Der Start der Babyklappe in Singen war kein einfaches Vorhaben. Zahlreich waren die Kritiker, erinnern sich Hans Teschner und Rudolf Babeck. Viele hätten es als Makel angesehen, wenn Neugeborene zu Findelkindern werden und plädierten dafür, mehr werdenden Mütter im Vorfeld mehr Hilfe zukommen zu lassen. Vor allem die notwendige Anonymität der Mütter wurde als juristische Herausforderung betrachtet.

Doch schließlich erreichten Babeck und Teschner ihr Ziel: Am 20. April 2010 wurde die Babyklappe bei der damaligen DRK-Rettungswache an der Schaffhauser Straße in Betrieb genommen. 15 Jahre später erinnern sich die beiden sich an die Anfänge.

Ausweg für verzweifelte Eltern

Erst der traurige Fall im Hegau mit einem toten abgelegten Baby habe die Einrichtung beschleunigt. Im März 2009 war in Engen-Anselfingen bei einer Grillhütte ein Baby tot aufgefunden worden. Laut den damaligen Ermittlungen der Polizei war das Baby umgebracht worden, von der Mutter fehlte jede Spur. „Das hat eine Welle der Unterstützung erzeugt“, erinnert sich Rudolf Babeck an das schockierende Ereignis.

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Babeck hat 2006 als Geschäftsführer der Widmann GmbH mit seiner Tochter Heike Wagenblast den Verein „Widmann hilft Kindern“ gegründet, weil sie etwas gegen Kinderarmut tun wollten. 2010 richtete der Verein die Babyklappe ein. Sie befindet sich rechts neben dem Hegau-Klinikum in der Schaffhauserstraße 60 in der alten DRK-Wache. Es soll laut dem Verein einen letzten Ausweg für verzweifelte Mütter und Väter bieten und damit vielleicht Straftaten verhindern helfen.

Genutzt wurde das Angebot in den vergangenen 15 Jahren bereits neunmal – vier Mädchen und vier Jungen wurden in der Babyklappe abgelegt, zudem ein Kind, bei dem dem Verein kein Geschlecht gemeldet wurde.

Jedes gerettete Leben ist wichtig

Das Ablegen eines Babys in der Klappe nicht verboten und wird strafrechtlich nicht verfolgt. Die Kinder werden aber wohl nie erfahren dürfen, wer ihre leiblichen Eltern sind. Doch genau diese Anonymität könne Leben retten, denn die verzweifelten Mütter oder Väter können ihr Kind abgeben, ohne fürchten zu müssen, dafür belangt zu werden.

Nur über ein Baby hat der Verein, rein zufällig, Näheres erfahren: Es war ein Mädchen, das Bereitschaftspflegeeltern aufnahmen. Da per Zufall die leibliche Mutter ermittelt wurde, verzögerte sich eine Adoption lange. Dann aber konnte über die Adoptionsstelle Stuttgart ein Ehepaar gefunden und das damals schon einjährige Mädchen behutsam übergeben werden. Es wurde adoptiert. Das Kind hat sich bei den Eltern gut entwickelt und besucht heute das Gymnasium. Rudolf Babeck und Hans Teschner sind darüber sehr erfreut, bestätigt dieses Schicksal doch ihre Grundtheorie, dass jedes gerettete Leben wichtig ist.

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An zwei Besonderheiten erinnern sich die beiden Initiatoren aus den vergangenen 15 Jahren auch. Die eine ist ganz aktuell. „Beim Baby, das kürzlich abgegeben wurde, ist dieses gar nicht in die Klappe gelegt worden“, erzählt Rudolf Babeck: „Zwei Personen haben wohl die Klappe mal erst zum Testen auf- und sie dann aber auch wieder zugemacht.“ Dann aber könne die Klappe nicht wieder geöffnet werden, sondern bleibt verschlossen. „Zum Glück wurde beim Roten Kreuz geklingelt und dem verdutzten Kameraden beim Öffnen der Tür das Kind in den Arm gedrückt und der Ort fluchtartig verlassen“, berichtet der Vereins-Gründer.

Ein andermal habe eine Mutter anonym beim Verein Widmann hilft Kindern angerufen, erzählt Hans Teschner: „Sie hat uns darauf hingewiesen, dass ihr Baby unbedingt die Tabletten brauche, die sie ihm beigelegt hat.“

Ehrenamtliches Engagement macht die Einrichtung möglich

Teschner und Babeck betreuen die Klappe, überprüfen die elektronischen Verbindungen und wechseln immer wieder, nach Benutzung oder auch bei immer mal wieder vorkommenden Fehlalarmen, die Wäsche und das Material aus. „Dem Körbchen liegen ein Brief an die verzweifelte Mutter und ein paar handgehäkelte Babyschühchen bei.“ Wie es den Kindern geht und wohin sie vermittelt worden sind, das dürfe niemand erfahren. „Das Jugendamt bewahrt die absolute Anonymität und versichert uns nur, dass alle Kinder vermittelt wurden und es ihnen gut geht“, so Babeck.

Ende April will der Verein vor der Klappe einen kleinen Moment innehalten und gemeinsam an die Kinder und ihre Zukunft durch die segensreiche Einrichtung denken. Interessierte und Unterstützer sind herzlich eingeladen.