Natalie Reiser

Die Rheinklangschule ist eine kleine Schule. 45 Kinder von der ersten bis zur zwölften Klasse lernen in dem direkt am Stadtgarten gelegenen Flachdachbau. Angelehnt an die Waldorfpädagogik verfolgt die Schule das Konzept des freien Lernens ohne Notendruck. Für die 13 Schüler der Oberstufe sind die Türen des Schulgebäudes nun wieder geöffnet. Sieben von ihnen wollen in zwei Wochen die Realschulprüfung absolvieren und zwei weitere bereiten sich auf die Prüfungen zu einem qualifizierten Hauptschulabschluss vor. Ein Kind wird sich weiter von zu Hause aus vorbereiten, weil es zu einer Risikogruppe gehört.

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Die Herausforderungen, die die Corona-Krise Schülern und Lehrern auferlegt hat, konnten relativ gut gemeistert werden, berichtet Lydia Petrovsky, Geschäftsführerin der Schule. Den Schülern wurden Arbeitsmaterialien, auch Testprüfungen, zur Verfügung gestellt. Telefonisch und per Videokonferenz hielten Schüler, Lehrer, Eltern und Schulsozialarbeiter Kontakt. In drei der insgesamt sieben Klassenzimmer geht es für die Absolventen nun um intensive Prüfungsvorbereitung. Der Mindestabstand könne in den großen Räumen eingehalten werden, erzählt Petrovsky weiter.

Die Hygiene im Blick

Die Hygieneregeln würden natürlich befolgt, Desinfektionsmittel sei in jedem Raum vorhanden. Auch Mundschutzmasken lägen für Schüler bereit. Die Stimmung unter den Prüflingen sei gut, wertet die Geschäftsführerin. Als Vorteil sehe sie, dass das Lernkonzept der Schule generell vorsehe, seine Absolventen im letzten Schuljahr intensiv auf die Prüfungen vorzubereiten, die schulextern abgelegt würden. Insofern hätten die Schüler schon vor der Schulschließung viel für die Prüfungen gelernt.

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Doch ein Problem drückt die Schule ganz unabhängig der besonderen Situation: Es ist zu eng im Gebäude geworden. Seit die Schule 2006 gegründet wurde, damals als Waldorfschule, die dem Hofgut Storzeln angeschlossen war, haben sich stetig mehr Schüler für das freie Lernkonzept interessiert. Die Anfragen lägen weit über den Plätzen, die die Schule vergeben kann. Lydia Petrovsky spricht von etwa 100 Anfragen.

Mehr Anfragen als Plätze

Nicht einmal halb so viele Schüler können unterrichtet werden. Denn eine Grundidee der Schule sei, die Lerngruppen klein zu halten. Zwölf Schüler sind maximal in einer Lerneinheit zusammengeschlossen. Sie lernen klassenübergreifend in Altersstufen, der Unter-, Mittel- und Oberstufe. Die kleinen Lerngruppen ließen zu, dass Lehrer sich individuell um Schüler kümmern. Einige der Kinder besuchen die Rheinklangschule, einfach weil den Familien das Konzept des freien Lernens zusage, so Petrovsky. Ein großer Teil komme allerdings, weil der Druck an anderen Schulen Ängste oder Phobien ausgelöst habe. Andere wiederum werden in problematischen Familienverhältnissen groß und ihr Verhalten wurde an anderen Schulen nicht akzeptiert. „Die Kinder kommen oft gebrochen zu uns. Sie brauchen Ruhe und Sicherheit“, sagt Petrovsy.

13 Absolventen im Jahr 2019

In den vergangenen Jahren habe ein Großteil der Schüler in der Rheinklangschule wieder Fuß gefasst und die Schule erfolgreich abgeschlossen. 2019 haben zehn der 13 Absolventen ihre Prüfung zur mittleren Reife mit Bravour abgelegt. Zwei haben nach einem Hauptschulabschluss eine Ausbildung begonnen und ein Schüler ist für ein weiteres Jahr in der Schule geblieben.

Gespräche mit der Stadt laufen

„Es rührt mich wirklich, wenn Schüler, die verstört zu uns gekommen sind, an ihrem Schulabschluss selbstbewusst vor dem Publikum stehen und etwas vortragen oder singen“, sagt Petrovsy. Von Familien höre sie oft Rückmeldungen wie: „Endlich haben wir Frieden zu Hause.“ Und deshalb will sie ihren Traum einer größeren Schule nicht aufgeben. „Die Stadt tut wirklich, was sie kann“, fügt sie hinzu. Der Vertrag für das Gebäude sei ab Oktober 2020 für weitere zwei Jahre verlängert. Doch angesichts der hohen Nachfrage und der vielen Absagen, die sie erteilen müsse, würde sie sich mehr Platz wünschen. „Wir bräuchten einen Investor, mit dem wir unseren Traum eines Schulneubaus realisieren könnten.“ Ein Kind hat die Vision gezeichnet. Ein Terrain mit kleinen Schulgebäuden in der Natur. Bislang seien die Anfragen bei Stiftungen erfolglos geblieben. Aber Petrovsky hält an ihrer Vision fest. „Vielleicht findet sich noch jemand, der uns darin unterstützt, noch mehr Schülern zu helfen.“