Was haben Bohlinger Sichelhenke, Hilzinger Kirchweih, das Herbstfest in Mühlhausen-Ehingen, der Schätzele-Markt in Tengen, das Hausherrenfest in Radolfzell, das Stadtfest in Singen und das Stadtfest Schweizer Feiertag in Stockach – die Liste ließe sich endlos fortsetzen – gemeinsam? All diese Feste ziehen regelmäßig tausende Besucher an. Und keines dieser Feste könnte im gewohnten Umfang stattfinden, wenn es keine Vereine gäbe, die dafür anpacken. Die Gemeinden haben zwar meist selbst eine tragende Rolle. Doch die vielen, vielen ehrenamtlichen Hände sind notwendig, um einen Anlass zum Leben zu erwecken.
Und nicht nur das, zahlreiche Aufgaben, die wichtig fürs Gemeinwesen sind, werden von Vereinen gestemmt – Stichworte Integration, Musikausbildung und Sporttraining, nicht zu vergessen freiwillige Feuerwehren oder Helfer bei Rettungsorganisationen.
Als Beispiel kann der Schätzele-Markt in Tengen dienen, der am letzten Wochenende im Oktober stattfindet und nun erst ein paar Tage her ist. Er gilt als größtes Volksfest der Region, etwa 100.000 Besucher kommen dazu in das Randenstädtchen Tengen. Zum Vergleich: Die gesamte Gemeinde hat etwa 4700 Einwohner. Da ist die Organisation des Volksfestes, mit dem traditionell die herbstliche Festsaison im Hegau endet, ein Kraftakt.
Ohne Stadtkapelle kein Festzelt
Ohne Vereine gäbe es beispielsweise das große Festzelt nicht, sagt Andrea Kroschk, die mit Claudius Weber das Vorstandsteam der Tengener Stadtkapelle bildet. Das Festzelt, in dem am Wochenende zum Beispiel 2000 Menschen der Rede des CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Manuel Hagel zugehört haben, organisiere die Stadtkapelle allein. Der Verein mit 55 Mitgliedern habe dafür viele Helfer aus befreundeten Vereinen, erzählt Kroschk.
Zahlreiche andere Vereine präsentieren sich auf dem Markt mit Ständen, etwa der Narrenverein und die Frauenvereinigung, sagt sie. Präsent sind auch ehrenamtliche Organisationen, die entscheidende Aufgaben für das Gemeinwesen übernehmen, wie Rotes Kreuz und Feuerwehr. Die Aufzählung ist nicht vollständig. Um den Betrieb im Festzelt zu stemmen, brauche es 400 Schichten von Helfern an den vier Festtagen.
Viele Vereine und viele Ehrenamtliche
Nach dem Markt ist vor dem Markt, sagt Kroschk – und dann gibt es da noch Fasnacht, Sankt Martin, Volkstrauertag, Fronleichnam, Weißer Sonntag und andere gesellschaftliche Anlässe, bei denen die Stadtkapelle gefragt ist.
Ein Verein für lebendige Dorfgemeinschaft
Von denen kann auch Alfons Zipperer berichten: „Wir machen so ziemlich alles, wie viele andere Vereine auch“, sagt der Vorsitzende des Musikvereins Schlatt am Randen, einem Ortsteil von Hilzingen. In dem kleinen Ort mit etwa 500 Einwohnern kommt dem Verein eine tragende Rolle fürs gesellschaftliche Leben zu – nicht nur zu den öffentlichen Anlässen oder zum Scheunenfest im August, mit dem der Verein sich maßgeblich finanziert, wie Zipperer erklärt. Mit 35 aktiven Musikern und etwa 20 Kindern und Jugendlichen sei etwa ein Zehntel der Einwohner im Ort im Musikverein aktiv.

Doch ohne den Verein würden viele Kinder und Jugendliche keinen außerschulischen Musikunterricht bekommen. Musikalische Früherziehung für kleinere Kinder biete der Verein selbst mit Ehrenamtlichen an, auch am Instrument bilden teilweise eigene Ehrenamtliche den Nachwuchs aus, doch es gebe auch Unterstützung von Musikschulen. Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer sagt zum Thema: „Gerade Schlatt ist vorbildlich in dem, was die Vereine dort leisten. Es ist eine lebendige Dorfgemeinschaft mit einem sehr aktiven Vereinsleben.“
Narrengericht ist ganzjährig gefragt
Von vielen Aktivitäten über das ganze Jahr berichtet auch Jürgen Koterzyna, Narrenrichter aus Stockach und damit Chef des überregional bekannten Stockacher Narrengerichts. Ohne das ehrenamtliche Engagement gäbe es ein Spitzenereignis der schwäbisch-alemannischen Fasnacht nicht, nämlich die Verhandlung des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken, das jedes Jahr am Schmotzigen Dunschtig einen Landes- oder Bundespolitiker nach Stockach zitiert.

Doch die Marke Narrengericht soll auch unterm Jahr ein Anziehungspunkt sein, sagt der Narrenrichter. Etwa 700 Hästräger hätten das Narrengericht und seine Gliederungen – bei etwa 8500 Einwohnern in der Kernstadt. Die Ortsteile haben jeweils eigene Fasnachtszünfte.
Auch anderswo gehören Narrenzünfte zu den größten Vereinen am Ort und bringen damit Menschen zusammen, die sich sonst vielleicht nie getroffen hätten. Die Poppele in Singen haben laut Zunftmeister Stephan Glunk beispielsweise 1000 Mitglieder.
300 Kinder kicken in Radolfzell
Von sozialer und geradezu völkerverbindender Verantwortung kann auch Stefan Salzborn erzählen, Präsident des FC 03 Radolfzell. Mindestens 300 Kinder würden bei dem Verein kicken, sagt Salzborn. Völkerverbindend, darauf komme er, weil Menschen aus vielen verschiedenen Ländern bei dem Verein Fußball spielen. Dabei sei der FC Radolfzell durchaus leistungsorientiert und Kooperationsverein des SC Freiburg: „Das bringt uns enorme Strahlkraft, es kommen Leute aus dem ganzen Bodenseegebiet.“

Auch für den Fußballverein vom See spielt sich das Vereinsleben nicht nur auf dem Fußballplatz ab. Die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle sei die Präsenz beim Hausherrenfest. Den größten Teil der Arbeit dafür stemme der Event-Vorstand Norbert Maier mit seinem Helferteam, das den Namen Fanclub Süd trägt: „Ihnen können wir nicht genug danken“, sagt Salzborn. Hunderte Arbeitsstunden würden in das Fest fließen. Die Stadt organisiere das Fest zwar federführend, doch die Vereine würden es ausführen.
Vereine packen auch bei Integration an
Auch aus Helferkreisen für Flüchtlinge, die sich beim Zuzug von Flüchtlingen 2015 gebildet haben, sind inzwischen vielerorts Vereine geworden, zum Beispiel „Unser buntes Engen“. In Singen heißt dieser Verein Integration in Singen, abgekürzt Insi. Dessen Vorsitzender Bernhard Grunewald hebt hervor, dass sein Verein neben vielen anderen Aktivitäten Deutschkurse als Partner für die zertifizierten Bildungsträger anbiete, praktisch als Unterstützung: „Wir helfen, bei Deutschkursen die Durchfallquote zu verringern. Dann lohnt sich auch der Aufwand der Bildungsträger.“

Und einmal in der Woche biete Insi einen Bewerbungstreff für alle Zugewanderten an. Dort gebe es kostenlose Unterstützung bei Jobsuche und Bewerbungen. Die hauptberuflichen Integrationsmanager könnten das nicht leisten, so Grunewald. Allein dieser Blick in den Hegau, nach Radolfzell und in den Raum Stockach zeigt: An vielen Stellen würde etwas fehlen, wenn es keine Vereine gäbe.