Es ist ein Schicksal, das betroffen macht: 1935 wurde Hermine Bauer aus Radolfzell wie viele andere Menschen zwangssterilisiert – weil das NS-Regime das mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ möglich gemacht, ja sogar gefordert hatte. Beschwerden und Wiedergutmachungsanträge waren umsonst.
Um an ihr Schicksal zu erinnern, wurde ihr Ende September ein Stolperstein in der Teggingerstraße gesetzt – an dem Radolfzeller Ort, an dem sie, abgesehen von vorübergehenden Aufenthalten in anderen Städten, seit ihrer Geburt im Jahr 1907 gemeinsam mit ihrer Schwester Paulina, auch Paula genannt, lebte. Ihre Geschichte wurde von Alfred Heim von der Stolperstein-Initiative anhand von Dokumenten aus dem Stadtarchiv Radolfzell, dem Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Konstanz, dem Stadtarchiv Konstanz, dem Staatsarchiv Freiburg sowie ihrer Geburtsurkunde rekonstruiert.
Demnach starb ihr Vater bereits im Jahr 1914, der Tod ihrer Mutter folgte im Jahr 1925. Im Anschluss wurde ihr Großvater Ludwig Böhringen zu ihrem Vormund und dem ihrer Schwester bestimmt. Nachdem sie zunächst bei der Süddeutschen Disconto-Gesellschaft, einer Bankgesellschaft, Registraturarbeiten und die Führung der Portokasse übernahm, arbeitete sie etwa ein Jahr lang auch als Kinderfräulein bei einem Arzt. Wie Alfred Heim herausfand, lobte man sie dort für Gewissenhaftigkeit und Fleiß „in allen Obliegenheiten der Kinderpflege“.
Zwangssterilisation wegen Schizophrenie beantragt
Von Februar bis Mai 1928 wurde Hermine Bauer in der Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz untergebracht. Einige Jahre später, im September 1934, wurde von Medizinalrat Ferdinand Rechberg beim Erbgesundheitsgericht Konstanz ihre Zwangssterilisation wegen Schizophrenie beantragt, beschlossen wurde der Eingriff im November des gleichen Jahres. Eine Beschwerde von Hermine Bauer und ihrem Großvater wurde abgelehnt, 1935 wurde die Zwangssterilisation im Krankenhaus Konstanz durchgeführt. Zwei Wiedergutmachungsanträge im Jahr 1959 und 1969 wurden abgelehnt. Wie Alfred Heim erfuhr, habe eine Nachbarin Hermine Bauer „als Frau geschildert, die zwar Kopfzuckungen hatte, aber sonst als ganz normal wahrgenommen wurde.“
Ihre Schwester sorgte für sie
Zusammen mit ihrer Schwester lebte Hermine Bauer nach Auskunft ihrer Verwandten bis 1972 in der Teggingerstraße. „Hermine versorgte den Haushalt und Paula verdiente Geld als Damenschneidermeisterin“, heißt es in der von Alfred Heim erstellten Biografie. Es sei sogar berichtet worden, dass Paula Bauer ihren Freund verließ, um für ihre Schwester sorgen zu können. Schließlich zogen die beiden Frauen in das Altersheim der Spitalstiftung in der Seestraße, wo Hermine Bauer 1997 und ihre Schwester 2001 verstarb.