Weltweit werden Minderheiten ausgegrenzt. Aus Vorurteilen kann Hass entstehen, der bis zu Gewalt führt. Attentate, bei denen Menschen ihr Leben verlieren, wie 2019 in Halle, als ein Rechtextremist versuchte, in eine Synagoge einzudringen und dort zu töten, gehen durch die Medien. Täter werden zu einer Strafe verurteilt.
Doch viele fremdenfeindliche Übergriffe bleiben ungeahndet. Wolfgang Benz, Historiker der Zeitgeschichte, sprach im Milchwerk darüber, wie Ausgrenzung und Hass entstehen und wie der Weg vom Vorurteil zur Gewalt, zur Unterdrückung und im schlimmsten Fall zur Vernichtung führt.
Ein Vortrag anlässlich des 9. November
Benz kam auf Einladung der VHS Landkreis Konstanz nach Radolfzell. Der Vortrag wurde vom Programm „Demokratie leben“ finanziert. Der Abend sei bewusst in die Woche des 9. November gelegt worden, führte Maria Fülberth, Projektkoordinatorin der VHS Radolfzell, aus. An diesem Tag wird anlässlich der Reichspogromnacht 1938 an die Verfolgung der Juden gedacht.
Mehr als 20 Jahre lang leitete Benz das Zentrum für Antisemitismus in Berlin. Seine Forschungen gehen über den Jugenhass hinaus. Der Historiker stellt die Frage, welche Mechanismen zur Ausgrenzung von Minderheiten führen.
Forscher sieht sich mit Kritik konfrontiert
In Deutschland nimmt er dabei speziell die Verfolgung von Sinti und Roma und der Muslime in den Blick. „Damit habe ich mir einige Feinde gemacht“, so der Wissenschaftler.
Es sei ihm unter anderem vorgeworfen worden, er stelle Juden mit Muslimen gleich. „Ich bin weder Judaist noch Orientalist“, entgegnet der emeritierte Professor, der bis 2011 an der Technischen Universität Berlin lehrte.
Verallgemeinerung führt zu Hass einer Gruppe
Sein Blick schweift auch über die Grenzen von Deutschland hinaus. Er bezieht in seine Arbeiten Betrachtungen über die Ausgrenzungen von Jesiden, Kurden, Uiguren und weiteren Volksstämmen ein. Seine Forschung habe unter anderem ergeben, dass, immer dann, wenn ein Vorurteil gegenüber einer Gruppe in Verfolgung oder gar Vernichtung gipfelt, eine Reihe von gesellschaftlichen und politischen Faktoren zusammenspielen.
Abneigungen gegenüber Einzelpersonen würden verallgemeinert und auf ein ganzes Volk übertragen. Dieses „vermeintliche Wissen jenseits der Gesetze der Logik“, so der Professor, werde über Generationen hinweg weitergegeben. Dabei würde die Eigenständigkeit jedes Individuums geleugnet.
Wenn Demagogen Macht erhalten...
Bei diesen stereotypen Zuschreibungen handle es sich in der Regel um negative Eigenschaften. Die Rede sei dann beispielsweise vom diebischen Zigeuner, den geldgierigen Juden, den kriminellen Albanern.
Erhielten Demagogen, die einer Volksgruppe alle Übel der Gesellschaft anhängen, politische Macht könne es zur Verfolgung der verunglimpften Gruppe kommen. Voraussetzung sei, dass sich die Bevölkerung stillschweigend oder unterstützend verhält.
Hass ist in Angst begründet
Die Entstehung solch negativer Entwicklungen sieht Benz in Überfremdungs- und Existenzängsten begründet. Anderen Menschen negative Eigenschaften zuzuschreiben, stärke das Selbstwertgefühl.
Das funktioniere auch im Großen: „Eine Minderheit anzuklagen, dient der Vergewisserung einer Mehrheit, wobei die Mehrheit sich stets ausschließlich als gut wahrnimmt und die Minderheit als böse stigmatisiert wird“, so Benz.
Entwicklungen, die Sorge bereiten
Für den Wissenschaftler sind solche Verhaltensweisen „Reaktionen der Unsicherheit“. Am Beispiel der AfD seien all diese Mechanismen gut zu beobachten. Dass die Partei immer noch Unterstützung der Bevölkerung findet, obwohl sie etwas an ihrer Popularität eingebüßt hat, macht Benz Sorgen.
Auch enthemmte Beleidigungen im Internet nimmt er mit Besorgnis wahr. Sein Fazit: „Gegen irrationale Demagogen hilft nur Vernunft. Toleranz und Offenheit muss jeden Tag gelebt und verteidigt werden.“