Drei Straßennamen in Radolfzell werden jetzt mit Zusatzinformationen versehen zu den Personen, nach denen sie benannt sind – denn vielfach sind die Genannten selbst den direkten Anwohnern nicht bekannt. Die Initiative dazu ging vom Arbeitskreis Erinnerungskultur aus. Dazu werden an den bestehenden Straßenschildern des Fritz-Klose-Weg, der Leonhard-Österle-Straße und der Jacob-Dörr-Straße kleine Zusatzschilder angebracht, die zumindest rudimentäre Informationen zu den genannten Personen geben. Bei den drei Männern handelt es sich um Inhaftierte des Konzentrationslagers Dachau, die 1941 in das Außenlager des KZs nach Radolfzell kamen, um am Bau der dortigen Schießanlage teilzunehmen.

„Wir wollen hier nichts verstecken“

Für Bürgermeisterin Monika Laule geht es bei den Informationstafeln auch um den generellen Umgang mit der Geschichte und ihren Ereignissen: „Wir pflegen in Radolfzell die Erinnerungskultur und wollen hier nichts verstecken“, erklärt sie. Damit folge man den Leitlinien der Erinnerungskultur, nach der geschichtliche Ereignisse kommentiert und erklärt und wie im konkreten Fall nicht verschwiegen werden.

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Immerhin hat der Arbeitskreis Erinnerungskultur seit einigen Jahren ein etwas leichteres Arbeiten in Radolfzell, wie Elisabeth Burkart berichtet: „Früher galt man schnell als Nestbeschmutzer, wenn man solche Themen aufgriff. Inzwischen wird die Arbeit mit jedem Jahrzehnt leichter“, sagt sie. Der Umgang mit der Schutzstaffel (SS) in Radolfzell wurde lange Zeit kritisiert, nicht zuletzt weil oftmals auch private Verbindungen existierten. Mit den Zusatzinformationen zu den drei Straßennamen wird die Radolfzeller Geschichte nun „für die Einheimischen und Gäste etwas greifbarer“, wie Alfred Heim vom Arbeitskreis bemerkt.

Präsentieren die Informationstafeln, die an drei Radolfzeller Straßenschildern angebracht werden: (von links) Stadtrat Norbert Lumbe, ...
Präsentieren die Informationstafeln, die an drei Radolfzeller Straßenschildern angebracht werden: (von links) Stadtrat Norbert Lumbe, Elisabeth Burkart (Arbeitskreis Erinnerungskultur) Alexander Röhm (Leiter Stadtarchiv), Hildegard Bibby, (ehemalige Leiterin Stadtarchiv), Bürgermeisterin Monika Laule und Erik Hörenberg (Leiter Fachbereich Kultur). | Bild: Jarausch, Gerald

Wer waren die drei Inhaftierten?

Zu den Personen selbst liegen sehr unterschiedliche Informationen vor, wie Hildegard Bibby, ehemalige Leiterin des Radolfzeller Stadtarchivs, bemerkt. Sie ist auch im Ruhestand noch für die Erinnerungskultur tätig und war bei Informationsbeschaffung und Recherche beteiligt.

Zumindest zum Häftling Leonard Österle gibt es etliche Informationen. Er ist der einzige der drei Häftlinge, die diese Zeit überlebt haben. Er konnte in Radolfzell aus seiner Gefangenschaft flüchten, indem er im November 1943 ein Boot stahl und nach Berlingen auf der schweizerischen Uferseite des Untersee übersetzte. Später wanderte er nach Kanada aus und machte sich als Bildhauer einen Namen. Eine Skulptur von ihm steht im Garten der Villa Bosch. Zudem trug sich Österle in das Goldene Buch der Stadt Radolfzell ein. Er starb 2009 in Kanada.

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Jacob Dörr wurde noch in der Radolfzeller Haftzeit 1941 erschossen. Das wurde in den Dokumenten zynisch mit dem Begriff „auf der Flucht erschossen“ bezeichnet. Im Fall von Jacob Dörr soll ihm ein Wachmann die Mütze vom Kopf geschlagen und über eine Begrenzung geworfen haben. Anschließend sollte Dörr diese zurückholen und wurde dabei erschossen. Fritz Klose soll nach einem Außeneinsatz 1943 im Böhringer See ertrunken sein. Nicht unwahrscheinlich ist jedoch eine gezielte Ermordung durch das SS-Personal.

Weitere Schilder sollen folgen

Mit den Informationen zu den drei KZ-Häftlingen ist die Arbeit des Arbeitskreises Erinnerungskultur aber noch nicht beendet. So wolle man auch weiterhin Straßenschilder, die auf Personen zurückgehen, mit derartigen Ergänzungen versehen. Das müssen nicht zwangsläufig Personen sein, die in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt haben. Die jetzt vorgestellten Zusatzschilder werden laut Alexander Röhm, Leiter des Stadtarchivs, in den nächsten zwei Wochen angebracht. Bei der Namensgebung von neuen Straßen nutzt man heute generell lieber Gewann- oder Flurstücknamen, die eine Beziehung zu dem Areal haben.