An der seit Jahresanfang provisorisch neu geregelten Kreuzung beim Reichenauer Bahnhof leben Radfahrer gefährlich. „Grundsätzlich ist klar, dass man dort etwas machen muss“, betont Bürgermeister Wolfgang Zoll. Und das fordern auch die engagierten Radfahrer Frank Fischenich, Martin Hummel und Norbert Wannenmacher vom Konstanzer Aktionsbündnis Ciclo.
Die für den Umbau zuständige Neubauleitung Singen sowie die Straßenverkehrsbehörde und die Polizei sehen dies zwar ebenso. Deren Planung zur Umgestaltung, verbunden mit einer Unterordnung des Radverkehrs, widerspricht aber komplett dem, was Gemeinde und Radfahrer vorschlagen.
Die Planung:
Der Radverkehr soll an der Kreuzung die Vorfahrt verlieren, erklärt Valentin Wind von der Neubauleitung. „Die rote Furt kommt weg. Die Radfahrer werden zukünftig 5,90 Meter weit abgerückt von dem Knotenpunkt die Kindlebildstraße queren und sind nicht mehr vorfahrtsberechtigt.“
Die Furt werde entsprechend verbreitert. Um Radfahrer so zu führen, würden die dort aufgestellten niedrigen weißen Leitelemente entsprechend umgestellt. Zusätzlich sollen Tempo-30-Schilder den Auto- und Lastwagen-Verkehr im Kreuzungsbereich verlangsamen. Die von der Gemeinde gemachten Vorschläge halte man nicht für sicher.
Das sagt die Gemeinde:
Der Bürgermeister und einige Räte haben sich die Situation vor Ort angeschaut. Es gebe dort sehr viele Radfahrer, sagt der Bürgermeister. „Als fahrradfreundliche Gemeinde beziehungsweise Region halten wir es daher für notwendig, dass der Fahrradverkehr auch weiterhin im Vorrang geführt wird.
Eine Unterordnung der Fahrradfahrer führt aus Sicht der Gemeinde nicht zu einer Erhöhung der Sicherheit, sondern verstärkt das unkontrollierte Befahren sowie Kreuzen der Fahrbahn im Kreuzungsbereich.“ Um dies zu vermeiden, schlägt die Gemeinde vor, den Radverkehr im Kurvenbereich zu entzerren. Hierfür sollten ab dem Ortseingang Lindenbühl die Radler aus Richtung Waldsiedlung über die GVS auf einen zusätzlichen Weg südlich der Straße geführt werden, und die Radler Richtung Konstanz dann südlich der Bahnlinie die Straße erneut queren.
Die Behörden lehnen diese doppelte Querung aus Sicherheitsgründen ab, so Wind. Die Gemeinde schlägt vor, die rote Fahrradfurt mit Vorfahrt zu belassen, aber die Fußgängerfurt direkt daneben einzurichten, weil dies für abbiegende Autofahrer übersichtlicher sei. Dadurch könne auch die provisorische Mittelinsel verkleinert werden, was ein Vorteil für die Linienbusse wäre – diese hätten beim Abbiegen in die Kindlebildstraße wenig Spielraum. Und zur Planung, dass der Radverkehr keine Vorfahrt mehr haben soll, heißt es: „Wir sehen eine Trennung der Querungsstellen von Fußgängern und Radfahrer als notwendige Maßnahme, um die Sicherheit der Fußgänger gewährleisten zu können.“
Das sagen die Ciclo-Aktivisten:
Fischenich, Hummel und Wannemnacher vom Konstanzer Aktionsbündnis Ciclo stimmen der Stellungnahme der Gemeinde zu. Diese sei fachlich fundiert – im Gegensatz zu den Plänen der Behörden. „Der Radverkehr muss an dieser Stelle Vorrang haben“, betont Hummel, zumal hier sehr viel mehr Radfahrer als Autos unterwegs seien. Ebenso fordern die Radfahrer eine strikte Trennung von Radverkehr und Fußgängern und eine Verlegung des Radwegs auf die Südseite der Straße, zumindest im Kurvenbereich. Bei der nun vorliegenden Planung werde es auf Grund der vielen Radfahrer zu Staus am Übergang kommen, die Aufstellflächen wären dafür nicht ausreichend – schon gar nicht auf der Mittelinsel.
Für die Ciclo-Aktivisten beginnt das Problem bereits an der Stelle südlich der Bahnlinie, wo der Bodenseeradweg im spitzen Winkel auf den schmalen Fußweg trifft. Weil dieser bei weitem nicht den Breitenvorschriften der Straßenverkehrsordnung für einen gemeinsamen Fuß-/Radweg entspreche, sei er für Radler auch nicht benutzungspflichtig. Daher sollten Radfahrer bereits ab hier auf der Straße auf einer deutlich gekennzeichneten Furt mit Vorrang gegenüber Autos wie in einem Kreisel geführt werden. Wobei die Engstelle bei der Schranke südlich der Bahn zudem dringend entschärft werden müsste.
Die Straßenverkehrsbehörde meint:
„Der Radfahrer muss hier untergeordnet sein, da sich auf den Gleisen kein Rückstau durch untergeordnete Autos ergeben darf“, so der Michael Greineck, Leiter der Straßenverkehrsbehörde. „Der motorisierte Individualverkehr muss sowohl in Richtung Waldsiedlung als auch in Richtung Wollmatingen abfließen können“, meint er. „Sollten sich in der Hochsaison die Radfahrer bei der Querung untergeordnet aufstellen müssen, lässt sich das leider aus Sicherheitsgründen nicht vermeiden. Ein Vorrang entsteht nicht auf Kosten der Verkehrssicherheit – wir wollen den Radfahrer bestmöglich schützen.“
Zu dem Einwand, dass der Fußweg südlich der Bahnlinie nicht der Straßenverkehrsordnung (StVO) entspreche und daher für Radfahrer nicht benutzungspflichtig sei, erwidert Greineck: „Durch eine entsprechende StVO-konforme Beschilderung ist der Geh-/Radweg hier benutzungspflichtig.“ Von Richtlinien und Empfehlungen an Mindestbreiten könne im Einzelfall auch abgesehen werden.
„Laut Luftbild beträgt die Breite des gemeinsamen Geh- und Radweges 2,50 Meter. Das entspricht dem Mindestmaß für gemeinsame Geh-/Radwege.“ Greineck führt weiter aus: „Ausnahmsweise und nach sorgfältiger Überprüfung kann von den Mindestmaßen dann, wenn es aufgrund der örtlichen oder verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist, an kurzen Abschnitten wie kurzen Engstellen unter Wahrung der Verkehrssicherheit abgewichen werden.“
Der Ist-Zustand
Bisher gibt es bei der Kreuzung am Reichenauer Bahnhof im Kurvenbereich östlich und nördlich der neu abknickenden Vorfahrtsstraße (Gemeindeverbindungsstraße GVS Lindenbühl-Waldsiedlung) eine rote Fahrradfurt für beide Richtungen. Autofahrer, die in die Kindlebildstraße abbiegen wollen, müssen also auf den Radverkehr aus beiden Richtungen achten, wobei deren Sichtfelder zusätzlich durch andere Fahrzeuge behindert sein können.
Deshalb gab es schon öfter gefährliche Situationen, in denen Unfälle gerade noch vermieden werden konnten, berichtet Martin Hummel vom Aktionsbündnis Ciclo. Fußgänger haben keinen Vorrang. Für sie gibt es – abgerückt von der GVS – eine Mittelinsel. Das Ganze ist ein Provisorium. Für den endgültigen Umbau laufe noch das Planfeststellungsverfahren, erklärt Valentin Wind von der Neubauleitung Singen.
Daher ist auch noch nicht klar, wie im Detail der Umbau stattfindet, ob dann Radfahrer Vorfahrt haben werden. Klar ist aber, dass der Verkehr auf der GVS Vorfahrt haben wird. Zudem werden dann alle Busse auf einem Platz nördlich des Bahnhofs halten. Wann der Umbau erfolgt, könne er nicht sagen, so Wind.