Das Handwerk hat immer wieder mit Problemen zu kämpfen. Erst sorgt die Corona-Krise für Einschränkungen, dann steigen als Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine die Rohstoffpreise. Die Fachkräftesuche gestaltet sich ebenfalls schwierig. Sind das auch die Probleme, mit denen die Betriebe in Radolfzell und dem Landkreis Konstanz zu kämpfen haben? Eine Nachfrage, wie es dem Handwerk geht, zeigt: Fachkräftemangel und Bürokratie machen Sorgen, außerdem hat die Pandemie einiges verändert.

Mit einer allgemeingültigen Aussage dazu tut sich Hansjörg Blender jedoch schwer. Er betreibt ein Autohaus in Radolfzell und war bis 2024 Kreishandwerksmeister, kennt sich also im Handwerk bestens aus. Daher weiß er: „Das ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich und auch abhängig vom Gewerbe.“ Die Baubranche etwa habe im Bereich des privaten Wohnungsbaus mit einem Rückgang von 85 Prozent zu tun.

Viele Gewerke hängen zusammen

Das Problem: Wenn es in der Baubranche weniger Aufträge gebe, seien davon 19 weitere Gewerke wie Schreiner oder Sanitärbetriebe betroffen. „Der Bau zieht einen riesigen Rattenschwanz nach sich“, fasst Blender zusammen.

Den Einbruch in der Baubranche spürt Heiko Weschenfelder weniger. Er betreibt einen Sanitärbetrieb in Radolfzell und sagt: „Bei uns läuft es gut. Ich bin zufrieden.“ In seinem Vier-Mann-Betrieb gehe es weniger um Großprojekte, aktuell sei der Betrieb vor allem mit Bad-Umbauten beauftragt. Außerdem sei es in einem kleinen Betrieb wie seinem leichter, die Auftragsbücher zu füllen.

Heiko Weschenfelder führt einen Vier-Mann-Betrieb in Radolfzell.
Heiko Weschenfelder führt einen Vier-Mann-Betrieb in Radolfzell. | Bild: Jennifer Moog

Größere Firmen drängen in den Markt

Auch bei Elektro Buhl gibt es keinen besonders großen Einbruch hinsichtlich der Auftragslage, wie die beiden Geschäftsführer Max und Bernd Buhl sagen. Die Lage habe sich zwar etwas verschlechtert, sei aber immer noch gut. Dennoch sagt auch Max Buhl, der 2020 in die Geschäftsführung eingestiegen ist: „Die Aufträge haben sich verändert. Wir arbeiten jetzt mehr im Bereich Sanierung.“

Es sei spürbar, dass Industrie und Gewerbe weniger investieren. Zudem drängten jetzt auch größere Firmen in Bereiche vor, in denen zuvor nur kleinere Betriebe tätig waren, weil weniger große Projekte ausgeschrieben werden.

Größtes Problem: Fachkräftemangel

Sorgen machen Heiko Weschenfelder und die Buhls wegen des Fachkräftemangels. Weschenfelder sagt: „Früher, als mein Vater den Betrieb noch geführt hat, waren es noch sieben bis acht Angestellte.“ Diese Zahl hat sich halbiert. Früher habe Weschenfelder ausgebildet, aktuell habe er keinen Auszubildenden. Denn es sei schwer, Nachwuchs zu finden.

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Hinzu komme, dass er zwei Mitarbeiter beschäftigt, die schon länger dabei sind und in absehbarer Zeit in Rente gehen werden. Weschenfelders Sorge: „Es kommt nichts hinterher.“ Denn vor allem die Baubranche habe es schwer. Die Mitarbeiter seien im Winter bei Minusgraden auf der Baustelle und auch in der größten Sommerhitze. In einem Büro herrsche das ganze Jahr über 22 Grad, sagt er beispielhaft.

Elektro-Betrieb setzt auf Ausbildung

Auch bei Elektro Buhl würde man sich über weitere Mitarbeiter freuen und setze auf die Ausbildung junger Fachkräfte. Aktuell seien es sieben Auszubildende. Im gesamten Betrieb seien 33 Mitarbeiter beschäftigt. Bernd Buhl nennt als einen Grund für den Fachkräftemangel die Nähe zur Schweiz. Wer Geld verdienen wolle, den ziehe es eher ins Nachbarland.

Max und Bernd Buhl führen gemeinsam die Firma Elektro Buhl.
Max und Bernd Buhl führen gemeinsam die Firma Elektro Buhl. | Bild: Jennifer Moog

Das sagen die kreisweiten Zahlen

Dass die beiden Radolfzeller Betriebe mit diesem Problem nicht alleine sind, zeigen Zahlen der Handwerkskammer Konstanz. Zwar werde nicht genau erfasst, wie viele Stellen im Handwerk aktuell offen sind, heißt es dort auf Nachfrage. Dennoch sprechen die Daten aus der Online-Ausbildungsbörse Bände. Die Plattform zeige derzeit 586 offene Lehrstellen im Bezirk der Handwerkskammer auf.

Materialpreise pendeln sich langsam wieder ein

Ein weiteres Problem, das vielen Betriebe zu schaffen macht, sei dass die Materialpreise exorbitant gestiegen sind, sagt Hansjörg Blender. Das kann Heiko Weschenfelder bestätigen. Er habe das etwa beim Stahl gemerkt. Zu Beginn des Ukraine-Krieges habe es bei diesem sehr oft Preisanpassungen gegeben. Seit einem Jahr würden sich die Preise wieder einpendeln. Doch er sagt auch: „Wir müssen die Preise an die Kunden weitergeben.“

Schwankungen wie diese machen es schwer, Preise für die Kunden zu kalkulieren, schildert auch Bernd Buhl. Inzwischen hätten Verträge daher eine Laufzeit. Das sei vor der Pandemie nicht so gewesen.

Immer mehr Papierkram

Ein weiterer Faktor, der es vor allem kleinen Betrieben immer schwerer mache, sei die ausufernde Bürokratie, sagt Hansjörg Blender. Ausschreibungen seien inzwischen teils über 300 Seiten lang. Manche Betriebe gingen, so Blender, gar so weit, dass sie jemanden einstellen, der sich nur mit Ausschreibungen befasst. Ein kleiner Betrieb mit drei oder vier Mann könne das gar nicht stemmen.

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Dass die Bürokratie einen Haufen Arbeit macht, sagen auch Max und Bernd Buhl. Bei ihnen im Betrieb seien fünf Angestellte nur mit Bürokratie beschäftigt. Bernd Buhl gibt ein Beispiel: Mitarbeiter müssten sich nun für den Umgang mit Bauschaum zertifizieren lassen und das auch vorweisen können. „Den kriegen andere einfach im Baumarkt.“ Weiter sagt er: „Wir müssen immer mehr Berichte ablegen. Das ist einfach überzogen.“

Auch Marilena Mangili, die ein Friseurgeschäft in Böhringen betreibt und Kreishandwerksmeisterin ist, sagt: „Die viele Bürokratie macht uns immer weiter kaputt. Es wird immer von einem Bürokratieabbau gesprochen. Das Gegenteil ist der Fall: Es wird immer mehr.“

Runder Tisch Handwerk gewünscht

Die Kreishandwerkerschaft westlicher Bodensee (KHW) wünsche sich daher eine Veränderung auf politischer Ebene, besonders in der Bundespolitik. „Wir brauchen dort Menschen, die von der Basis kommen“, fordert Sven Schreijäck, Geschäftsführer der KHW. Auch auf kommunaler Ebene müsse sich etwas ändern. Gewünscht sei ein Runder Tisch Handwerk, in dem Handwerker die Möglichkeit haben, mit Politikern ins Gespräch zu kommen und ihre Anliegen zu äußern.

Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz.
Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz. | Bild: Yury Kharlamov

Und Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, sagt: „Weniger Dokumentationspflichten und Regelungen, dafür mehr Zeit für die anfallende Arbeit im Handwerk wünschen sich unserer Handwerksunternehmen genauso wie eine Entlastung bei Steuern und Abgaben. Nur so erhalten Betriebe auch wieder mehr Spielraum für notwendige Zukunftsinvestitionen.“

Trotz Problemen Spaß am Beruf

Was trotz der Probleme deutlich wird: Egal welcher Betrieb, die Handwerker brennen für ihren Beruf. Bernd Buhl etwa sagt: „Es macht einfach Spaß. Es wird nie langweilig.“ Das findet auch Marilena Mangili: „Ich bin bereits seit 41 Jahren im Beruf und ich liebe es immer noch.“