Viele Anrufe ohne Verbindung, Buchungsversuche im Internet, die ins Leere laufen – wie Gudrun Heinzelmann aus Gottmadingen geht es in diesen Tagen vielen Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren, wenn sie versuchen, einen Termin für die Corona-Impfung im Singener Kreisimpfzentrum (KIZ) zu ergattern. Das nimmt am Freitag, 15. Januar, zwar seinen Betrieb auf, doch viele der Senioren, die zur ersten Impfgruppe gehören, sind von der Terminvergabe über die Kassenärztliche Vereinigung frustriert. So wie Heinzelmann, die den Termin für ihren Ehemann vereinbaren wollte: „Das war schon eine negative Erfahrung.“
Gleich Anfang Januar habe sie versucht, den Termin telefonisch unter der Nummer 116117 auszumachen. Bis zu einem Mitarbeiter, mit dem man hätte sprechen können, sei sie nie vorgedrungen. Daher habe sie es parallel auch im Internet versucht, mit dem sie keine Berührungsängste habe. Doch bei ihren Buchungsversuchen für einen Impftermin habe sie das KIZ in Singen nicht aufrufen können – die verfügbaren Termine waren rasch vergeben.

Geklappt hat es mit einem Termin für ihren Mann also erst einmal nicht, doch Heinzelmann will sich nicht entmutigen lassen. Die Impfung ist ihr und ihrem Mann wichtig, sie hofft, dass es in der nächsten Runde im Februar klappt – und dass die Pandemie sich durch die Impfung eindämmen lässt. Und in ihren Augen hat es die Menschen verunsichert, dass es kein zentrales Anschreiben an die Impfberechtigten im ganzen Bundesland gab.
Stadt Singen hat 3800 Menschen angeschrieben
Stattdessen sind die Kommunen nun mit Informations- und Hilfsangeboten eingesprungen. In Singen ist man stolz darauf, eine Vorreiterrolle eingenommen zu haben. „Wir haben 3800 Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren angeschrieben“, sagt Gabriele Glocker vom Seniorenbüro der Stadt. Die Briefe seien in den ersten Januartagen verschickt worden. Die Idee dahinter sei gewesen: „Es kann nicht sein, dass man die Leute damit allein lässt.“ Es sei unzumutbar, stundenlang in einer Warteschleife zu hängen.
Von genau diesen langen Wartezeiten bei der zentralen Telefonnummer würden viele Menschen erzählen, die sich im Seniorenbüro melden, weil sie Hilfe bei der Terminvereinbarung möchten. Mehr als 500 Anrufe habe allein sie als eine von drei Mitarbeiterinnen bekommen, sagt Glocker, die Menschen seien sehr impfwillig. Doch die Kunst sei dann, diejenigen zu finden, die wirklich Hilfe benötigen, weil sie beispielsweise keine Angehörigen haben, die die Terminvereinbarung übernehmen könnten. Für etwa 70 Menschen wolle das Seniorenbüro nun aktiv Termine ausmachen, sobald dies wieder möglich ist.

Dabei sei es die besondere Herausforderung, die wirklich hilflosen Senioren zu finden, lautet die Einschätzung von Claus Friberg, Vorsitzender des Singener Stadtseniorenrats. Denn wer sich von sich aus melde, um den müsse man sich schon weniger Sorgen machen. An sein Gremium hätten sich etwa 30 Menschen mit Fragen zur Terminvergabe gewandt, so seine Schätzung – denn das Büro des Stadtseniorenrats sei geschlossen, schließlich gehören alle Ehrenamtlichen selbst zur Risikogruppe. Den Beschwerden über die Terminvergabe gebe er ein Stückweit recht, so Friberg, doch er sagt auch: „Es wird jede Woche besser laufen.“ Und er gibt zu bedenken: Normalerweise rede man immer über die fitten Senioren, nun würden Senioren plötzlich als hilflos dargestellt. „Die Wahrheit liegt in der Mitte“, so Friberg.
Die Erfahrungen ähneln sich in der ganzen Region
Auch in den anderen Gemeinden der Region weiß man ein Lied vom Thema Impftermine zu singen: „Es herrscht große Unsicherheit, die Leute wissen nicht, was sie machen sollen“, sagt Ulrika Hirt, Seniorenbeauftragte der Stadt Engen. Sie hat Verständnis für die Politik in dieser Situation, aber eines kritisiert sie doch: „Die Regierung gibt Infos raus, die gar nicht umgesetzt werden können, weil die Gesundheitsämter überlastet sind.“ Aber sie möchte auch beruhigen, die Impfung verzögere sich, aber jeder komme dran. Wie viele andere Gemeinden hat auch die Engener Verwaltung an die über 80-Jährigen Informationen über den Ablauf der Impfung verschickt und zur Unterstützung ein Helferteam gebildet.

In Gottmadingen übernimmt der Seniorenrat die Anmeldung und auch die Anfahrt zum Impfzentrum. Vorsitzender Walter Benz hat schon erste Anrufe von Hilfesuchenden bekommen, die unter der Nummer 116117 in Hamburg oder Freiburg gelandet sind. Es sei illusorisch, alle über 80-Jährigen bis Ende Januar zu impfen. Das sei Augenwischerei, denn mit 150 Impfungen pro Tag könne man die Anzahl der Senioren gar nicht abarbeiten. Benz meint: „Wenn wir Glück haben, kommen die Über-80-Jährigen Ende Februar dran, es liegt am fehlenden Impfstoff.“
„Die Impf-Bereitschaft ist da, aber es fehlt an Möglichkeiten“, sagt Helmut Fluck aus Mühlhausen-Ehingen. Er hätte unter 116117 einen Termin in einem Impfzentrum bei Karlsruhe bekommen können. Den sagte er nicht zu, denn es wären 200 Kilometer hin und 200 wieder zurück gewesen. Auch Roswitha Willauer vom Seniorenarbeitskreis Mühlhausen-Ehingen und aktives Mitglied im Kreisseniorenrat will sich impfen lassen. Aber es sei nicht die durchgängige Meinung: „Viele der Senioren über 80 sind unsicher und fragen nach den Nebenwirkungen. Für sie wurden die Impfstoffe zu kurz getestet.“
Auch im Seniorenrat Hilzingen kommen Anfragen zur Anmeldung in einem Impfzentrum. „Aber die Meinungen sind gespalten, das hängt von der jeweiligen körperlichen Situation ab“, weiß Vorsitzender Manfred Hirner. Er selbst ist 82 Jahre alt, fit und gesund und wird sich gegen Corona impfen lassen.