liege weder eine Bauvoranfrage noch ein Bauantrag vor. „Der Ball liegt deshalb komplett bei der Sparkasse“, so der Oberbürgermeister.