Rielasingen-Worblingen Sehr zur Freude des Ortshistorikers Ottokar Graf fanden sich am Sonntag mindestens 60 bis 70 Personen in der St.-Nikolaus-Kirche in Worblingen zur Führung durch die Geschichte der Gemeinde auf zwei Etagen ein. Zwei Etagen, weil der Ort bis heute in Unterdorf und Oberdorf geteilt ist.

Zu den Anfängen gab Ottokar Graf einen historischen Überblick: In den Jahren 905 bis 911 wurde der Ort, der wie viele Flecken typischerweise an einem Fluss mit Land für Ackerbau und Viehzucht rings herum lag und auch mit einem kleinen Berg, der den Weinanbau möglich machte, ursprünglich erwähnt. Aus den ungefähr zehn Holzhütten habe sich mit der Zeit ein Dorf mit vielen Höfen entwickelt, und seit es durch eine Schenkung zum Kloster Reichenau gehörte, gab es dort, wo heute noch das Schloss steht, einen Kehlhof, der zur Versorgung des Klosters nötig war. Sogenannte ritterliche Dienstmannfamilien übten damals die Herrschaftsrechte aus: So gab es die Familien von Stein, von Dankertsweil, von Klingenberg und die von Liebenfels, welche auch durch mehrere Stiftungen als Wohltäter der Gemeinde bekannt wurden.

Das Altdorf Worblingen befand sich also rund um die Kirche, einschließlich des ehemaligen Gasthauses Rössle und des Schlosses. Von 1603 bis 1910 gab es auch eine jüdische Siedlung in Worblingen, an die heute noch der 1850 errichtete jüdische Friedhof erinnert, der bis dato vom örtlichen Bauhof instand gehalten wird. Die Synagoge stand, wo sich heute der Parkplatz neben dem Gasthaus Akropolis befindet. „Die damalige Bevölkerung pflegte ein tolerantes und wertschätzendes Zusammenleben der verschiedenen Religionen und es ist überliefert, dass sie sich gegenseitig bei der Vorbereitung der jeweiligen religiösen Feste geholfen haben“, berichtet Graf. Der Judenhass des Nazi-Regimes ist nicht bis Worblingen gelangt, weil sich die jüdische Gemeinde im Ort aus unterschiedlichen Gründen bereits 1910 aufgelöst hatte.

Das erste Haus im Oberdorf war das damalige Gasthaus Sonne oberhalb vom alten Sportplatz, das sogar eigenen Hopfenanbau und auch eine eigene Brauerei besaß.

Weitere Wohnbebauung entstand in den Jahren 1910 bis 1930 aufgrund der Arbeitsplätze, die der aufstrebende Industriestandort Singen mit seinen drei Großindustrien Maggi, Georg Fischer und Aluminium bot. Die Worblinger und Worblingerinnen waren es leid, immer den weiten Weg vom Unterdorf nach Singen zur Arbeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf sich zu nehmen und bauten deshalb ihre Häuser so nah wie möglich an Singener Gemarkung. Durch Zuzüge der Kriegsflüchtlinge aus dem Osten wurde das Oberdorf rasch bebaut, was aber leider zur Folge hatte, dass Worblingen bis heute keinen eigentlichen Ortskern hat. Daher komme die Entwicklung, die zu den zwei Etagen im Dorf geführt habe.