„Die Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft“ – dieses Sprichwort trifft den Kern eines erschütternden Falls, der derzeit vor dem Konstanzer Landgericht verhandelt wird. Im Mittelpunkt steht hierbei ein 62-jähriger Mann aus Singen, dessen Misstrauen gegenüber seiner Ehefrau und seiner Nachbarschaft in blindem Hass und Gewalt endete. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe wiegen dabei schwer: versuchter Mord, schwere Körperverletzung und ein Verstoß gegen das Waffengesetz werden ihm zur Last gelegt.

Laut Anklageschrift war es ein 22-jähriger Nachbar, auf den sich der Hass des Angeklagten zunächst richtete. Der Beschuldigte soll geglaubt haben, dass seine Ehefrau entweder mit dem 22-jährigen Nachbarn, oder einem anderen, rund 60-Jährigen, eine Affäre habe. Ein Verdacht, der sich offenbar allein auf eigene Beobachtungen stützte. Denn der Angeklagte selbst erklärte, dass er sich zuvor mehrfach von dem jungen Mann und einem weiteren Anwohner beobachtet gefühlt habe.

Weiter will er zumindest einen der beiden dabei erwischt haben, wie er sich nachts aus der gemeinsamen Wohnung mit seiner Ehefrau schlich. Zwar könne er nicht genau sagen, welcher der beiden Männer es gewesen sei, doch seinen Aussagen zufolge habe er Indizien wie beispielsweise Spermaspuren in der gemeinsamen Küche und Bad feststellen können. Eine „60:40-Chance“, wer der angebliche Liebhaber sei, sei neben seiner eigenen Spurensicherung das Einzige, was der Angeklagte als Grundlage für seine Vorwürfe zu bieten hatte, erklärte er.

Schüsse in Singener Innenhof

Der erste von zwei Anklagepunkten ereignete sich dann im Sommer des vergangenen Jahres, im Innenhof des Wohnkomplexes. Dort habe der 62-Jährige dem Jüngeren aufgelauert, ihn zunächst beschuldigt und dann mit einer Schreckschusspistole mehrmals auf ihn geschossen. Der Angeklagte behauptete, zuvor mit einem Regenschirm angegriffen worden zu sein und sich lediglich verteidigt zu haben.

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Der Geschädigte erlitt durch die Schüsse mehrere Prellungen. Er selbst konnte aber am ersten Verhandlungstag nicht angehört werden. Denn laut Richter Arno Hornstein sei die Ladung vermutlich nicht korrekt zugestellt worden, da der junge Mann mittlerweile in einem anderen Bundesland lebe. Weiter sei man aber bemüht, den 22-jährigen Mann bei den folgenden Verhandlungstagen noch anzuhören, so Hornstein. Das forderten auch die beiden Verteidiger, Toralf Duve und Jens Jansen, denn für sie sei es ebenfalls wichtig, den Geschädigten zu befragen, so die beiden Rechtsanwälte.

Gefährliche Auseinandersetzung im Schnee

Ein halbes Jahr später eskalierte die Lage erneut. Diesmal mit dem älteren Nachbarn und deutlich schwereren Verletzungen. Laut Anklage habe der Beschuldigte dem älteren Anwohner während eines heftigen Schneetreibens auf offener Straße aufgelauert und ihn mit Pfefferspray sowie mehreren Messerstichen attackiert. Während eines Gerangels auf der schneebedeckten Straße habe das Opfer der schwerste Stich in der Dammregion getroffen – wohl ein gezielter Angriff, der laut Staatsanwaltschaft die Zeugungsfähigkeit des Mannes zerstören oder gar sein Leben beenden sollte.

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Auch diesmal versuchte der Angeklagte, der kurze Zeit nach der Tat in Untersuchungshaft musste, vor Gericht den Angriff erneut als Notwehr abzutun. Der Nachbar habe ihn lautstark provoziert, sogar ein Verhältnis zu seiner Frau eingeräumt und prompt zugeschlagen. Daraufhin habe er das Messer nur genutzt, um sich zu „befreien“. Denn als ehemaliger „Freiheitskämpfer“ im Ausland wisse er schließlich, wo man „ungefährlich sticht“, sagte er dem Gericht. Eine Aussage, die bei vielen Beteiligten im Gerichtssaal für ein Stirnrunzeln sorgte.

Der Geschädigte präsentierte jedoch eine ganz andere Version des Tathergangs: Er sei nur am späten Abend unterwegs gewesen, um sich etwas zu essen zu holen, als der Angeklagte plötzlich mit Messer und Pfefferspray hinter einem Parkautomaten hervorgestürmt sei. Ohne Vorwarnung habe dieser die Worte „Jetzt hab ich dich!“ gerufen und sofort angegriffen.

Widersprüchliche Aussagen und ein offenes Ende

Richter Hornstein stellte im Anschluss klare Nachfragen, die die Widersprüche weiter offenlegten. Der Geschädigte bestätigte dabei, weder die Ehefrau noch den anderen Nachbarn persönlich zu kennen. Ebenso bezweifele er, dass der junge Nachbar ein Verhältnis mit der Frau des Angeklagten geführt habe. Die ganze Geschichte wirke auf ihn wie eine „Fantasie“, sagte er. Ob es sich tatsächlich um krankhafte Eifersucht, Wahn oder eine Mischung aus beidem handelt, wie ein Arzt nach einer Behandlung des Angeklagten im ZfP Reichenau vermutet hatte, bleibt zunächst offen.

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Mit diesen Aussagen endete dann der erste von insgesamt drei Verhandlungstagen. Für die Fortsetzung kündigte das Gericht an, unter anderem die ermittelnden Polizeibeamten sowie eine Amtsärztin zu hören. Besonders ihre Einschätzungen zur Schwere der Verletzungen könnten entscheidend sein, um die Gefährlichkeit der Taten rechtlich einzuordnen. Der Prozess wird am Mittwoch, 18. Juni, fortgesetzt. Das Urteil wird allerdings erst am 9. Juli 2025 erwartet.