Wenn die Polizei über illegale Autorennen auf deutschen Autobahnen informiert, steht immer wieder ein Hinweis dabei: Es habe sich um Fahrzeuge mit Schweizer Kennzeichen gehandelt. Und hartnäckig hält sich die Ansicht, dass Raser mit Wohnsitz in der Schweiz für illegale Rennen nach Deutschland kommen, weil sie hierzulande weniger streng belangt werden als in ihrem Wohnsitzland. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Denn wenn ein Autofahrer mit Wohnsitz in der Schweiz in Deutschland ein Vergehen begeht, kann es ihn auch in der Schweiz erwischen. Die deutschen Behörden können die Verstöße an die schweizerischen Straßenverkehrsämter melden. Diese wiederum prüfen, wie der Verstoß auf ihrer Seite der Grenze geahndet würde – und können ihre eigenen Sanktionen fürs Heimatland verhängen.

Wer im Ausland rast, könnte es auch in der Schweiz tun

Ein Beispiel: Wenn jemand, der in der Schweiz wohnt, ein Fahrverbot in Deutschland bekommt, informieren die deutschen Behörden das jeweils zuständige Straßenverkehrsamt in der Schweiz. „Dann greift das Schweizer Recht,“ sagt Ernst Fröhlich, Leiter der Abteilung Prävention und Maßnahmen beim Straßenverkehrsamt Thurgau auf Anfrage. Der Verstoß werde dann so sanktioniert, als wäre er in der Schweiz passiert. Dabei kann es durchaus Unterschiede zwischen den beiden Ländern geben. Die Idee dahinter: Wer im Ausland rast, könnte das auch in der Schweiz tun. Und: „Wenn jemand im Ausland ein illegales Rennen fährt, stellt sich schon die Frage nach der Tauglichkeit zum Fahren eines Autos“, so Fröhlich.

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Doch melden die deutschen Behörden die einschlägigen Verstöße auch tatsächlich an ihre Schweizer Kollegen? Ein Leser aus der Schweiz, der den ersten SÜDKURIER-Bericht über die illegalen Autorennen im Mai gelesen hat, hatte daran seine Zweifel. Wissen die deutschen Behörden etwa gar nicht um die Möglichkeiten, die sie hätten? Doch, sagt Ernst Fröhlich. Derartige Meldungen kämen beispielsweise von Gerichten, den Führerscheinstellen bei den Landratsämtern oder von der Staatsanwaltschaft. Doch solche Vorfälle kämen nur selten an die Öffentlichkeit, weil Führerscheinsachen als Privatrecht eingestuft seien.

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Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwaltschaft Konstanz, erklärt auch, wie die Schweizer Behörden von den Staatsanwälten erfahren, dass jemand, der in der Schweiz wohnt, sich hierzulande etwas im Straßenverkehr hat zuschulden kommen lassen: „In solchen Verfahren müssen wir regelmäßig unsere Schweizer Kollegen um Hilfe ersuchen“, sagt er. Denn wenn gegen einen mutmaßlichen Raser ein Ermittlungsverfahren läuft, muss dieser natürlich auch vernommen werden. Darum bitte die deutsche Staatsanwaltschaft die Polizei in der Schweiz. Und dann wissen die schweizerischen Behörden Bescheid.

Auch das Landratsamt will künftig strenger vorgehen

Das Konstanzer Landratsamt kündigt an, künftig konsequent Vergehen an die Schweizer Behörden zu melden. Wie Pressesprecherin Marlene Pellhammer schreibt, werde das Ordnungsamt des Kreises dies umsetzen. Allerdings können von dort nur Meldungen zu Ordnungswidrigkeiten erstattet werden, die auch in die Zuständigkeit des Landratsamtes fallen.

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Die Landespolizei hingegen mache keine Meldungen an Schweizer Behörden, schreibt Nicole Minge von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Konstanz. Und auch die zentrale Bußgeldstelle, die am Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe angesiedelt ist, nutze diese Möglichkeit nicht, schreibt Lilly Börstler, stellvertretende Pressesprecherin des RP. Die zentrale Bußgeldstelle ist für alle Ordnungswidrigkeiten zuständig, die Autofahrer auf Autobahnen in Baden-Württemberg begehen. Straftaten wie illegale Autorennen seien nicht Aufgabe der Bußgeldstelle, so Börstler.

Warum die Landespolizei nicht mehr meldet

Für schwerwiegende Verstöße aus dem Bereich der Ordnungswidrigkeiten habe man die Möglichkeit der Meldung an Schweizer Behörden vor längerer Zeit getestet. Doch der Aufwand sei hoch gewesen und die Erfolgsaussichten niedrig, sodass die Behörde nach kurzer Zeit wieder davon Abstand genommen habe.

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Der Konstanzer Leitende Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth hat allerdings noch eine Möglichkeit parat, wie Raser mit Wohnsitz in der Schweiz unangenehme Konsequenzen ihres Tuns auf deutschem Boden spüren können. Es habe Fälle gegeben, in denen hochmotorisierte Fahrzeuge von der Polizei beschlagnahmt wurden und sich später als Leasingfahrzeuge herausgestellt hätten. Der Leasinggeber erfährt dann davon, dass sein Fahrzeug beschlagnahmt wurde – und trete entsprechend ungehalten gegenüber dem Leasingnehmer auf, wie es Roth beschreibt. In den konkreten Fällen hätten die Leasinggeber die Verträge gekündigt – und der Raser mit Wohnsitz in der Schweiz stand ohne Auto da.