In der Backstube von Angelika Eger in der Gottmadinger Bahnhofstraße herrschte kurz vor Ostern Hochbetrieb. Während sie selbst den Teig für einen Rüblikuchen in Backformen füllte, kümmerte sich Elisabeth Cyprych um den Rhabarberkuchen.

Besterkuchen gibt es seit einem Jahr

„Iss Kuchen und tu Gutes!“ – unter diesem Motto hatte Angelika Eger vor gut einem Jahr ihr Start-Up Besterkuchen gegründet. Dahinter steckt der Plan, mit Backen gegen die Altersarmut anzugehen. Auf die Idee dazu kam Eger durch zwei Cafés in Wien und in München, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten.

Außer Gründerin Angelika Eger stehen drei Senioren in der Gottmadinger Backstube und schaffen sich damit einen Zuverdienst: Neben Elisabeth Cyprych sind das Susanne Frank und Karl-Heinz Schmitz. Für Elisabeth Cyprych ist diese Arbeit eine willkommene Abwechslung. So habe sie eine Aufgabe und fühle sich gebraucht. Daheim würde ihr sonst die Decke auf den Kopf fallen.

Kuchen statt Rosenkohl

Zur fachlichen Unterstützung kommt Konditormeisterin Jana Steinhauer hinzu, deren Motto lautet: Kuchen ist Gottes Entschuldigung für Rosenkohl. Ihr ist auch zu verdanken, dass manches Rezept noch einen besonderen Kick erhielt. Ein Glücksgriff war auch Karl-Heinz Schmitz, den Angelika Eger auf dem Singener Wochenmarkt kennenlernte, und der Bäckermeister im Ruhestand ist.

Schon vor 13 Jahren kam Angelika Eger die Idee, mit ihrem Hobby, dem Backen, Geld zu verdienen. Doch erst 2020, als sie mit 46 Jahren feststellte, dass sie in ihrem alten Beruf als Grafikdesignerin nicht mehr mit dem Herzen dabei war, wagte sie diesen Schritt und brach aus dem Hamsterrad aus.

Verkauf nur mit Prüfung

Die Selbstständigkeit kannte sie bereits und wusste daher, dass selbstständig meist „selbst“ und „ständig“ bedeutet. Als Branchenfremde Lebensmittel herzustellen und zu verkaufen war jedoch eine neue Herausforderung für sie und schwieriger als gedacht. So musste sie erfahren, dass sie ihre Backwaren ohne Prüfung vor der Handwerkskammer nur auf Wochenmärkten verkaufen durfte, und war daher zunächst nur auf Märkten in Konstanz und Singen vertreten.

Im vergangenen Jahr absolvierte sie dann alle Prüfungen, darunter auch die praktische, für die sie an einem Hochsommertag bei 36 Grad elf Kuchen in sechs Stunden backen musste – eine Herausforderung nicht nur für die Kuvertüre auf den Nussecken.

Auf vier Märkten und in vielen Läden

Ihr soziales Konzept, gepaart mit der Verwendung von Traditionsrezepten, regionalen Bio-Zutaten und nachhaltiger Verpackung kommt an. So ist sie inzwischen auf vier Märkten vertreten, bekommt Bestellungen für Feierlichkeiten und hat mehrere feste Abnehmer wie Cafés, Hofläden und Restaurants. Besonders freut es sie, dass sie am vergangenen Montag als „Persönlichkeit im Handwerk“ ausgezeichnet wurde.

Die nächste Herausforderung wird die Eröffnung eines Cafés direkt bei der Gottmadinger Backstube sein. Dass hierfür gleich fünf Behörden vom Bauamt bis zum Wirtschaftskontrolldienst ihr Einverständnis erklären müssen, war für die 47-jährige Powerfrau eine Überraschung. Und somit ist der Eröffnungstermin aktuell noch völlig offen.

Neues Café „Omas Wohnzimmer“

Die Einrichtung, passend zum Namen des Cafés „Omas Wohnzimmer“, wurde größtenteils gespendet und steht schon bereit. Bei der Frage nach der größten Herausforderung ist Angelika Egers Antwort eindeutig: die Mitarbeiter. Dabei sind nicht die Senioren in der Backstube die Schwierigkeit, sondern geeignetes Personal für die Marktstände zu finden. Und so überlegt sich Eger sehr genau, ob sie das Angebot annehmen möchte, ihre Backwaren auch auf dem Tuttlinger Wochenmarkt anzubieten.

Das könnte Sie auch interessieren

Angelika Eger ist Realistin. Angesichts der aktuellen Ressourcenknappheit und steigender Preise legt sich ihre Stirn in Falten. Denn sie weiß auch, dass Kuchen ein Nischenprodukt ist, auf das notfalls verzichtet werden kann. Doch die Mutter zweier Söhne hat auf dem Weg zu ihrem Start-up bereits viele Hürden überwunden, und ist zuversichtlich, auch hier eine Lösung zu finden. Denn schließlich seien wir ja alle hier, um zu lernen, ist sie überzeugt.