Ihr Buch „Die Welt hat mich vergessen“ handelt von Ihrem schwierigen Start ins Leben, da Sie im Irak als Kurde Teil der Minderheit waren. Was hat Sie dazu bewegt, ein Buch über diese Erlebnisse zu schreiben?
Mir ist es ein großes Bedürfnis, meinem Heimatland eine Stimme zu geben. Bis zum heutigen Tag werden die Kurden gejagt, ausgebeutet, getötet und letztlich vergessen. Mein Buch ist eine Zeitzeugengeschichte gegen das Vergessen.
Warum haben Sie sich damals dafür entschieden, nach Deutschland zu flüchten und nicht in ein anderes Land?
Eigentlich wollte ich gar nicht nach Deutschland, denn mein Traum war die Flucht in ein englischsprachiges Land. Nach Deutschland wollte damals eigentlich keiner, weil man immer wieder von Übergriffen auf Ausländer hörte und die deutsche Sprache sehr schwer zu erlernen ist. Mein erster Fluchtversuch nach Schweden ging aber schief, beim zweiten Anlauf setzte man mich in ein Flugzeug nach Deutschland.
Wann haben Sie die Entscheidung gefasst, ihr Heimatland zu verlassen?
Bereits während meiner Studienzeit hatte ich immer wieder den Wunsch das Land zu verlassen. Als Kurde hatte ich einfach keine Chance im Irak. Ich war einer der besten Absolventen in der Universität, scheiterte jedoch immer wieder aufgrund der Tatsache, dass ich ein ungläubiger und nicht-regimetreuer Kurde war. Ich hatte im Irak einfach keine Chance ein guter Neurochirurg zu werden!
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie Ihr Heimatland verlassen haben?
Ich habe mein Ziel, die Neurochirurgie, nie aus den Augen verloren. Bis zum heutigen Tag habe ich aber oft ein sehr schlechtes Gewissen, dass es mir heute so gut geht und meinen Lieben in Kurdistan nicht. Ich tröste mich oft damit, dass ich von hier aus besser helfen kann. Das tue ich auch.
Sie haben Ihr Studium der Medizin im Irak in Mosul beendet. War es schwierig, mit diesem Abschluss in Deutschland als Neurochirurg Fuß zu fassen?
Ich hatte in Deutschland vor allem mit der Bürokratie und so manchem Beamten die größten Schwierigkeiten, der Rest war durch Fleiß erlernbar. Die deutsche Sprache lernte ich innerhalb der ersten acht Wochen. Ich musste erneut eine Prüfung für Mediziner ablegen. Erst im Anschluss daran konnte ich 1994 meine Facharztweiterbildung zum Neurochirurgen in Aachen beginnen. 1997 habe ich in Deutschland promoviert. Im Jahre 2000 wurde ich Facharzt für Neurochirurgie, 2001 Facharzt für neurochirurgische Intensivmedizin und 2002 Facharzt für Schmerztherapie.
In Ihrer Biografie steht, Sie sprechen sieben Sprachen. Wie und warum haben Sie so viele Sprachen erlernt?
Das Meiste hat sich so ergeben, wie beispielsweise Indisch. Früher habe ich im Kino Bollywood-Filme gesehen und irgendwann keine Lust mehr gehabt, den englischen Untertitel zu lesen. Arabisch war die Sprache des Feindes. Wer kein Arabisch sprechen konnte, bezahlte dafür auf der Straße gerne mal mit seinem Leben, weshalb ich es lieber lernte. Die anderen Sprachen bereiten mir einfach Freude.
Das Buch widmen Sie Ihren Eltern, die Ihnen trotz der schwierigen Lage die beste Schulbildung ermöglichten. Sind Ihre Eltern Ihnen nach Deutschland gefolgt?
Meine Mutter ist leider viel zu früh gestorben, damals lebte ich noch im Irak. Mein Papa kam mich mehrmals besuchen, lebt aber bis heute im irakischen Kurdistan. Er war immer für mich da.
Wo sehen Sie die Parallelen aus Ihrer Vergangenheit zur heutigen Flüchtlingssituation und dem stark diskutierten Thema des Familiennachzugs?
Mein Buch bleibt aktuell für die Welt. Die Parallelen zu meinem Buch sehe ich im Nordirak nach dem Einmarsch der irakischen Armee in die Stadt Kirkuk. Das war nach dem Referendum Mitte Oktober 2017. Jetzt der Einmarsch der Türkei in Afrin. Deutschland hat bis Februar Waffen an die Türkei geliefert. Die Welt hat uns wieder vergessen. Bis der IS besiegt wurde, waren wir die besten Freunde des Westens. Niemand interessiert sich für die Kurden. Der Familiennachzug für Flüchtlinge ist meiner Meinung nach ein Grundrecht für jeden, der ein Bleiberecht in Deutschland genießt. Dazu gehört jedoch eine Integration in den Rechtsstaat und ein Verhaltenskodex gemäß dem Grundgesetz der BRD.
Fragen: Marla Hanenberg
Zur Person
Aram Bani wurde 1963 in Sulaimania als Kurde im Irak geboren. Von seiner Geburt an erlebte er das Leben der Kurden als fremdbestimmt und seine eigene Entwicklung von außen gelenkt. Er studierte Medizin als einer der besten Studenten, wurde aber immer wieder ausgebremst, weil er Kurde ist. Für sein Ziel, Neurochirurg zu werden, flüchtete er 1992 nach Deutschland. Heute lebt er mit seiner Familie in Singen, hat seinen Traum, Neurochirurg zu werden, verwirklicht, und betreibt eine eigene Praxis. In seinem Buch erzählt er von seinem schweren Start ins neue Leben und will dafür sorgen, dass Kurden als Minderheit im Irak nicht weiterhin vergessen werden. Sein 326 Seiten langes Buch ist seit September bestellbar (Aram Bani: "Die Welt hat mich vergessen", 23,90 Euro). (mha)