Wer knapp bei Kasse ist oder einfach gerne in Gemeinschaft isst, darf sich im Januar über das gemeinnützige Projekt der Singener Luthergemeinde freuen. In der eigenen Kirche soll bereits zum siebten Mal die sogenannte Vesperkirche stattfinden. Pfarrerin Andrea Fink-Fauser kündigt an, was dieses Jahr geboten wird.

Am 14. Januar – ganz bewusst sonntags – beginnt nach Angaben der Pfarrerin alles mit einem ökumenischen Gottesdienst. Die Festpredigt werde von Dekan Markus Weimer gehalten und vom kircheneigenen Posaunenchor musikalisch unterstützt. Im Anschluss solle die Vesperkirche offiziell mit dem ersten Mittagstisch eröffnet werden. Dafür würden in der Kirche insgesamt 22 Tische aufgestellt werden. „Sie sollen mit weißen Tischdecken und Blumen versehen werden. Denn wir wollen eine schöne Atmosphäre schaffen, die zu einem liebevollen Zusammensein führt“, so Fink-Fauser.

Das Mittagessen ist kostenlos

In den darauffolgenden zwei Wochen gebe es jeden Tag zwischen 11.30 und 14 Uhr warmes Mittagessen, Kuchen und Getränke. Und das kostenlos. „Spenden sind natürlich sehr willkommen“, sagt Fink-Fauser. Generell sei festzustellen, dass die Spendenbereitschaft der Gäste sehr hoch sei. Auch im Vorfeld habe es bereits einige Spenden von Unternehmen und Privatpersonen gegeben, weshalb es keinen Grund zur Sorge gebe.

Auch bei der Essensausgabe bekomme die Vesperkirche laut Fink-Fauser reichlich Unterstützung: „Es kommen jeden Morgen 40 bis 45 Helfer, die dann bedienen oder an der Theke Kaffee und Kuchen ausgeben.“ Dies sei auch nötig, da täglich im Schnitt 300 Menschen das Angebot der Vesperkirche nutzten. 160 Gäste würden dabei gleichzeitig in die Kirche passen.

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Dass in der Regel alles reibungslos ablaufe, sei neben den zahlreichen Ehrenamtlichen auch der Stadt Singen zu verdanken, die das Projekt an allen Ecken und Enden unterstütze. Für Oberbürgermeister Bernd Häusler sei die Vesperkirche ein „Herzensanliegen“, für das er „seine liebsten Kollegen“ einsetze.

Auch die Singener Tafel ist laut Fink-Fauser ein wichtiger Partner: Bedürftige kämen von dort, um sich in der Vesperkirche unter andere Bürger zu mischen, wovon beide Seiten profitierten. „Leute, die sich sonst nie treffen würden, kommen miteinander in Kontakt“, so die Pfarrerin.

Die Vesperkirche sorgt für Zusammenhalt

Das Besondere an der Vesperkirche ist Oberbürgermeister Bernd Häusler zufolge, dass eine Verbindung über alle Schichten hinweg geschaffen werde. „Bedürftige sitzen mit Unternehmern an einem Tisch und auch sonst sind in der Vesperkirche Religion, Nationalität und Alter egal“, sagt Häusler. Sinn der Sache sei also, dass alle eingeladen sind und miteinander ins Gespräch kommen.

Für die Vesperkirche wird der Kirchenraum zum Speisesaal verwandelt, wie dieses Archivbild von Anfang 2023 zeigt.
Für die Vesperkirche wird der Kirchenraum zum Speisesaal verwandelt, wie dieses Archivbild von Anfang 2023 zeigt. | Bild: Sandra Bossenmaier

Die Ökumene funktioniere in Singen außerordentlich gut, sagt Pfarrerin Fink-Fauser. Dies sei schon daran bemerkbar, dass sich für das Projekt verschiedene Konfessionen zusammentun: Die evangelische Luthergemeinde werde von einigen Katholiken und Muslimen unterstützt. Die Religion sei ein verbindendes Element und würde dafür sorgen, dass alle an einem Strang ziehen.

Die Pfarrerin erzählt, dass in den vergangenen Jahren schon richtige Freundschaften entstanden seien. „Wir schaffen gemeinsam Räume. Und das an einem Ort, an dem Menschen keinen Konsumzwang haben“, erklärt sie den Sachverhalt. Das sei wahnsinnig wichtig in einer Zeit, in der die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergehe.

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Aus diesen Gründen habe sich die Lutherkirche am zweiten Sonntag, dem 21. Januar, für einen Familiengottesdienst ausgesprochen, sagt die Pfarrerin. Die Besucher würden aber nicht wie gewöhnlich in den Bankreihen Platz nehmen, sondern an den aufgebauten Tischen, um im Anschluss wieder gemeinsam essen zu können. Auch am letzten Sonntag der Aktion am 28. Januar gebe es eine besondere Veranstaltung in der Kirche: Einen Bilderrückblick mit einem gesanglichen Auftritt des Gottmadinger Pop- und Gospelchors.

An den restlichen Wochentagen gebe es immer um 12.45 Uhr einen kleinen geistlichen Impuls. Diese kleine Pause während der Essensausgabe werde sehr wertgeschätzt, wie Fink-Fauser in den vergangenen Jahren feststellte.

Woher kommt das Essen?

An den Wochenenden übernimmt nach Angaben der Pfarrerin das Pflegeheim Haus am Hohentwiel die Bewirtung. Unter der Woche kümmere sich der Caterer Maier darum. Zudem gebe es Kuchen, die von heimischen Bäckereien und Ehrenamtlichen gebacken werden. „Da wir am Tag 25 bis 30 Kuchen unter die Leute bringen, benötigt es fleißige Helfer“, betont Fink-Fauser. Die Luthergemeinde freue sich über jede Kuchenspende. Wenn an einem Tag mal nicht alle Kuchen gegessen werden, gehe der Rest an den Laden der Singener Tafel.

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Menschen freuen sich auf die Vesperkirche

Die Vesperkirche werde von den Mitmenschen jedes Jahr sehr gut aufgenommen. Gerade ältere Menschen und Bedürftige würden sich freuen, in Gesellschaft essen zu können. Manche nähmen es sich auch zum Anlass, nach 40 Jahren das erste Mal wieder in die Kirche zu kommen, wie die Pfarrerin erzählt. Bei einer Begegnung sei auch ein besonderer Satz gefallen, den sie immer noch in den Ohren habe: „Bei euch merkt man wirklich, dass ihr das aus Nächstenliebe tut.“

Auch Oberbürgermeister Bernd Häusler muss bei diesem Satz lächeln und sagt: „Ich hoffe und freue mich darauf, dass wir eine schöne, stimmungsvolle und sehr verbindende Vesperkirche im Jahr 2024 feiern können.“