Die Radfahraktivisten Frank Fischenich, Martin Hummel und Norbert Wannenmacher sehen den neuen Planentwurf der Neubauleitung Singen für den Kreuzungsbereich beim Bahnhof Reichenau kritisch. Hier gebe es noch Konfliktpotenzial und Verbesserungsbedarf.
Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema, früher im Aktionsbündnis Ciclo, heute unter dem Namen „Die drei freien Radikalen“. Und sie haben auch schon selbst Pläne gemacht und der Neubauleitung und dem Regierungspräsidium Freiburg sowie Planern geschickt.
Immerhin, so stellt Hummel zufrieden fest, sei jetzt die Verlegung des Radwegs an der Gemeindeverbindungsstraße (GVS) von der Nord- auf die Südseite vorgesehen. Das hatte er schon vor drei Jahren in seiner Planung vorgeschlagen. „Von dieser Verlegung profitieren die Radfahrer“, so Hummel.
Doch sie sehen immer noch eine Bevorzugung des motorisierten Verkehrs und eine fehlende Trennung von Radlern und Fußgängern. „Die schwachen Verkehrsteilnehmer werden gegeneinander ausgespielt“, meint Fischenich. Hummel formuliert es salopp: „Das ist ein Kuddelmuddel ohne Ende.“
- Die Planung: Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass der Radweg an der GVS zwischen Lindenbühl und Waldsiedlung, der als Teil des Bodenseeradwegs gilt, von der Nord- auf die Südseite verlegt werden soll. Der große Vorteil davon ist, dass Radler weniger Straßen queren müssten. Von Konstanz Richtung Waldsiedlung und Allensbach gibt es dann laut Neubauleitung zwei Möglichkeiten zur Querung der Kindlebildstraße: direkt südlich des Bahnübergangs oder mit einem Umweg weiter südlich auf Höhe des Solar-Unternehmens im Gewerbegebiet Göldern, dann aber sicherer mit Querungshilfe.
Der Radverkehr zwischen Waldsiedlung, Lindenbühl und Wollmatingen muss allerdings die Kreuzung überqueren. Eine weitere Querungshilfe ist an der GVS etwas abgerückt von der Kreuzung vorgesehen. Die enge Stelle beim Bahnübergang östlich der Straße müssen sich weiterhin Radler und Fußgänger teilen. Im Autoverkehr ändert sich nichts an der bestehenden Vorfahrtsregel. Für den Busverkehr ist eine zentrale Haltestelle für alle Linien auf dem Park-and-Ride-Platz vorgesehen. Fußgänger zwischen Bahnhof und Lindenbühl/ZfP sollen abgerückt von der Kreuzung östlich der Lindenallee über die Straße bei einer Querungshilfe.
- Radweg an der Bahnlinie: Zunächst einmal sei das kein Radweg, betont Martin Hummel, sondern laut dem runden blauen Verkehrszeichen ein kombinierter Fuß-/Radweg. Radfahrer sollten dort eigentlich Rücksicht nehmen auf Fußgänger. Die Aktivisten halten es aber für dringend nötig, dass zumindest entlang des Bahnsteigs Radler und Fußgänger getrennt werden. Hummel meint, der Weg könnte hierzu verbreitert werden, wenn man die nördlichste Reihe der Stellplätze auf dem P&R-Platz etwas nach Süden verschiebe. Ersatzparkplätze könnte man nördlich des Bahnhofs Reichenau anlegen, erklärt Frank Fischenich.
- Radlerquerungen: Die Querungshilfe auf Höhe des Solar-Betriebs sei weltfremd, meint Hummel. „Den Umweg fährt kein Radfahrer.“ Zumindest keiner, der zwischen Konstanz und Allensbach unterwegs ist. Und das sei der größere Teil, meint Fischenich: „Der Berufsverkehr geht von Konstanz Richtung Allensbach.“ Er fahre dort selbst seit vielen Jahren mit dem Rad zur Arbeit nach Singen. Bei der geplanten Querung direkt südlich des Bahnübergangs brauche es zudem eine farbliche Markierung auf der Straße und eine Ampel, damit Autofahrer ein Stück vor dem Bahnübergang halten, bevor die Schranke runter geht. Besser noch eine Bedarfsampel wie beim Bahnhaltepunkt Wollmatingen/Riedstraße.
- Weg auf Bahnübergang: Auch wenn auf dem Weg über den Bahnübergang künftig nicht mehr die Radfahrer Richtung Allensbach fahren müssen, sei dieser viel zu schmal für Radfahrer und Fußgänger in beide Richtungen, meint Fischenich. Zumal, so fügt Hummel an, dort voraussichtlich noch deutlich mehr Fußgänger unterwegs sein dürften, wenn es die zentrale Bushaltestelle auf dem P&R-Platz gibt. Die scharfe Ecke südlich des Bahnübergangs soll laut Planentwurf zwar etwas gerundet werden, doch das sollte noch mehr entschärft werden und der Radius vergrößert, meint Fischenich.
- Nördlich des Bahnhofs: Die für Fußgänger gedachte Querungshilfe westlich der Lindenallee müsste breiter sein, meint Hummel, damit dort auch Radler queren könnten. Oder es bräuchte eine separate Querungshilfe für Radfahrer, zum Beispiel dort, wo sie beim jetzigen Provisorium ist.
- Radstreifen: Für Radler, die zwischen Wollmatingen, Lindenbühl/ZfP und Waldsiedlung unterwegs sind, brauche es Radfahrstreifen auf der Straße – als Kompromiss, wenn schon kein Radweg möglich sei, so Fischenich. Nötig wäre ein solcher Streifen an der Nordseite der Kindlebildstraße zumindest im Bereich Lindenbühl und an der Nordseite der GVS bis zur geplanten Querungshilfe auf den neuen südlichen Radweg.
- So geht es weiter: Die Neubauleitung Singen wird nun auf Basis der Vorzugsvariante eine sogenannte Entwurfsplanung für den Kreuzungsbereich beim Bahnhof Reichenau erarbeiten, so das Regierungspräsidium (RP) Freiburg, zu der die Neubauleitung gehört. Damit wolle man dann im Jahr 2024 in das Verfahren zur Planfeststellung gehen, um Baurecht zu erlangen. In diesem Verfahren können Behörden, Verbände und unmittelbar betroffene Bürger oder Betriebe Stellungnahmen zum Planentwurf abgeben.
Die RP-Pressestelle erklärt: „Einwendungen kann jeder erheben, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden. Interessen Dritter oder der Allgemeinheit können nicht geltend gemacht werden.“ Der grobe Zeitplan sieht vor, dass die Planfeststellung im Jahr 2025 abgeschlossen werden kann, so das RP. Baubeginn könnte dann 2026 und Fertigstellung 2027 sein. Zur Erinnerung: Das jetzige Provisorium gibt es seit Ende 2019. Die Baukosten, die der Bund trägt, schätzt das RP auf rund 2,75 Millionen Euro.