Seit über zwei Jahren erlebt die Innenstadt von Singen einen beispiellosen Umbau. Das neue Einkaufszentrum Cano wächst langsam aus dem Boden. Der Bahnhofsvorplatz nimmt Gestalt an. Der Herz-Jesu-Platz funktioniert schon wieder als Marktplatz. Auf dem Kunsthallenareal entstehen über 80 Wohnungen. In der Alemannenstraße wird gebaut, ebenso in der Zelglestraße. Es herrscht Aufbruchstimmung. Und doch mehrt sich die Kritik an den vielen Baustellen. Ist die Geduld der Bürger aufgebraucht? Ist die Baustellendichte eine Zumutung?

Fast fertig: Zwar ist eine Fahrbahn in der Ekkehardstraße vor dem Herz-Jesu-Platz immer noch gesperrt, aber der Gehweg nimmt schon ...
Fast fertig: Zwar ist eine Fahrbahn in der Ekkehardstraße vor dem Herz-Jesu-Platz immer noch gesperrt, aber der Gehweg nimmt schon Gestalt an. | Bild: Gtr

Tatsache ist, dass der Zugang zur Kernstadt für Autofahrer deutlich erschwert ist. Am besten eignet sich das Fahrrad für eine Erkundungstour. Mehrfach ist die Verbindung von Norden zum Bahnhof gekappt. In der Erzberger Straße und in der Alpenstraße entstehen Kreisverkehre, die jeweils das Ende des Bahnhofsplatzes markieren sollen. Die Thurgauer Straße bleibt im Bereich des Cano für Autos geschlossen. Derzeit ist sie aber auch zwischen dem Kunsthallenareal und der Lutherkirche für Autos gesperrt. Von der August-Ruf-Straße gibt es nur einen provisorischen Fußweg zum Bahnhof. In den Baustellenbereichen bestimmen weiß-rote Abschrankungen das Bild.

Verspätungen der Stadtbusse

Umwege und Staus führen bei den Stadtbussen teilweise zu Verspätungen, was vor allem dann ärgerlich ist, wenn die Fahrgäste einen ...
Umwege und Staus führen bei den Stadtbussen teilweise zu Verspätungen, was vor allem dann ärgerlich ist, wenn die Fahrgäste einen Anschlusszug verpassen. Bild: Gudrun Trautmann | Bild: Gtr

Singener kommen über Schleichwege zum Ziel. Aber Fremde sprechen von Chaos. Da hilft auch Bruno Baubär, das Baustellenmaskottchen nicht. Wer seinen Anschlusszug verpasst, weil der Bus verspätet zum Bahnhof kommt, der ist genervt. Das hatte zuletzt auch Silke Stockbrand (SÖL) kritisiert. Eberhard Röhm (Grüne) hat das auch beobachtet: „Staus in der Haupt- und in der Rielasinger Straße und Umwege führen zu Verspätungen der Stadtbusse“, sagt er. „Ich hatte mir das sogar noch schlimmer vorgestellt.“ Dass deshalb mehr Singener aufs Fahrrad umsteigen, bezweifelt Röhm allerdings.

Muss das jetzt auch noch sein? Das fragen viele Singener. Vor dem C & C Netzhammer Großmarkt ist die Straße Pfaffenhäule für Autofahrer ...
Muss das jetzt auch noch sein? Das fragen viele Singener. Vor dem C & C Netzhammer Großmarkt ist die Straße Pfaffenhäule für Autofahrer gesperrt. Nur ein schmaler Durchgang erlaubt Fußgängern und Radfahrern die Passage. | Bild: Gtr

Kirsten Brößke (FDP) kritisiert das Verhalten einiger Autofahrer. „Was manche sich erlaubten, ist einfach nur dreist“, sagt sie. Da werde unbefangen mit dem Auto durch die Fußgängerzonen gefahren. „Wir wussten, dass es zu Behinderungen kommen würde“, sagt die Stadträtin. Das rechtfertige aber nicht die Regelverstöße. Es fehle an Kontrollen. Dass im Zuge des großen Umbaus mehr und mehr oberirdische Parkplätze verschwinden, sieht sie als Problem. „Mein Wunsch ist das nicht“, sagt sie. Die Großbaustellen sieht sie dagegen mit Gelassenheit. „Das ist vorübergehend. Wenn nichts gebaut wird, haben wir Stillstand. Also müssen wir es aushalten.“

Kritik an Koordination

Franz Hirschle (CDU) begrüßt die Stadtentwicklung: „Ich freue mich über die Bautätigkeit in Singen.“ Er habe aber auch Verständnis für Auswärtige, die sich in der Stadt nicht mehr zurechtfinden und dann Termine verpassen. Zusätzliche Baustellen in Nebenstraßen, die man hätte verschieben können, müsse man jedoch dringend vermeiden. Es sei kein Wunder, wenn die Verkehrssituation in Singen als Chaos wahrgenommen werde. „Unsere strategischen Baustellen wie die Kreisel und der Bahnhofsplatz müssen schnell fertig werden“, sagt er. „Der Verkehr muss fließen.“ Da könnten die Koordination und Kommunikation besser sein.

Aus Osten ist der Bahnhof in der Einbahnstraßenregelung erreichbar. Wer auf die Bahnhofsparkplätze fahren möchte, der muss sich vor den ...
Aus Osten ist der Bahnhof in der Einbahnstraßenregelung erreichbar. Wer auf die Bahnhofsparkplätze fahren möchte, der muss sich vor den Abschreckungen scharf links halten. | Bild: Gtr

Das sieht Regina Brütsch (SPD) genauso. „Wir haben neben den Großbaustellen zu viele kleine. Manche davon hätte man verschieben können.“ Außerdem fordert sie eine bessere Information. Da reiche der Baustellenhinweis auf der städtischen Internetseite nicht aus. Doch im Straßenbauamt werde an der Kapazitätsgrenze gearbeitet.

Auch hier geht‘s nicht zum Bahnhof. Am Ende der Alpenstraße entsteht ein zweiter Kreisverkehr. Autofahrer müssen nun durch die ...
Auch hier geht‘s nicht zum Bahnhof. Am Ende der Alpenstraße entsteht ein zweiter Kreisverkehr. Autofahrer müssen nun durch die Hegaustraße schleichen. | Bild: Gtr

Der große Umbau

Um nicht von anderen Städten abgehängt zu werden, hat sich Singen zum Umbau der Innenstadt entschlossen. Nach jahrelanger Diskussion und einem Bürgerentscheid wurde dem Bau des ECE-Einkaufszentrums Cano mit einer Verkaufsfläche von 16 000 Quadratmetern zugestimmt. In dem Zusammenhang konnte die Stadt ein Grundstück an ECE verkaufen. Mit dem Erlös wird der Bahnhofsplatz neu gebaut. Beides soll im Herbst 2020 fertig werden. Parallel zu diesen Großbaustellen wurde der Herz-Jesu-Platz erneuert. Außerdem entstehen in der Innenstadt zahlreiche neue Wohnungen.