So richtig geheuer ist die geplante Umwidmung der Kindlebildstraße von einer Landesstraße (L221) in eine Gemeindestraße den Gemeinderäten und dem Bürgermeister von Reichenau nicht. Daher lehnten sie die Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung erst einmal einstimmig ab. Zur Klärung offener Punkte hat Bürgermeister Wolfgang Zoll mittlerweile ein Schreiben an das zuständige Regierungspräsidium Freiburg (RP) verfasst. Eine Antwort beziehungsweise ein Gespräch steht noch aus.
Straße weist einige Schäden auf
Betroffen ist das 734 Meter lange Teilstück zwischen der Kindlebildbrücke und dem Ortsausgangsschild Richtung Konstanz. Die Landesstraßenverwaltung des Regierungspräsidiums gesteht im vorgelegten Vertragsentwurf ein, dass in einigen Abschnitten beim Straßenunterhalt Defizite bestehen. Dies betrifft sowohl die Fahrbahn als auch den Geh- und Radweg, in denen Netzrisse und Unebenheiten festgestellt wurden.
Da mit der Übergabe die Gemeinde Reichenau zum Baulastträger würde, müsste sie zukünftig die Instandhaltungskosten übernehmen. Als Ausgleich für die oben genannten und nicht beseitigten Schäden bietet das Land etwas mehr als 118.000 Euro an. Dieser Betrag erschien einigen Räten jedoch als nicht ausreichend. „Man weiß, wie wenig man damit machen kann. Die Straße ist schlecht gepflegt“, urteilte etwa Armin Okle (Freie Wähler). Und sein Fraktionskollege Johannes Deggelmann beschwerte sich: Mit dem genannten Betrag werde der Gemeinde „ein Ei gelegt“.
„Ich bin nicht einverstanden“, schlug Matthias Graf (CDU) in dieselbe Kerbe. „118.000 Euro sind nicht akzeptabel. Wir sollten ein Angebot einholen, damit man einen finanziellen Ansatz hat.“ Stefan Schmidt (Freie Wähler) äußerte seinen Unmut: „Der Unterhalt und der Streudienst kosten einen Haufen Geld. Das Land zieht sich aus der Verantwortung raus. Alles wird uns aufdiktiert. Mir stellt sich die Frage, wie wir damit klarkommen sollen.“
Gabriel Henkes (Freie Liste Natur) verwies auf die „problematische Situation an der Kreuzung“ beim Bahnhaltepunkt. Er befürchtete, dass bei der Neugestaltung Kosten auf die Gemeinde zukämen. „Solange die Kreuzung nicht fertig ist, übernehmen wir die Straße nicht“, forderte er. Ein Blick in die vom RP mitgelieferte Liste offenbart allerdings, dass im Bereich des Bahnhaltepunkts keine anteiligen Kosten für die Gemeinde erwartet werden. Unter Bemerkungen heißt es „wird vom Bund ausgebaut/saniert“.
Die Neubauleitung Singen hatte dem Kreistag einen Entwurf vorgelegt, der jedoch laut Zoll noch überarbeitet werden muss. Die Neugestaltung am Bahnhof Reichenau umfasst nicht nur die Straße, sondern auch den Vorplatz. Diese Maßnahme und die Herabstufung der L221 sind ein Ausgleich für den Neubau der B33, für den die Neubauleitung verantwortlich ist.
Einen abweichenden Standpunkt zu ihren Vorrednern vertrat Sandra Graßl-Caluk (SPD). „Das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll. In einem so schlechten Zustand ist die Straße nicht. Der Kanal ist in Ordnung. Da werden uns viele andere Straßen um die Ohren fliegen“, sagte sie drastisch. Allerdings sollte es gelingen, den Lastwagenverkehr von dort wegzubekommen.
„Vor 30 Jahren war die Straße up to date“, betonte Graßl-Caluk. Heute könne sie den stark zugenommenen Verkehr nicht mehr aufnehmen. „Sie bringt das nicht. Sie kann diese Menge nicht abfangen. Als ich vor zehn Jahren hergezogen bin, fuhren durchschnittlich weniger als 2000 Autos am Tag, heute sind es über 4500“, berichtete sie. Lastwagen würden, ohne zu bremsen, auf den Gehweg ausweichen und Kinder gefährden. „Die Straße ist gefährlich“, sagte sie nachdrücklich.
Schwerlastverkehr bereitet Sorgen
„Der Verkehr wird sich nicht ändern, das zeichnet sich ab“, lautete die Einschätzung des Bürgermeisters. Durch die laufenden Baustellen wird es nach Meinung von Armin Okle demnächst auch viel Schwerverkehr geben. „Wir müssen das in die Waagschale werfen“, verlangte er.
Ähnlich äußerte sich auch Bürgermeister Zoll. „Ist das der richtige Zeitpunkt, die Straße zu übernehmen?“, fragte er. Auch Berndt Wagner (CDU) sah „viele Unwägbarkeiten“. Eine Beschränkung beispielsweise auf 7,5 Tonnen könnte zukünftig den Schwerlastverkehr heraushalten, schlug er vor.
118.000 Euro sind auch Sophie Haselberger (Freie Liste Natur) zu wenig. „Dafür haben wir aber eine fette B33 bekommen. Der Vorteil ist, wenn sie eine Gemeindeverbindungsstraße ist, dann kann man sie sperren.“ Johannes Deggelmann dachte an das „Problem Brücke“. Die sei allerdings der Bundesstraße zugeordnet, erläuterte der Bürgermeister – Reichenau bleibt also unbehelligt.
Ralf Blum (CDU) kam kurz auf die Vergangenheit zu sprechen: „Da haben wir nicht aufgepasst beim Planfeststellungsverfahren. Die Straße hat den Charakter einer klassischen Kreis- oder Landesstraße. Sie führt an der Gemeinde vorbei.“ Armin Okle wollte noch den Grund der Zurückstufung wissen. Mit der Fertigstellung der B33 ist diese Straße laut Wolfgang Zoll nur noch eine Verbindung zwischen den Gemeinden. „Damit das Land nicht Straßen doppelt unterhält“, erläuterte er.
Bleibt nur noch eine unbeantwortete Grundsatzfrage: Wie kann eine Straße, über die Tausende Autos täglich fahren, zu einer Gemeindestraße herabgestuft werden? So konnte etwa die Kreisstraße zwischen Dettingen und Dingelsdorf erst der Stadt Konstanz übergeben werden, nachdem eine Zählung ergab, dass diese von weniger als 1000 Autos täglich benutzt wurde.