Das geplante Neubaugebiet Lindenbühl-West auf dem Reichenauer Festland, südlich des Zentrums für Psychiatrie, ist die letzte große Entwicklungsfläche für Wohnbebauung in der Gemeinde. Und entsprechend sorgt es anhaltend für Diskussionen. Bei der Vorstellung des Siegerentwurfs des städtebaulichen Wettbewerbs im Gemeinderat betonte daher Bürgermeister Wolfgang Zoll: „Dieser Entwurf ist nur die Ausgangslage für den Bebauungsplan.“ Und das Gebiet solle in mehreren Abschnitten über einen längeren Zeitraum realisiert werden.

Wobei sich auch hierüber die Gemüter erhitzen. 15 Jahre hatte der Bürgermeister in die Vorlage geschrieben – und das nach Einwänden von Bürgern und Räten wieder gestrichen. Es sollen eher 20 bis 30 Jahre sein, bis auf den 8,1 Hektar vielleicht einmal bis zu 1000 Menschen leben können.

Das ist der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs fürs Reichenauer Naubaugebiet Lindenbühl-West. Rechts am Rand ist die ...
Das ist der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs fürs Reichenauer Naubaugebiet Lindenbühl-West. Rechts am Rand ist die bisherige Bebauung zu sehen, oben Gebäude des ZfP. | Bild: Zoch, Thomas

Doch der Bürgermeister betonte auch angesichts der Kritik an einer angeblich zu massiven Bebauung einmal mehr, es gehe darum, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Je 30 Prozent des Gebiets sollen sozialer Wohnungsbau und geförderter Wohnungsbau sein. Für Zoll ist daher klar: „Um Geschosswohnungsbau kommt man nicht herum.“ Und er erinnerte an die üppigen Diskussionen im Gemeinderat. „Wir haben intensiv gerungen.“ Der Wettbewerbssiegerentwurf des Stuttgarter Stadtplaner-Büros Wick und Partner in Verbindung mit dem Grünplaner Stefan Fromm wurde von einem Fachpreisgericht ausgewählt.

In einer üppigen Bürgerfragestunde, die angesichts der Corona-Pandemie völlig deplatziert anmutete, durften einige Bürger vor der Vorstellung ihren Unmut über den ihrer Meinung nach schlechten Entwurf äußern. Kritik gab es unter anderem daran, dass elf Gebäude mit je fünf Geschossen im Entwurf stehen.

Auch Wohnformen für Senioren sollen möglich sein

Karl Haag, Geschäftsführer des Siegerbüros, meinte: „Da sind mir ein paar Begriffe entgegen geschleudert worden, da könnte man in ein Wortgefecht eintreten.“ Aber: „Wir wollen Spannung rausnehmen.“ Und auch er betonte: „Es ist immer so, dass der Siegerentwurf nicht das letzte Wort ist. Wir stehen am Anfang eines Prozesses.“ Es gehe nun darum, all die Anregungen und Wünsche aufzunehmen.

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An den Grundprinzipien des Siegerentwurfs dürfte sich dabei aber wohl nichts ändern. Ein wichtiger Baustein sei die Anordnung der Wohngebäude in Höfe, so Haag. „In jedem Hof ist jede Bauform möglich. Es ist ein flexibles System.“ Das soll soziale Durchmischung ermöglichen und anonymes Wohnen verhindern. In jedem Hof gebe es Raum für Nachbarschaften. Dabei könnten natürlich auch Wohnformen für Senioren entstehen, konterte er die Kritik einer Bürgerin.

Eine weitere Grundidee sind Parkscheunen, damit Autos nicht an der Straße parken. In solchen Scheunen müssten auch nicht nur ständig Autos stehen, sondern es könnten dort auch mal Feste sein, so Haag. Und später könne man sie bei Bedarf in Wohnraum umwandeln – anders als Tiefgaragen, die zudem teurer wären.

Park-Scheunen statt Tiefgaragen

Insgesamt soll das Neubaugebiet weitgehend verkehrsfrei sein mit einer Erschließungs- und sonst nur Anwohnerstraße, mit vielfach nutzbaren Freiräumen, Grünflächen sowie einem Quartiersplatz, bei dem es eine Kita und Geschäfte geben könnte. „Man kann über alles diskutieren“, betonte Haag.

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Aus allen Fraktionen kam Kritik an einer fünfgeschossigen Bebauung und an einem Umsetzungszeitraum von nur 15 Jahren. Freie Wähler und SPD meinten, dass dort Wohnraum für etwas weniger Menschen geschaffen werden sollte. Britta Sauer-Böhm (FW) monierte, dass nur Reihen-, aber keine Doppelhäuser im Entwurf stünden. Es dürften dort zudem keine Zweitwohnungen als Investitionsobjekte entstehen. Und es müsse schneller gehen.

Gabriel Henkes (Freie Liste Natur) meinte zwar, er stehe zu einer verdichteten Bebauung, doch er sehe „Streichpotenzial“. Er forderte zudem eine klare Bedarfsanalyse des Wohnraums und eine Berechnung der Finanzierung.

Einige Räte fordern Prüfung, wie viel Wohnraum wirklich gebraucht werde

Ähnlich äußerte sich Armin Okle (FW). Während der erste Abschnitt umgesetzt werde, komme zwar schon Geld rein zur Refinanzierung, aber eine Bedarfsanalyse müsse zeigen, was wirklich gebraucht werde. Matthias Graf (CDU) meinte dagegen: „Auf der Reichenau ist der Bedarf da. Wir haben auf der Insel wenig Möglichkeit zu bauen.“ Und es gehe darum, das Abwandern junger Reichenauer zu verhindern.

Ralf Blum (CDU) schloss sich zudem der Meinung eines Bürgers an, dass es eben auch Reichenauer gebe, die sich kein eigenes Häuschen leisten können, sondern schlicht eine Wohnung suchen. „Ich denke, wir sind auf einem guten Weg mit diesem Entwurf.“

Investoren, die nur Geld verdienen wollen, will die Gemeinde nicht. Braucht es also eine eigene Wohnbaugesellschaft, eine Genossenschaft, ein Erbbaurecht? Bürgermeister Zoll meinte, um all das zu klären, brauche es eine extern erstellte Machbarkeitsstudie. „Wir brauchen eine Richtschnur.“ Der Gemeinderat sieht dies ebenso.