Es könnte die Ruhe vor dem Sturm sein, doch dieser ist eigentlich bereits über Radolfzell und die Region hinweggefegt. Was allerdings davon übrig geblieben ist, ist jede Menge Wasser. Und der See schwillt weiter an. Helmut Richter, Feuerwehrkommandant und Fachbereichsleiter Feuerwehr und Bevölkerungsschutz bei der Stadt Radolfzell, gibt aus diesem Grund der Radolfzeller Bevölkerung eine Warnung mit ins Wochenende: „Wir stehen kurz vor der Marke, die in Radolfzell erfahrungsgemäß für Probleme sorgt“, sagt er.
Noch ein paar Zentimeter bis zur kritischen Marke
Heißt: Aktuell steht der See bei etwa 4,70 Metern. Hier werde immer in Konstanz gemessen. Der Pegelstand in Radolfzell ist bei 4,30 Meter. Doch die Prognosen deuten an, dass der Wasserstand steigen könnte. Ab fünf Metern könnten zahlreiche Keller volllaufen, Flächen und Straßen überfluten und für erhebliche Schäden sorgen. Aus diesem Grund rät Richtern allen Hausbesitzern in Seenähe, ihre Häuser auf mögliches Hochwasser vorzubereiten. „Wir wollen gerade vor dem Wochenende die Bürger sensibilisieren, dass die Lage kritisch wird“, sagt Richter. Wenn das Wasser denn dann mal da sei, könne die Feuerwehr unmöglich allen gleichzeitig helfen, gibt Richter zu bedenken.
Was können Hausbesitzer also tun? Zum Beispiel könnten Sandsäcke befüllt und bereitgestellt werden, um mögliche Einlaufstellen und Öffnungen abzudichten. Elektrische Geräte im Keller könnten auf Sockel gestellt werden, um sie vor dem Wasser zu schützen. Überhaupt sollten alle Öffnungen, Kabel und Geräte im Keller geprüft und gesichert werden. Helmut Richter verweist auf das Hochwasser-Merkblatt der Stadt Radolfzell, in dem diese Hinweise detailliert aufgelistet sind. „Die, die schon länger hier wohnen, wissen eigentlich Bescheid“, so Richter.

In der Vergangenheit habe sich solch eine Hochwasserlage immer wieder am Wochenende gezeigt, berichtet Helmut Richter. Aus diesem Grund sei es besonders wichtig, dass sich die Hausbesitzer vorbereiten, so lange noch Zeit dafür sei. Wer keine Sandsäcke habe, könne diese zum Beispiel im ZG Raiffeisenmarkt kaufen. Der Feuerwehrkommandant habe geprüft, dass dort welche vorrätig seien. In anderen Baumärkten seien diese nämlich vergriffen.
Ansonsten seien die letzten zwölf Stunden für die Radolfzeller Feuerwehr ruhig gewesen. Einzig am Böhringer See stünde das Gastronomiegebäude unter Wasser. Dort habe die Feuerwehr am Freitagmorgen einen Einsatz gehabt. Ansonsten bereite man sich auf das Wochenende vor, so Richter.
Einzig Isolde Biller, Pächterin am Böhringer Seele, rief am Freitagmorgen an. Sie habe schon eine Woche das Wasser aus dem Lager gepumpt, doch nun sei der Druck zu groß geworden und das Wasser sei in die Küche gelaufen. Sie hätten bereits alle Waren hochgestellt, mehr könnten sie nicht tun. Mehr pumpen würde auch nichts bringen: „Das Wasser läuft nach wie ein Bach.“
Isolde Biller ist jetzt 80 Jahre und schaut staunend auf den Böhringer See: „Ich bin hier aufgewachsen, so hoch war er noch nie.“ Erst vergangenes Jahr sei die Terrasse um 25 Zentimeter erhöht, das Gebäude selbst sei vor fünf Jahren angehoben worden – und dennoch sei alles überschwemmt. Natürlich ist das Hochwasser für sie eine Existenzfrage, aber: „Wenn ich die Nachrichten aus Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen sehe, müssen wir froh sein, dass bei uns kein Menschenleben betroffen ist“, sagt Isolde Biller. „Wir müssen wir das Beste daraus machen.“
Das Wasser am Ufer des Untersees in Radolfzell hat sich noch nicht so hoch aufgeschaukelt. Im Yachthafen und an der Mole stand der Pegel am Freitagmittag bei 4,30 Meter. Die Enten haben sich zum Teil vom Ufer verzogen. Sie schwammen auf Pfützen im Herzenbad und anderen kleinen Wiesen-Seen.