Kurz geht es um die Kleidung, ganz kurz um die Fingernägel – aber auch nur mit der Feststellung, dass ein abgebrochener Nagel im Einsatz das geringste Problem ist. Ansonsten sind Vorurteile bei der Gottmadinger Feuerwehr ziemlich fehl am Platz. Das Klischee des Feuerwehrmanns ist hier schon vor einigen Jahren gebrochen worden.

Vor 17 Jahren war Monika Hunold die erste Frau in der Abteilung Bietingen. Bislang ist sie die einzige in der dortigen Abteilung, doch mit Blick auf den gesamten Ort hat sie inzwischen Gesellschaft bekommen. Heute sitzt sie mit acht anderen im Besprechungszimmer der Gottmadinger Wache. Ein Mann ist auch dabei: Stefan Kienzler erklärt als Kommandant, welche Unterschiede er bei Frauen macht und bemerkt. So viel sei verraten: Viele sind es nicht.

Hin und wieder merken die Gottmadinger Feuerwehrfrauen, dass sie in einer Männerdomäne unterwegs sind. Dann wenn es heißt: „Lass das mal die Jungs machen“, sagt Corinna Mehlich. Sie ist seit 2012 dabei, kam über ihren Vater zur Feuerwehr und hat das seitdem häufig gehört. Viele Männer würden das nicht einmal böse meinen. Sie würden Frauen erst einmal in Schutz nehmen und entlasten wollen – bis sie vielleicht merken, dass das gar nicht nötig ist.

Auch Franziska Hauser hatte anfangs mit Vorurteilen zu kämpfen, wie die Erzieherin sagt. Als Frau werde man oft unterschätzt – vielleicht auch, weil einige Feuerwehrmänner keine weibliche Unterstützung gewohnt sind. „Ich habe mich immer wohlgefühlt, musste mir aber meinen Platz erkämpfen.“

Ein Mann wollte überzeugt werden

Bei Monika Hunold war das anders, wie sie erzählt. Weil ihre gesamte Familie in der Feuerwehr aktiv war, wollte sie sich ebenfalls ehrenamtlich einbringen – auch wenn das 2003 ein Novum war und es keine andere Feuerwehrfrau im Ort gab. „Ich kannte eh alle und habe mich dadurch gleich wohl gefühlt“, sagt sie. Einen allerdings habe sie besonders überzeugen müssen: ihren Vater.

Denn der habe sich seine Tochter in Feuerwehr-Uniform anfangs nicht vorstellen können. Zu dieser Zeit war das auch in anderen Orten ein Thema: Anfang der 2000er-Jahre hatte eine Meinungsumfrage unter Engener Feuerwehrleuten für Aufsehen gesorgt. Eine Mehrheit wollte dort laut einer geheimen Meinungsabfrage keine Frauen aufnehmen.

„Frauen tun einer Feuerwehr gut“

Heute stehe das gar nicht mehr zur Debatte: „Wenn Frauen wollen, können sie kommen“, sagt Kommandant Stefan Kienzler. Nach Monika Hunold in Bietingen kam 2010 auch die erste Frau auf die Gottmadinger Wache. „Es tut einer Feuerwehr gut, wenn Frauen dabei sind“, sagt Kienzler. In der Regel könne man Frauen auch genauso gut einsetzen wie einen Mann: „Es kann jeder alle Ausbildungen machen.“

Nur in manchen Situationen merke man einen Unterschied: Wenn kleine Frauen nicht so leicht ein Werkzeug erreichen, das ganz oben im Wagen verstaut ist, oder wenn besonders schwere Geräte bewegt werden müssen. „Doch es gibt auch Männer, die schwächer und kleiner sind“, sagt der erfahrene Kommandant. In der Feuerwehr gebe es immer genügend zu tun, so dass man auf Schwächen auch eingehen könne: Ein Ehrenamtlicher mit Höhenangst müsse zum Beispiel nicht die Leiter erklimmen.

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„Man ist ja auch immer im Trupp“, ergänzt Monika Hunold, und es gebe immer eine helfende Hand. „Egal ob Mann oder Frau: Man muss nach Hilfe fragen können“, sagt Michèle Fröde. Da hätten Frauen sogar Vorteile, findet Olivia Götz: Schwächen seien beim vermeintlich schwachen Geschlecht nicht so stigmatisiert und würden als weniger schlimm empfunden.

Sie können ihre Stärken ausspielen

Die Motivation der Frauen, sich ehrenamtlich einzubringen, ist so unterschiedlich wie ihr Lebenslauf: Schülerin Laura Ilk war auf der Suche nach einem neuen Hobby, Olivia Götz wollte immer schon dabei sein und hat sich nun Kollegen angeschlossen, Michèle Fröde suchte ein Ehrenamt und Anschluss im Ort.

Einige der Frauen sind erst seit wenigen Wochen dabei und noch in der Ausbildung, die derzeit durch das Coronavirus ins Stocken gekommen ist. Andere sind schon seit Jahren im Einsatz und profitieren dabei auch von persönlichen Stärken: „Ich betreue oft die Verletzten, weil ich ganz gut auf sie eingehen kann“, sagt Franziska Hauser.

Zumindest ein Klischee scheint zuzutreffen

Außerdem gehe es bei der Feuerwehr auch nicht nur um Proben und Einsätze – laut Stefan Kienzler sind es normalerweise zwölf Proben pro Jahr und in ganz Gottmadingen gab es 2019 rund 70 Einsätze. Es gehe auch um ein soziales Miteinander: Beim Organisieren von Sitzungen oder Festen könnten Frauen häufig punkten. Manche Rollen-Vorstellungen haben dann scheinbar doch einen wahren Kern.

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Gemeinsam haben die Frauen zwischen 19 und 41 Jahren, dass sie nicht zimperlich sind. Getrennte Umkleiden gibt es in der Regel noch nicht, also ziehen sie sich gemeinsam mit den Männern um. Monika Hunold hat da überhaupt keine Bedenken, wie sie sagt, und für die Männer sei das auch in Ordnung.

Ein eigener kleiner Spindbereich

Zwischenzeitlich habe man die Spinde so umgestellt, dass die Feuerwehrfrauen einen eigenen kleinen Bereich haben, doch das sei gar nicht nötig. „Bei einem Einsatz hat auch etwas anderes Priorität, da zählt jede Minute“, sagt Michaela Hess.“

Auch in der Ausbildung, in den Proben oder im Einsatz würden sie keine Sonderbehandlung wollen. „Man muss wissen, was auf einen zukommen kann: Hier geht es um was, manchmal sogar um Leben und Tod“, fasst Olivia Götz zusammen. „Es ist nicht nur Hobby, sondern auch Verantwortung.“

Einen Ort gibt es noch, in dem die Feuerwehr eine Männerbastion ist: Im Teilort Ebringen gibt es aktuell keine Feuerwehrfrau und entsprechend auch keine Überlegungen, beispielsweise Umkleiden anzupassen. Doch Kommandant Stefan Kienzler versichert: „Wenn dort Frauen kommen, dann geht man das an.“ Grundsätzlich sei der Stadt das Thema Umkleiden bekannt – man sei dabei, etwas zu verändern: In Randegg würde während der Sommerferien umgebaut.

Einlagen in pink? Nein, danke

Andere Anpassungen lehnt der Kommandant ab: Erst neulich habe ihm eine Firma Schuhe und Handschuhe mit pinkfarbenen Einlagen empfohlen. „Genau das ist doch, was man eigentlich nicht will?“, findet der Kommandant.

Für die ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen ist es nicht so wichtig, dass auch andere Frauen auf der Wache sind: „Das sollte nicht ausschlaggebend sein“, sagt Christiane Brecht, die erst vor zwei Wochen dazu stieß und sich zuvor in Lübeck im Rettungsdienst engagierte. „Wie bei anderen Vereinen auch ist es wichtig, dass die allgemeine Stimmung passt“, ergänzt Michaela Hess. Dafür sei es dann aber auch wichtig, als Frau akzeptiert zu werden.

Michèle Fröde möchte aber grundsätzlich eine Lanze dafür brechen, dass Frauen sich einbringen: „Man sollte sich nicht von dem Gedanken abhalten lassen, dass etwas vermeintlich eine Männerdomäne ist.“

Eine Ausnahme im Hegau? Wie viele Frauen anderswo Feuer löschen

  • In Singen sind laut Kommandant Andreas Egger rund zehn Prozent der Feuerwehrleute weiblich: 26 Frauen sind mit 263 Männern im Einsatz. Bei der Jugendgruppe ist der Anteil höher, da sind es 31 Mädchen und 83 Jungs. „In der Jugendabteilung starteten damals auch die ersten Mädels“, erinnert sich Egger: Anfang der 90er-Jahre machten sie den Anfang. Wenige Jahre zuvor habe man das noch nicht haben wollen, doch seitdem wurden Frauen ein fester Bestandteil der Wehr: „Es ist normal geworden, Gott sei Dank.“ Die Zeit der Fragezeichen, ob eine Frau das gleiche kann und das gleiche darf wie ein Mann, sei vorbei: Ja, Frau kann und darf. Damit, dass Frauen und Männer sich in Singen gemeinsam umziehen müssen, habe niemand ein Problem. In der neuen Wache in Beuren sei eine Trennung zwar möglich, praktisch aber nicht gewollt. In Singen selbst sei eine Abtrennung im aktuellen Gebäude hingegen schwierig.
  • In Hilzingen gibt es aktuell nur eine Feuerwehrfrau: Jenny Müller ist als einzige Frau unter etwa 200 Wehrmännern von Hilzingen und den Ortsteilen. Doch das spielt für sie keine Rolle: „Das macht mir nichts aus. Ich finde es wichtig und es bereitet mir Freude, meinen ehrenamtlichen Beitrag bei den Rettern zu leisten“, erklärte sie neulich nach einem Wohnhaus-Brand in Hilzingen. „Das Feuerwehrwesen hat mir mein Vater schon in die Wiege gelegt.“ Jean-Pierre Müller ist der örtliche Kommandant.
  • In Rielasingen-Worblingen sind Frauen schon seit vielen Jahren aktiv: Vor zwei Jahren feierte Angelika Zimmermann ihr 40-jähriges Dienstjubiläum, erinnert sich Kommandant Viktor Neumann. Sie sei damals mit ihrer Schwester Maria Maroni-Knecht eingetreten. Häufig war die Jugendfeuerwehr ein Startpunkt für Mädels, die als junge Frauen dann in die Einsatzgruppe wechselten. Er selbst sei mit Feuerwehrfrauen aufgewachsen, sagt Neumann: „Bei uns ist das total normal.“ Inzwischen seien 11 von 85 Feuerwehrleuten weiblich. Alles andere wäre in seinen Augen auch nicht zeitgemäß: „Ich verstehe nicht, warum das im Jahr 2020 noch einen Unterschied machen soll. Wir freuen uns über jeden, der sich im Ehrenamt einbringt – ob Mann oder Frau.“