Sie sind da, wenn es brennt: die Feuerwehren in Singen und dem Hegau. Ob Brände, Unfälle, Wasser- oder Höhenrettung – die Feuerwehr muss im Notfall stets einsatzbereit sein. Wie leistungsstark die Einsatzkräfte sind, haben sie zu Beginn der Woche beim Brand in der Robert-Gerwig-Schule gezeigte. Dort habe das schnelle und strukturierte Eingreifen der Feuerwehr Schlimmeres verhindert, wie Oberbürgermeister Bernd Häusler betonte. Aber Corona erschwert den Alltag der Feuerwehren in der Region erheblich. Wie besorgniserregend die aktuelle Corona-Situation für die Feuerwehren wirklich ist, rechnet der Hilzinger Kommandant Jean-Pierre Müller vor: In einem normalen Jahr habe ein Mitglied der Hilzinger Feuerwehr bis zu 35 Proben. Im ersten Corona-Jahr 2020 waren es gerade einmal eine Handvoll. Denn um das Infektionsrisiko zu minimieren, fallen wichtige Übungen größtenteils aus oder sind nur mit strikten Begrenzungen möglich.

2019 gab es 35 Proben. 2020 nur eine handvoll

Das hat ernsthafte Konsequenzen, wie Jean-Pierre Müller, sein Gottmadinger Pendant Stefan Kienzler und Kai Olbrich, stellvertretender Kommandant der Singener Feuerwehr, nun berichten. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER fordern sie: Es ist fünf vor Zwölf und die Feuerwehren in Singen und dem Hegau müssen wieder zurück zu einen geregelten Proben- und Übungsbetrieb. Auch Kreisbrandmeister Andreas Egger berichtet von einer Monate andauernden Krise für die Einsatzkräfte: „Die Situation stellt sich seit langen Monaten als eine große Herausforderung dar.“

Die Befürchtung: Die Ausbildung leidet und Anwärter könnten verloren gehen

Fortbildungen sind aktuell, wenn überhaupt, nur digital möglich. Die regelmäßigen Feuerwehrproben sind seit Monaten beinahe zum Erliegen gekommen oder nur in sehr begrenzter Teilnehmerzahl erlaubt. Die Arbeit in der Jugendwehrwehr ist ausgesetzt. „Corona hat uns fast komplett ausgebremst“, bedauert Jean-Pierre Müller. Er hege die Angst, dass durch Corona Anwärter verloren gehen. Auch die Ausbildung der angehenden Feuerwehrkräfte leide darunter. „Wenn wir nicht schnell wieder anfangen, unsere Feuerwehrleute zu schulen, und man uns nicht wieder üben lässt, laufen wir Gefahr, dass die Wehren irgendwann nicht mehr funktionieren, wenn man sie braucht“, so Müller. Auch sein Gottmadinger Kollege Stefan Kienzler macht deutlich, dass man wieder proben müsse. Er vergleicht dies mit Training im Sport. „Auch bei uns muss jeder Handgriff sitzen, wir müssen uns aufeinander verlassen können im Ernstfall und das geht nur mit fortlaufendem Training“, betont er.

Noch sind die Feuerwehren einsatzfähig. Aber es kommt ein mulmiges Gefühl auf

Viele Einsatzkräfte hätten sich individuell fit gehalten. Sorgen um die Leistungsfähigkeit mache sich Jean-Pierre Müller aber aktuell noch keine: „Wir haben bei keinem Einsatz gemerkt, dass Corona ist.“ Auch Kai Olbrich gibt vorerst noch Entwarnung: „Es muss sich kein Bürger Sorgen machen, die Feuerwehren funktionieren. Aber man geht schon mit einem mulmigen Gefühl in so einen Einsatz, wenn man weiß, dass man seit fast einem Jahr nicht proben durfte.“

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Kai Olbrich gibt auch zu Bedenken: Zwar sei die Singener Feuerwehr noch gut im Training, „aber auch uns fehlt die Übungsroutine“. Er habe deshalb auch beim Einsatz an der Robert-Gerwig-Schule kleinere Defizite beim Einsatz ausfindig machen können. „Wir müssen schleunigst wieder zurück zu einem geregelten Probenbetrieb – mit einem Schnelltest davor“, so Olbrich. Denn Sicherheit stehe bei der Feuerwehr an erster Stelle – nicht nur bei den Einsätzen. „Das würde für mehr Feuerwehralltag sorgen. Unsere Proben müssen aber so sicher wie möglich sein“, sagt Olbrich.

Proben sind nach Ostern geplant – mit Schnelltest

Sowohl die Hilzinger als auch die Gottmadinger Feuerwehr wird nach Ostern den Übungsbetrieb wieder aufnehmen. In Singen proben die Spezialkräfte wie etwa die Maschinisten oder die Höhenrettungsgruppe bereits wieder seit Mitte März. In einem stillgelegten Werksbereich bei Takeda, wie Kai Olbrich berichtet. In Gottmadingen wird in Kleingruppen mit maximal zehn Personen und einem Schnelltest vor jedem Training geprobt. Dazu kommen FFP2-Masken und natürlich die gängigen Abstandsregeln. Auch Kreisbrandmeister Andreas Egger fordert in den kommenden Wochen die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebes. Er betont aber auch: „Hierbei sind die Hygienevorgaben einzuhalten, was in Sachen Abstand einhalten gerade bei den praktischen Ausbildungen eine Herausforderung darstellt.“ Für die theoretische Ausbildung gebe es die Möglichkeit der Online-Fortbildung. Diese werde inzwischen bei einigen Feuerwehren schon praktiziert.

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Auch Stefan Kienzler merkt an: „Ein Jahr lang konnte der Nachwuchs nichts machen, wir haben hier einen gefährlichen Rückstau.“ Gerade mit Blick auf den Nachwuchs ein besorgniserregender Umstand. Denn bevor ein Anwärter in den aktiven Feuerwehrdienst einsteigen darf, müsse er die 70 Stunden im Grundlehrgang absolvieren.

Kleingruppen sind erlaubt, aber extrem aufwändig

Zwar habe jede Feuerwehr versucht, diese Übungsstunden in den erlaubten Kleingruppen anzubieten, doch der Aufwand bei Planung und Durchführung ist immens. Und da wäre noch die Sache mit dem Zusammenhalt innerhalb der Wehr: „Im Zweifelsfall muss ich mich auf den anderen verlassen können, doch wenn nichts geht, wie soll eine Feuerwehr dann zusammenwachsen“, fragt er.

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Was komplett auf der Strecke bleibt: Die Kameradschaft

Besonders traurig seien die Einschränkungen für Jugendfeuerwehren. „Nahezu alle Aktivitäten fallen aus.“ Es gebe schon die Befürchtung, dass sich manche an den Zustand ohne Präsenz-Veranstaltungen gewöhnen und dann auch später nicht mehr kommen. Aber Kienzler macht auch deutlich, dass der eingeschlagene Weg mit Übungen unter Bedingungen nun gegangen werde müsse, um im Notfall einsatzfähig zu sein. Auch Hygienemaßnahmen seien wichtig. „Der Supergau wäre es, wenn in einer Feuerwehr der Virus ausbrechen würde. Eine ganze Feuerwehr in Quarantäne gilt es auf jeden Fall zu verhindern“, betont Kienzler.

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