Kommt das Thema Blues ins Spiel, kann man zwei sehr unterschiedliche Seiten von Carlo Schultheiss beobachten. Zum einen ist da der Intellektuelle. Der Akademiker. Mit lässig überkreuzten Beinen und einem höflichen Lächeln auf den Lippen erklärt der Gymnasiallehrer die Spielarten des Blues bis ins kleinste Detail. Der 58-Jährige weiß, in welcher Tonart, welches Instrument, auf welchem Album gestimmt ist. Wahrscheinlich könnte er sogar die Tanten und Onkel des jeweiligen Produzenten beim Namen nennen.
Aber genau wie eine Blues-Platte hat auch der Sänger, Keyboarder und Mundharmonika-Spieler von Blossbluez zwei Seiten. Die andere kommt zum Vorschein, sobald sich ein Stück aus seiner erlesenen LP-Sammlung auf dem Plattenteller zu kreiseln beginnt: Jetzt schließt der Singener die Augen und ballt die Faust. Wie ein Mississippi-Raddampfer wiegt er sich im stampfenden Takt der Musik. Ja, Carlo Schultheiss spielt nicht nur in einer Blues-Band, er hat den Blues – und auf einmal gar keine Lust mehr, sich hinzusetzen. Viel lieber singt und nickt er mit und lacht dabei sein ansteckendes Lachen.
Spätestens jetzt wird deutlich, was Schultheiss zuvor erklärt hat: "Der Blues ist eigentlich eine unintellektuelle Musik." Stattdessen geht es um Gefühl. "Trauer und Protest", so beschreibt der 58-Jährige die Dynamik der Musik, die ihn seit seiner frühen Jugend begleitet. Ein Beispiel, das ihm direkt in den Sinn kommt: Der "Vietnam Blues". In diesem Lied von Junior Wells berichtet der Ich-Erzähler von seinem Bruder, der irgendwo in der Wildnis von Vietnam gegen die Kommunisten kämpfen muss. "Das wird mit der Harp – der Blues-Mundharmonika – unterstrichen", erklärt Carlo Schultheiss. "Dafür braucht Junior Wells nur fünf oder sechs Töne – aber das reicht. Damit ist alles gesagt." Diese Aufnahme, die Schultheiss zum ersten Mal als Teenager hörte, inspiriert ihn bis heute.
Inzwischen ist der 58-Jährige selbst ein versierter Blues-Musiker. Schultheiss singt und spielt die Hammond-Orgel. Und auch das "Mississippi-Saxophone", wie Afroamerikaner die Mundharmonika nennen, hat sich der Singener autodidaktisch beigebracht. Seine Mitmusiker in der Band Blossbluez sind nicht minder talentiert. Für ihr Konzert am Samstag, 14. April, im Kulturzentrum Gems reisen die Hobby- und Berufs-Blueser aus Markdorf, Überlingen, Freiburg und Emmendingen an.
Ein Bandmitglied hat aber noch einen deutlich weiteren Anreiseweg zu bewältigen: Sidney "Guitar Crusher" Selby – der Gitarrenzerstörer – ist ein echter Star der Blues-Szene. Seine mittlerweile 86 Jahre merkt man dem amerikanischen Sänger, der mittlerweile in Berlin wohnt, nicht an. "Seine Wucht und sein Timing sind erstaunlich", zeigt sich Carlo Schultheiss beeindruckt. Bereits im vergangenen November trafen der "Crusher" und Blossbluez aufeinander. Beim gemeinsamen Auftritt in der Färbe nahm man ein Live-Album auf, das im Anschluss an das Konzert in der Gems zum Verkauf angeboten wird.
Vorher will die Band es aber ganz und gar unintellektuell krachen lassen. Sicher wird Carlo Schultheiss dabei sein schönstes Blues-Gesicht zeigen.
Zur Band
Die Band Blossbluez wurde bereits im Jahre 1980 von sechs jungen Musikern gegründet, die dem Blues wieder mehr Gehör verschaffen wollten. Die Band löste sich nach einiger Zeit auf und die Musiker gingen ihren eigenen Wege. Im Jahre 2004 dann die Wiedervereinigung von fast allen Bandmitgliedern, welche zur Auferstehung der Gruppe führte. Mit 20 Jahren zusätzlicher Erfahrung und neuen Mitgliedern startete man wieder durch: Heutige Mitglieder der Band sind: Martin Aichele, Carlo Schultheiss, Klaus Dindorf, Michael Zolg, Werner Englert, Tom Wagener und Sebastian Lorenz. (mha)