Fabio Bleise und Albert Bittlingmaier

Hamsterkäufe in Discountern, Mundschutz-Masken vergriffen und verängstigte Kunden von Reisebüros – das Coronavirus erfasst auch den Hegau, wenngleich es glücklicherweise in unserer Region noch keinen Fall der tückischen Erkrankung gibt. Inzwischen sind aber Infizierte in Göppingen, Tübingen und Rottweil bekannt. Dennoch rüsten sich die Menschen in Singen mit Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln für den Ernstfall. Und auch das Krankenhaus befindet sich in Habacht-Stellung.

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„Im Moment keine Atemschutzmasken vorrätig“ – ein großes Schild macht gleich im Eingangsbereich der Singener Central-Apotheke darauf aufmerksam, dass der Absatz an Schutzmasken in den vergangenen Wochen immens war. „Momentan bestehen immense Liefer-Engpässe. Wir können frühestens wieder in zwei bis drei Wochen mit neuen Masken rechnen“, erklärt Geschäftsführer Johannes Danassis. Auch die Desinfektionsmittel gingen zu Neige, sodass die Apotheke deren Verkauf auf handelsübliche Mengen gedrosselt habe.

Flughafenpersonal mit Mundschutz und Schutzkleidung misst bei einer aus Mailand kommenden Passagierin am Flughafen Debrecen, Ungarn die ...
Flughafenpersonal mit Mundschutz und Schutzkleidung misst bei einer aus Mailand kommenden Passagierin am Flughafen Debrecen, Ungarn die Temperatur. | Bild: Zsolt Czegledi/dpa

„So einen Hype habe ich noch nie erlebt“, so der erstaunte Geschäftsführer. „Selbst in Singen sind mir schon einige Menschen mit Schutzmasken entgegengekommen.“ Er selbst könne die Aufregung nicht verstehen, vergleicht das Ausmaß mit der Schweinegrippe oder dem Sars-Virus. „Ich habe keine Angst vor einer Epidemie, da ich vollstes Vertrauen in unser Gesundheitssystem habe“, sagt Danassis.

Apotheker rät zu Händewaschen

In seiner Apotheke verteilt er nachfragenden Kunden einen Handzettel des Landratsamtes, auf dem die wichtigsten Informationen rund um das Virus und den Krankheitsverlauf zu finden sind – Auskünfte über Symptome, das ideale Verhalten im Verdachtsfall, sowie wichtige Hygienetipps. Dannasis rät seinen Kunden, mehrmals täglich gründlich die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. „So lange man nicht in Kontakt mit Infizierten tritt, reicht das völlig aus.“ Von billigen Atemschutzmasken hält er nicht viel. „Nur wenn die Masken einen FFP3-Filter haben und richtig sitzen, erzielen sie einen gewissen Schutzeffekt“, erläutert der Apotheker. Die Abkürzung steht dabei für „filtering face piece“ und ist die höchste Filterstärke solche Masken.

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Auch anderen Singener Apothekern geht es nicht anders. Denn in der Sauter- und der Hohentwiel-Apotheke dasselbe Bild: Atemschutzmasken – Fehlanzeige. Schlichtweg zu hoch war die Nachfrage in den letzten Wochen. Wer sich in Einkaufsmärkten in Singen oder andernorts im Hegau umsieht, bemerkt unweigerlich, dass dort, wo normalerweise Konservedosen stehen, die Regale kurzzeitig leer werden. Das bestätigen Betreiber von Läden, wie Discountern.

Hygiene besonders wichtig

Gut auf mögliche Corona-Fälle vorbereitet fühlt sich indes der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN), dem auch die Singener Klinik angehört. „Es besteht enger Kontakt zu den zuständigen Behörden“, sagt Pressesprecherin Andrea Jagode. Neben dem neuartigen Coronavirus gebe es aber auch viele andere Infektionskrankheiten. So habe man beispielsweise aus Ebola viel gelernt und daraufhin weiter entwickelt, so die Krankenhaussprecherin. Besonders die Hygiene im Krankenhaus sei in diesem Zusammenhang wichtig. „Seit Ende Januar gibt es deshalb Hygienepläne und Erregerinformationen für das Personal auf einer internen Webseite“, erläutert Jagode.

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Die rund 1000 Betten, die im gesamten GLKN zur Verfügung stehen, könnten im Bedarfsfall zu Isolierzimmern umgewandelt werden, erklärt Jagode. Wenn es darum geht, die Epidemie einzudämmen, stehe sie einer kompletten Abriegelung einer Stadt dagegen eher skeptisch entgegen. „Stattdessen heißt es jetzt abwarten, aufmerksam und in Habacht-Stellung sein.“

Italien-Fahrt abgesagt

Das Corona-Virus beschäftigt auch die Reise-Branche. „Momentan müssen wir Überstunden machen, weil viele Leute wegen der Epidemie sehr verunsichert sind“, erklärt Alexander Growe, der zusammen mit seiner Frau Alexandra ein Reisebüro in Gottmadingen betreibt. „Es gibt nach wie vor etliche Kunden, die gerade Fernreisen, wie nach Kuba, Manila oder Dubai, buchen. Vor allem ältere Leute fragen aber kritisch nach, wenn sie beispielsweise eine Mallorca-Reise geordert haben. Manche rufen auch aus ihrem Urlaub an, weil sie zum Beispiel um den Ausfall von Anschluss-Verbindungen bangen“, schildert Growe. „Und eine Wellness-Reise nach Nord-Italien sagten wir auch in Rücksprache mit dem dort ansässigen Hotel ab, da fast alle überwiegend älteren Menschen starke Bedenken geäußert hatten und von der Reise zurücktreten wollten“, so Growe.

Sorgen werden ernst genommen

„Wir nehmen die Sorgen und Ängste unserer Kunden sehr ernst und sprechen mit ihnen auch darüber. Die derzeitige Situation sorgt für einen wirtschaftlichen Schaden unseres Unternehmens. Bis zum Rosenmontag gab es noch kaum Beeinträchtigungen. Seither ist aber das Coronavirus ein großes, aufregendes Thema“, sagt der Reise-Unternehmer. Die Branche sei ohnehin etwas gebeutelt, wie durch den Konkurs des großen Reise-Veranstalters Thomas Cook. „Wir denken langfristig und wollen unsere treue Kunden halten, indem wir auch mal von einer Reiseroute abraten.“

Auch Geschäftsleute verunsichert

Niemand wisse, wie lange das Coronavirus noch grassiere. Aus zeitlichen Erfahrungswerten bei ähnlichen Fällen hege er die Hoffnung, dass an Hauptreisezeiten, wie in den Pfingst- oder Sommerferien, das Geschäft wieder wie üblich gut laufe. Auch geschäftliche Kunden stornierten Flüge, wie nach China, oder seien verunsichert, ob manche größere Messe auch stattfinden.