Wenn für die vielen Narren in der Region die fünfte Jahreszeit beginnt, hallt das „Hoorig“ oder „Narri Narro“ durch die Straßen und unzählige Narrenzünfte und Fasnachtsvereine bringen buntes Treiben in die Gemeinden. Doch während viele die große Vielfalt der Gruppen als lebendige Tradition feiern, gibt es auch Stimmen, die meinen: „Werden das nicht langsam zu viele?“ Zwischen jahrhundertealten Bräuchen und neuen Narrenzünften stellt sich die Frage, ob die Fasnacht durch immer mehr Vereine an Farbe und Tradition gewinnt – oder ob sich die Narren langsam gegenseitig auf den Füßen stehen.
Denn die hohe Anzahl an Narrengruppen bringt auch Herausforderungen mit sich. So musste die Singener Poppelezunft in diesem Jahr zum großen Kinderumzug am Fasnachtssamstag erstmals angemeldete Fasnachtsgruppen absagen, wie Zunftmeister Stephan Glunk im Gespräch mit dem SÜDKURIER erklärt. Grund dafür seien mitunter die vielen neuen Fasnachts- und Hexengruppen, die er als problematisch betrachtet. „Oftmals sind sich diese Gruppen der Tradition nicht bewusst, sie wollen einfach nur Halligalli“, beschreibt Glunk die Problematik.
Der Bezug zur Tradition fehlt
Säckelmeister der Poppele, Holger Marxer, wird noch deutlicher: „Protestgruppen stellen ein gewisses Problem dar“, sagt er. Solche Gruppen hätten sich von einer bestehenden Zunft im Streit getrennt und würden sich oft nicht in die traditionellen Strukturen der Fasnacht eingliedern. „Bitte nicht falsch verstehen, die Poppele sind nicht gegen die Neugründung von Fasnetgruppen oder Zünften, aber viele der Protestgruppen wissen nicht, was Brauchtum für uns Narren bedeutet“, so Marxer weiter.
Mit dieser Ansicht stehen Marxer und Glunk nicht alleine da. Auch Rainer Hespeler, Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, sieht die vielen neuen Gruppen kritisch.
„Diese Touristengruppen hüpfen von Narrentreffen zu Narrentreffen und wissen oftmals gar nicht, was Brauchtum und Tradition bedeutet“, erklärt Hespeler. In seinen Augen entstehen neue Fasnachtsgruppen aus der Laune heraus, ohne dabei besonders einfallsreich zu sein. Das sehe man besonders an den vielen neuen Hexengruppen. Zum einen, weil das Hexenhäs verhältnismäßig einfach gehalten ist, und zum anderen, weil sie das Gefühl vermitteln, sich alles erlauben zu können, so Hespeler.
Brauchtum soll gelebt werden
Dennoch sei auch Hespeler und seine Narrenvereinigung nicht grundsätzlich gegen die Neugründung von Vereinen. „Zunächst ist es uns besonders wichtig, dass die bestehenden Zünfte attraktiv bleiben, besonders für die Jungen. Wenn sich allerdings eine neue Fasnachtsgruppe bildet, dann soll sie in die Ortsfasnacht eingebunden werden und den guten Brauch der Fasnacht leben“, sagt er.

Einbringen in die örtliche Fasnacht ist für alle Befragten ein wichtiger Punkt, denn wie auch Ulrike Wiese, ehemalige Bürgermeisterin des Narrenvereins Neu-Böhringen und Landvögtin der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, erklärt, funktioniert die Fasnacht nirgendwo ohne die Zünfte und Vereine. „Mich stört das, wenn die Funvereine lieber an Umzugsmarathons teilnehmen, aber selbst nichts auf die Beine gestellt bekommen“, so Wiese angesichts der vielen Aufgaben rund um die närrischen Tage. „Die Fasnacht ist eine bierernste Sache, da kommt es auch auf jeden Helfer an“, hält sie fest.
Neugründungen können auch gelingen
Doch egal ob Protest-, Touristen oder Fun-Gruppen, nicht jeder neu gegründete Verein ist in den Augen der Kritiker ein Problem. Denn es gebe auch einige positive Beispiele, wie die Integration in die örtliche Fasnacht funktionieren kann. Ein oft genanntes Beispiel sind die im Jahr 2012 gegründeten Singener Waldberghexen oder die 2006 entstandenen Turmhexen aus Aach.
„Die Waldberghexen haben sich gut in die Singener Fasnacht integriert. Sie helfen jährlich auf dem Rathausplatz mit und tragen mit ihren Besuchen in Kindergärten und Krankenhäusern positiv sowohl zur Tradition als auch zum Brauchtum bei“, lobt Wiese. Auch die Turmhexen aus Aach haben eine ähnliche Entwicklung genommen. „Die Turmhexen waren anfangs eine wilde Gruppe, haben sich aber inzwischen optimal in die Dorffasnacht integriert“, erklärt Hespeler.
Die Frage nach der richtigen Balance bleibt offen. Und es gibt noch einige Umzüge bis Aschermittwoch, an denen alte und neue Gruppen bestaunt werden können.