Wenn man Ute Seifried über ihre Arbeit in den zurückliegenden acht Jahren reden hört, entsteht der Eindruck von einem großen Gemischtwarenladen. Seifried ist Bürgermeisterin in Singen und im Rathaus für die Fachbereiche Bildung und Sport sowie Jugend, Soziales und Ordnung zuständig. Als erste Beigeordnete, wie das Amt offiziell heißt, hat sie ein Wahlamt – und Seifrieds erste Amtszeit endet in diesem Sommer am 12. Juli. Seifried möchte das Amt behalten und hat sich wieder beworben. Ihrer Wahl im Gemeinderat im Mai dürfte nichts im Wege stehen, denn bis zum Ende der Bewerbungsfrist am Sonntag, 12. Februar, ist laut dem städtischen Pressesprecher Stefan Mohr keine weitere Bewerbung eingegangen. Über ihren Job sagt Seifried im Gespräch: „Es sind oft keine Riesendinger, aber viele kleine Bausteine. Da geht es um Projekte, die mir wichtig sind.“
Dieser Satz bezog sich im Gespräch darauf, wie man Kindern helfen könne. Doch wenn man sich Seifrieds Tätigkeitsbericht anhört, trifft dieser Satz auf praktisch alle Bereiche zu, für die sie zuständig ist. Die Liste, in der sie bisher Erreichtes zusammengestellt hat, umfasst zwei DIN A4-Blätter, die dicht mit Stichpunkten bedruckt sind. Dazu gehören beispielsweise die Neustrukturierung und Personalaufstockung beim Seniorenbüro, der Ausbau von Kitas und die Einrichtung der zentralen Vergabe von Kita-Plätzen, die Gründung eines Schülerforschungszentrums, ein Integrationskonzept, zahlreiche Sportveranstaltungen, die Neusortierung des Bürgerzentrums oder die Schaffung eines Repair-Cafés – die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Viele Themen sind der Bürgermeisterin wichtig
Auf einzelne Punkte geht sie näher ein, etwa auf die Unterbringung von Obdachlosen. Das sei derzeit kein so großes Thema, könnte aber mehr werden, weil mit den verschiedenen Bauprojekten in der Stadt günstiger Wohnraum verschwindet. Wohnraum ist auch ein entscheidendes Thema, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht. Durch das Programm zur Wohnraumakquise habe man nach dem ersten verstärkten Zuzug von Flüchtlingen ab 2015 immerhin 120 Menschen unterbringen können. Bei der Feuerwehr, die ebenfalls zu ihrem Bereich gehöre, probiere man nun den zweiten Standort in der Südstadt aus. Der Kommunale Ordnungsdienst sei sehr hilfreich durch die Präsenz in der Stadt und habe schon für Ruhe und Sicherheit gesorgt. Und auch die Quartiersarbeit sei gut angelaufen.
Person und Wahl
Zum Gespräch am Ende einer ersten Amtszeit gehört aber natürlich auch der Blick nach vorne. Zwei große Themen, die zu Seifrieds Bereich gehören, sind die lange gewünschte neue dreiteilige Sporthalle und die Sanierung des mehr als 50 Jahre alten Hallenbads. Doch wie soll das Ganze finanziert werden? Haushaltsmittel zurücklegen sei schwierig, berichtet Seifried aus ihrer kommunalpolitischen Erfahrung: „Es kommt immer etwas Unvorhergesehenes rein – und dann braucht man das Geld dafür.“ Wenn man in der Verwaltung eine Möglichkeit sehe, werde auch etwas gemacht. Bei der Hallenbadsanierung gibt sie sogar ein zeitliches Ziel aus: „Das möchte ich in den nächsten acht Jahren gerne noch erleben.“ Denn es gebe regelmäßig die Sorge, ob man für die eingebaute Technik noch Ersatzteile bekomme. Ihre Idee: Zur Techniksanierung soll ein kleiner Anbau für einen Kleinkindbereich hinzukommen. Doch da sei man leicht bei acht Millionen Euro Finanzbedarf.
Eine komplett neue Sporthalle dürfte deutlich mehr kosten. Doch weil die Stadt wachse, sei diese in der Priorität auch nach oben gerutscht, lautet ihre Einschätzung. Und: „Schon jetzt werden Schüler für den Sportunterricht zu Hallen gefahren, weil es zu wenige Hallen direkt bei den Schulen gibt.“ Mit mehr Einwohnern braucht eine Stadt eben nicht nur mehr Straßen und Gebäude, sondern auch mehr Kindertagesstätten, Schulen und Sportplätze.
Personalsuche bereitet Bauchschmerzen
Hinzu kommen Vorgaben von Bund und Land – zum Beispiel für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen, der ab 2026 gelten soll. „Den Plan, wo wir was anbauen müssen, haben wir schon, das muss jetzt noch in konkrete Baupläne umgesetzt und dem Gemeinderat vorgelegt werden, dann kriegen wir das auch hin“, sagt Seifried: „Aber Personal zu finden, das macht mir richtig Bauchschmerzen.“ Die Bürgermeisterin gibt, auch an die Adresse der übergeordneten Stellen, zu bedenken: „Wenn man auf 100 Prozent Fachkraft besteht, wird man die Kinder nicht mehr betreuen können.“
Schon jetzt werde das in Kitas deutlich. Falle eine Fachkraft aus, müsse unter Umständen eine ganze Kita-Gruppe geschlossen werden, auch wenn durch fachfremde Zusatzkräfte eigentlich genügend Personen in der Gruppe wären. Diese seien häufig ein Gewinn für die Einrichtungen und werden von der Stadt auch für ihre Aufgabe qualifiziert. Doch die Vorgaben sehen mitunter anders aus.
2015 hat Seifried das Amt übernommen, als erste Bürgermeisterin, die in Singen ein Dezernat mit diesem Zuschnitt leitet. Eigentlich stamme sie aus einem konservativen Elternhaus, erzählt sie. Ihr Großvater sei Vorzimmerherr bei Konrad Adenauer gewesen, als der noch Oberbürgermeister von Köln war. Der Weg in die Politik führte für sie denn auch über die Junge Union und die CDU, doch da sei sie rasch an den linken Rand gerückt, in die CDA, die Christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft. Ende der 1990er-Jahre sei ihr das zu marktliberal geworden und sie habe es ab 2009 bei den Grünen versucht. Doch das sei mit ihrer sozialen Prägung damals nicht lange gut gegangen, 2013 sei sie wieder ausgetreten – und bis heute nicht wieder in eine Partei eingetreten.
Als Frau in der Politik, das ist auch im Jahr 2023 noch ein Thema. Ja, die Politik sei sehr männerdominiert: „Es ist schade, dass das so ist.“ Aber für alle gelte, dass man so ein Amt nur machen könne, wenn der Partner oder die Partnerin einen unterstützt. Das dürfte viele Frauen abschrecken, so Seifrieds Einschätzung. „Mein Ehemann hat seine Arbeitszeit reduziert, um mich zu unterstützen“, sagt sie. Und: Mit Oberbürgermeister Bernd Häusler verbinde sie ein stabiles Vertrauensverhältnis. „Wir haben ähnliche Grundwerte und uns beide treibt an, dass wir die Stadt voranbringen wollen.“ Diskussionen gebe es um die Inhalte, da komme man aber immer wieder zusammen – für die vielen kleinen Baustellen für Soziales und Sicherheit.